Was die Forschung über Kooperation an Ganztagsschulen weiß - eine Rezension : Datum: Autor: Autor/in: Inge Michels
Der neue Band "Ganztagsschulische Kooperation und Professionsentwicklung" aus der Reihe "Studien zur ganztägigen Bildung" (Beltz Juventa) trägt u. a. Antworten der Forschung auf diese Fragen zusammen. Erstmals werden hier die Erkenntnisse der vom BMBF geförderten empirischen Ganztagsschulforschung zu Kooperation, sozialräumlicher Vernetzung und Professionsentwicklung gebündelt und diskutiert. Dabei werden etwa die Erwartungen und Resultate, die mit dem Aufbau so genannter "Lokaler Bildungslandschaften" verknüpft sind, ebenso betrachtet wie die Finanzierung von Ganztagsschulen im ländlichen Raum oder auch das Funktionieren von "Lehrer-Erzieher-Teams".
Kooperation bewegt sich in Spannungsfeldern
In zehn Aufsätzen geben jeweils Wissenschaftlerteams einen dichten Einblick in ihre Forschungen, unterteilt in zwei Schwerpunkte: Der erste beleuchtet das Themengebiet "Professionsentwicklung und Kooperation", der zweite widmet sich der "Professionsentwicklung und regionalen Vernetzung". Es ist sicher ein Verdienst der Autoren, dass sie auch die verschiedenen Spannungsfelder, in denen Kooperationen an und mit Ganztagsschulen sich bewegen, offen legen und beschreiben. So wird etwa unter der Überschrift "Kooperation zwischen Ergänzung, Delegation und Spezialisierung" die Frage gestellt: "Wie verschieden sollen und wie ähnlich dürfen idealerweise Kooperationspartner sein, damit eine erfolgreiche Kooperation zustande kommt?"
Hilfreich sind hier die beiden Kommentare jeweils zum Abschluss der Schwerpunkte. Dort wird u. a. resümiert, dass Lehrer die Hilfe von Spezialisten anderer Professionen überwiegend als hilfreich und entlastend erleben; selbst wenn Lehrer dafür Zeit investieren und sich auf andere pädagogische Perspektiven einlassen müssen. In einem anderen Beispiel wird auf Kooperationsrisiken verwiesen, insbesondere, wenn Lehrkräfte die Definitionsmacht über effektives Lernen für sich beanspruchen. Interessant auch die Betrachtung des Stellenwertes von Ganztagsschulen für Stadt- und Regionalentwicklung und der klare Hinweis an die Politik, "dass die bisherigen Ansätze der Städtebauförderung und der integrierten Stadt(teil)entwicklung stets sehr stark auf bauliche und infrastrukturelle Verbesserungen . fokussieren", statt "Ganztagsschulen und ihre neuen gesellschaftlichen und sozialen Funktionen . bei der . Stadtteil., Dorf- und Regionalentwicklung viel systematischer in den Blick" zu nehmen (S. 203).
Bedingungen des Gelingens
Für Praktiker an Ganztagsschulen, die sich Anregungen für ihre konkrete Arbeit in Kooperationen versprechen, ist die wissenschaftliche Publikation vielleicht nicht immer einfach zu lesen, in der Quintessenz jedoch erhellend. Macht sie doch Schluss mit der häufig naiven Vorstellung, Lehrerinnen und Lehrer müssten Kooperation nur wollen, dann würde sie auch gelingen. So ist es nicht. Interessant ist etwa die Übersicht von drei Typen von Kooperationskultur an Ganztagsschulen, die sicher auch anregt, die Kooperationskultur der eigenen Schule zu hinterfragen (S. 77). Jeweils unterteilt in die Aspekte (Vergleichsdimensionen) Kooperationsverständnis, Kooperationspraxis und Auswirkungen wird deutlich, dass es ganz bestimmte strukturelle Bedingungen des Gelingens gibt: Dazu gehören: Kooperationen langfristig durch Ressourcen abzusichern; die Motive und Handlungslogiken der "anderen" (innerschulisch wie außerhalb) zu kennen und zu akzeptieren; im Schulalltag die Schnittstellen für die Verknüpfung von formalen, non-formalen und informellen Lernens systematisch zu definieren.
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