Von der Tierpflege bis zur Sport-AG: Ganztagsschule bietet Raum für Freiwilligendienste : Datum: Autor: Autor/in: Ute Bohnenkamp

Das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr erfreuen sich bei Jugendlichen stetig wachsender Beliebtheit. Die Ganztagsschule als Einsatzort bietet vielfältige Perspektiven und Chancen - für die jungen Männer und Frauen ebenso wie für die Schulen. Doch wie sehen die Einsatzbereiche im Einzelnen aus und welche Aufgaben erwarten die Freiwilligen?

Gerd Hagensieker ist Schulleiter der Lindenschule im niedersächsischen Melle, einer Grund- und Hauptschule, die ökologische Gesichtspunkte in den Fokus rückt. Die 450 Schülerinnen und Schüler lernen, warum die Erhaltung der Umwelt wichtig ist und wie sie selbst dazu beitragen können. Das gesamte Schulumfeld hilft den Kindern und Jugendlichen, ökologische Zusammenhänge zu verstehen.

Ackerbau und Tierpflege

Neben dem Schulgrundstück beherbergt eine ein Hektar große Fläche die schuleigenen Zwergziegen und Hühner sowie den Schulgarten, eine Obstbaumwiese und ein Biotop. Bei der Pflege der Tiere, zu denen auch Kaninchen, Tauben und Meerschweinchen zählen, packen alle Schülerinnen und Schüler mit an. Doch die Hauptverantwortung liegt bei den zwei Helferinnen, die an der Lindenschule ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) leisten. "In der Mittagszeit gehen sie mit den Kindern raus und füttern die Tiere", erklärt der Schulleiter die Aufgaben der beiden jungen Frauen. Im Nachmittagsprogramm der Ganztagsschule bieten die "FÖJlerinnen" dann umweltbezogene Arbeitsgemeinschaften für die Grundschülerinnen und Grundschüler an.

Doch das ist noch längst nicht alles. Vormittags unterstützen sie Umweltprojekte im Unterricht und die vielen anderen Aktivitäten der Schule, die sich um Ökologie und Tiere drehen. Zurzeit wird ein Vogelbrutkasten mit einer Infrarotkamera ausgestattet, die Livebilder von der Aufzucht der Jungvögel in die Pausenhalle übertragen soll. "Außerdem beschäftigen wir uns mit Ackerbau. Demnächst steht die Aussaat des Hafers an, auch dabei helfen die FÖJ-Kräfte mit", fährt Gerd Hagensieker fort. "Und das sind nur einige Beispiele dafür, was die Freiwilligen an unserer Schule leisten."

Für die Jugendlichen, die meist eine Ausbildung oder ein Studium im pädagogischen Bereich anstreben, bietet der Einsatz an Ganztagsschulen eine gute Gelegenheit, ihre Fähigkeiten im Umgang mit Schülerinnen und Schülern zu erproben. "Ich sehe es als einen großen Vorteil an, vor der eigentlichen Berufswahl erste Erfahrungen in dem Bereich sammeln zu können", bestätigt Gerd Hagensieker. "Bei uns war einmal eine Freiwillige, die Lehrerin werden wollte und im FÖJ festgestellt hat, dass sie Schwierigkeiten im Umgang mit Kindern hat. Andernfalls hätte sie das vielleicht erst irgendwann im Studium erkannt."

Für Jugendliche, die eine Ausbildung oder ein Studium im pädagogischen Bereich anstreben, bietet der Einsatz an Ganztagsschulen eine gute Gelegenheit, ihre Fähigkeiten im Umgang mit Schülerinnen und Schülern zu erproben (Quelle: Andrea Bowinkelmann).

Modellversuch in Niedersachsen

Eine der beiden FÖJ-Stellen an der Lindenschule stammt aus dem niedersächsischen Modellprojekt "Freiwilliges Ökologisches Jahr an Ganztagsschulen" der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz. Seit August 2007 stellt das Projekt, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Land Niedersachsen, der Deutschen Bundesumweltstiftung, der Niedersächsischen Wattenmeer Stiftung und der Niedersächsischen Umweltstiftung gefördert wird, jeweils 20 Stellen pro Schuljahr bereit.

Die Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz ist Träger dieser Stellen und arbeitet mit den jeweiligen Einsatzstellen der Freiwilligen eng zusammen. Einsatzstellen sind zum Beispiel regionale Verbände des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), das Schulbiologiezentrum Hannover und andere Umweltbildungszentren. Diese schließen wiederum Kooperationsverträge mit Ganztagsschulen, an denen die Freiwilligen Arbeitsgemeinschaften im Bereich "Bildung für Nachhaltige Entwicklung" anbieten. Die Lindenschule hingegen fungiert selbst als Einsatzstelle, da sie auf ganztägige Unterstützung angewiesen ist.

Pädagogische und fachliche Unterstützung

Neben der Arbeit in den Einsatzstellen und an den Ganztagsschulen stehen für die jungen Frauen und Männer im Freiwilligen Ökologischen Jahr noch 25 Seminartage auf dem Programm, bei denen theoretische Hintergründe und der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt stehen. Zusätzlich wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von der Alfred Toepfer Akademie Unterstützung zuteil.

Carlo Engstfeld ist einer der pädagogischen Betreuer, die vor Ort mit den Jugendlichen arbeiten. "Wir führen Hospitationsseminare durch, bei denen wir mit in die Schulen gehen und an den Arbeitsgemeinschaften teilnehmen", erklärt er. In Kleingruppen werde das Angebot anschließend analysiert und besprochen. "Das hilft den Jugendlichen, ihre AGs weiter zu verbessern und ihre Fähigkeiten gezielt einzusetzen."

Auch die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind überaus positiv. Laut Carlo Engstfeld bewerten sie ihre Erfahrungen als äußerst wichtig und sehen das Freiwilligenjahr als große Bereicherung. "Der hohe Praxisbezug hilft den Jugendlichen außerdem, eine Entscheidung für die eigene Zukunft zu fällen", ist auch er überzeugt. Die positiven Aspekte scheinen sich herumzusprechen, denn auf die jährlich 20 Stellen kommen inzwischen über 50 Bewerber.

Während das FÖJ an Ganztagsschulen eher junge Frauen anzusprechen scheint, bringt ein anderes Angebot vermehrt männliche Teilnehmer an die Schulen, das Freiwillige Soziale Jahr im Sport (Quelle: Landessportbund NRW).

Rahmenbedingungen der Freiwilligendienste

Eine Entwicklung, die für sich spricht: Gab es 1993 gerade einmal 7.100 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), so waren 2007/2008 rund 24.300 junge Männer und Frauen in den Freiwilligendiensten beschäftigt. Auch das Angebot hat sich gewandelt. Neben dem FSJ, das bereits seit 1964 gesetzlichen Regelungen unterliegt, ist seit 16 Jahren auch das Freiwillige Ökologische Jahr rechtlich verankert. Zudem ist es anerkannten Kriegsdienstverweigerern seit 2002 grundsätzlich möglich, sich alternativ zum Zivildienst freiwillig zu engagieren.

Um an einem Freiwilligen Ökologischen oder Sozialen Jahr teilnehmen zu können, müssen Bewerberinnen und Bewerber lediglich zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen die Vollzeitschulpflicht beendet haben und unter 27 Jahre alt sein. Auch die zeitliche Einteilung der Dienstzeit ist inzwischen flexibel. Regulär umfassen das FSJ und FÖJ zwölf Monate, die Mindestdauer liegt allerdings bei sechs und die Höchstdauer bei 18 Monaten; in Ausnahmefällen können Einsätze auf 24 Monate verlängert werden. Zudem sind Kombinationen verschiedener Einsatzfelder sowie von In- und Auslandsaufenthalten möglich. Detaillierte Informationen bietet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

FSJ im Sport - Männersache?

Während das FÖJ an Ganztagsschulen eher junge Frauen anzusprechen scheint - in Niedersachsen sind in diesem Jahr unter den 20 Freiwilligen gerade einmal drei junge Männer - bringt ein anderes Angebot vermehrt männliche Teilnehmer an die Schulen, das Freiwillige Soziale Jahr im Sport. Unterstützt wird diese Entwicklung durch das Angebot von FSJ-Stellen für Kriegsdienstverweigerer. Zurzeit leisten 351 Freiwillige ein FSJ beim LandesSportBund Nordrhein-Westfalen e.V. (LSB). Unter ihnen finden sich etwa 40 junge Frauen, während die meisten Stellen, nämlich 273  an Kriegsdienstverweigerer gehen. Insgesamt betätigen sich ca. 40 Prozent der freiwilligen Helferinnen und Helfer auch an den Ganztagsschulen des Landes.

Susanne Ackermann, Referentin für den Bereich Jugendarbeit/Schule des LSB, erklärt, wie die Einsätze funktionieren: "Viele Sportvereine kooperieren seit langem mit Ganztagsschulen. Die 'FSJler' unterstützen ihren Verein dann bei der Durchführung von Arbeitsgemeinschaften im Nachmittagsangebot." Zusätzlich können die Jugendlichen an verschiedenen Lehrgängen teilnehmen und Lizenzen erwerben, die gegebenenfalls auch das eigenständige Leiten einer AG ermöglichen.

"Die Vermittlung von FSJ-Helfern an Ganztagsschulen läuft sehr gut und wird von allen Beteiligten äußerst positiv bewertet", ergänzt Beate Lehmann, ebenfalls Referentin des LSB. "Viele Schulen freuen sich besonders darüber, dass auf diesem Weg junge Männer an die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen herangeführt und für Lehrberufe interessiert werden können."

"Freiwilligendienste machen kompetent"

Neben den bereits erwähnten Vorteilen, die sich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Freiwilligendiensten bieten, ist die Förderung von Jugendlichen mit niedrigem oder ohne Bildungsabschluss ein wichtiger Aspekt. Studien zeigen allerdings, dass bildungsarme und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sowie Menschen mit Migrationshintergrund im Freiwilligenengagement insgesamt deutlich unterrepräsentiert sind.

Gefördert vom Bundesfamilienministerium und kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds greift hier die Arbeit des Programms "Freiwilligendienste machen kompetent". In einer ersten Programmphase, die sich über den Zeitraum von 2007 bis 2010 erstreckt, bieten acht Träger an zwölf Standorten in ganz Deutschland gezielt benachteiligten Jugendlichen die Gelegenheit zu freiwilligem sozialen Engagement.

Neben den regulären Angeboten, die das FSJ und FÖJ umfassen, liegt hier ein besonderes Augenmerk auf "nachweisbarer Kompetenzerweiterung" in den Bereichen Bildungs- und Beschäftigungsfähigkeit sowie Reflexions- und Kommunikationsfähigkeit. Je nach Einsatzstelle umfasst das Programm Pflegedienst- oder Rettungshelferausbildungen sowie den Erwerb eines Traktorführerscheins oder des Hauptschulabschlusses.

Während der laufenden Programmphase leisten rund 400 Jugendliche ein FSJ oder FÖJ bei Einsatzstellen im Betreuungs- und Pflegebereich, im Rettungsdienst, im Gartenbau und in der ökologischen Landwirtschaft sowie in Kultureinrichtungen und Sportvereinen. Weiterführende Informationen bieten die Internetseiten des Programms "Freiwilligendienste machen kompetent".

 

Kategorien: Service

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000