Serviceagentur Saarland: Gemeinsam mehr bewegen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
"Gemeinsam bewegen wir mehr!" - Mit dieser Überzeugung präsentierte sich die Regionale Serviceagentur Saarland auf ihrem Lernforum Freiwillige Ganztagsschule "Ideen für mehr! - Entwicklung, Organisation und Verzahnung in Schulen" am 11. November 2006 in der Europäischen Akademie Otzenhausen.
Wer hat Lust, nach dem Schulstress einfach mal abzuschalten, mit einer Entspannungstechnik, die aus autogenem Training, progressiver Muskelentspannung und Phantasiereise besteht? Der wende sich an die Diplomsozialpädagogin Ute Schneider. Oder wie sieht es mit kreativem Gestalten von Natur- und Abfallmaterialien aus - mit Heubasteln, Seifenherstellung, Papierschöpfen? Kein Problem für die Diplomsozialpädagogin Verena Rasch. "Alles nur Luft" heißt es bei Lehrerin Rita Bell, die den Spaß am Experimentieren mit dem Bau von Luftkissenbooten und Streichholzliften in die Schulen bringen will. "Wie ein Schiff im Wasser liegen - warum kann ich das nicht?" fragt Lehrer Karl-Heinz Reiland mit seinen Versuchen rund um das Element Wasser. "Leseförderung mit allen Sinnen" kündigt die Bibliothekarin Ellen Lischewski an: Bücher werden mit Rollenspielen, Schattentheater und Musik zum Leben erweckt. Andreas Kött, Dozent für Philosophie, fragt sich mit den Schülerinnen und Schülern: "Wo geht das Bauchweh hin, wenn die Schmerzen weg sind?" Durch philosophische Gespräche mit den Kindern sollen diese den "schiefen Blick", das kritische Prüfen lernen, um erkennen zu können, dass ihre Welt nicht die einzige ist.
Melanie Helm, Leiterin der Regionalen Serviceagentur Saarland, stellt zwölf der insgesamt 14 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor
"Spielend die Sinne entdecken" möchte die Ergotherapeutin Simone Fischbach, die Erzieherin und Tanzleiterin Stefanie Ewen will "mit Händen und Füßen begreifen". Musiklehrerin Susanne Hunsicker möchte mit den Kindern rappen. "Hast du Lust zu tanzen?" fragt der Tanzlehrer Martin Esser. Die Tischlerin Birgit Reckenwald möchte in der Begegnung mit Wildkräutern und Heilpflanzen den Kontakt der Schülerinnen und Schüler mit der Natur fördern. Einen Schnupperkurs "Darstellendes Spiel" bietet die Theaterpädagogin Elke Domaratius an. Wer möchte mehr Verständnis für die Wirkungsweise von Raum und Mensch und mehr Verantwortung für den uns alle umgebenden Raum entwickeln? Die FengShui-Ausbilderin Ulrike Moutty kann helfen. Wer hat Lust, aus Ton in Verbindung mit Hölzern, Steinen, Eisen und Farbe Kunstwerke zu erstellen? Die Keramikerin und Erzieherin Sabine Beyer macht es möglich.
Ideen durch "Schnupperkurse" gewinnen
Selten wurde der Slogan "Ideen für mehr!" so greifbar wie am 11. November 2006 in der Europäischen Akademie Otzenhausen. Hierhin hatte die Regionale Serviceagentur Saarland zu ihrem Lernforum Freiwillige Ganztagsschule "Ideen für mehr! - Entwicklung, Organisation und Verzahnung in Schulen" eingeladen, um sich vor rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu präsentieren und ihre 14 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vorzustellen, die mit unterschiedlichen Angeboten das Lernen und Leben in den saarländischen Ganztagsschulen bereichern wollen.
Jede Ganztagsschule kann sich bei Interesse an einem Angebot bei der Serviceagentur anmelden, die den Kontakt zu der Multiplikatorin oder dem Multiplikator herstellt. An einem vereinbarten Termin sind diese dann für rund zwei Stunden in der Schule, um ihren Kurs durchzuführen. Lehrerinnen und Lehrer sowie das Personal der Nachmittagsbetreuung sollten ebenfalls daran teilnehmen, um Ideen, Methoden und Möglichkeiten für ihre eigene pädagogische Arbeit zu übernehmen. Bei Bedarf werden auch Fortbildungen zu den "Schnupperkursen" durchgeführt.
Dr. Anja Durdel, Programmleiterin des Begleitprogramms "Ideen für mehr! Ganztägig lernen" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, ist begeistert, was die Serviceagentur Saarland in den wenigen Monaten seit ihrer Einführung am 1. Mai 2006 mit diesem Multiplikatorenprogramm, das in einer Broschüre übersichtlich präsentiert wird, bereits erreicht hat. "Sie sind sehr weit", betont sie gegenüber der Leiterin und dem Leiter der Serviceagentur, Melanie Helm und Hans-Joachim Schmidt.
Spicken in anderen Schulen empfohlen
Auch Dr. Susanne Reichrath, Staatssekretärin im saarländischen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft, fand in ihrer Begrüßungsrede lobende Worte: "Dass an einem Samstagmorgen 120 Interessierte zu dieser Veranstaltung gekommen sind, zeigt Ihr großes Engagement." Die Attraktivität der Ganztagsschule sei gestiegen: Während im Schuljahr 2001/2002 vier Prozent der Schulen Ganztagsangebote gemacht hätten, verfügten heute 80 Prozent der Schulen über solche - 87 Prozent der Grundschulen, 65 Prozent der Regionalen Schulen, 79 Prozent der Gymnasien und 93 Prozent der Gesamtschulen. Insgesamt besuchten rund 9.200 Schülerinnen und Schüler eine Ganztagsschule, davon 2.700 Kinder und Jugendliche in der gebundenen Form. "Die Qualität einer Ganztagsschule hängt wesentlich vom Engagement der Beteiligten ab", zeigte sich die Staatssekretärin überzeugt. "Wichtig ist aber auch die Verzahnung von Vor- und Nachmittag, die durch den Lehrereinsatz am Nachmittag mit drei Stunden pro Gruppe gewährleistet werden soll. Am Nachmittag sollen gemeinsame Teams aus Lehrern und Erziehern alle Potentiale ausschöpfen, um die Lernziele Bildung und Erziehung zu erreichen. Wir wollen hiermit die Weichen stellen, um selbstständiges Lernen und die Partizipation der Schülerinnen und Schüler sicher zu stellen."
Susanne Reichrath (l.) und Anja Durdel
In ihrem Grußwort fasste Anja Durdel die Vision einer guten Ganztagsschule so zusammen: "Die Kinder haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie krank werden." Das Begleitprogramm "Ideen für mehr! Ganztägig lernen" solle den Schulen bei ihrem "Umbau im laufenden Geschäft" passgenaue Bausteine liefern, die helfen, den Tag "zu gestalten, nicht nur zu verwalten". Um erfolgreich zu arbeiten, sollte die Organisation einer Ganztagsschule von den dort Beschäftigten aus gedacht werden, erläuterte die Programmleiterin. Eine Zukunftskonferenz mit der Fragestellung "Was für eine Ganztagsschule wollen wir?" könne die Absichten und Bedürfnisse aller Beteiligten klären und dabei helfen, gemeinsame Ziele zu formulieren. "Jeder muss sich einbringen können, und man muss auch mal unkonventionell denken", so Anja Durdel. Ausdrücklich empfahl sie das "Spicken in anderen Schulen".
Altes aufgeben, um neue Wege zu gehen
Das Lernen aus Beispielen guter Schulpraxis wollen Melanie Helm und Hans-Jürgen Schmidt mit der Serviceagentur in den Mittelpunkt ihrer Dienstleistung stellen: Dokumentation und Veröffentlichung guter Beispiele aus dem Saarland, Förderung des Erfahrungsaustausches zwischen den Schulen und Veranstaltungen sollen das "Spicken" erleichtern. Darüber hinaus möchte die Serviceagentur auch Netzwerke bilden, zum Beispiel durch Schultandems, zur Weiterentwicklung von guten Konzepten. "Wir wollen Kooperationsbeziehungen mit der Wirtschaft, der Jugendhilfe, den Sportvereinen, den Umweltverbänden, den Kulturvereinen und vielen anderen anbahnen und moderieren", umschrieb die Erziehungswissenschaftlerin ein weiteres Betätigungsfeld der Serviceagentur. Des weiteren gehe es um die Beratung der Schulen in Fragen der Rhythmisierung, der AG-Angebote, der Kooperationspartner, der Schulentwicklung und der Verzahnung von Vor- und Nachmittag. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der Tagung noch ausführlicher in Workshops präsentierten, sollen "spezifische, interessante, hochwertige Lernangebote aus verschiedenen Themenbereichen vermitteln und Lust auf mehr im Ganztag machen", ergänzte der Grundschulrektor.
Ansprechpartner für die Ganztagsschulen im Saarland: Melanie Helm (l.) und Hans-Jürgen Schmidt
Für manche Schulen ist der Ganztag eine logische organisatorische Verbesserung, wie die Hofschule in Bildstock, eine Förderschule, in einem Workshop verdeutlichte. Die Hofschule vereint den Schulvormittag und die Nachmittagsbetreuung nun mit der Partnerschaftlichen Erziehungshilfe unter einem Dach, statt wie vor dem Schuljahr 2005/2006 die Schülerinnen und Schüler nach Schulschluss auf verschiedene Tagesgruppen der Partnerschaftlichen Erziehungshilfe an unterschiedlichen Standorten zu verteilen. "Man muss bereit sein, Altes aufzugeben, um neue Wege zu gehen", befand Joachim Hubig von der Partnerschaftlichen Erziehungshilfe. Hätten zum Beispiel die Lehrerinnen und Lehrer auf ihrem Stundenkontingent bestanden, hätte das Projekt Ganztagsschule nicht funktioniert. Pro Woche gibt es bis zu 20 Lehrerstunden im Nachmittag. Umgekehrt ist die Kompetenz der Jugendhilfe nun mit drei Stunden pro Tag auch im Vormittag vertreten - für Hubig ein "wichtiger Meilenstein der Kooperation".
Spürbare Verbesserung des Schulklimas
Die Hilfen für Kinder mit unterschiedlichen Förderbedarfen erfolgen nach einem einheitlichen Konzept. "Die Eltern haben nun auch eine bessere Orientierung, weil Hilfe aus einer Hand geleistet wird", so Hubig. Inzwischen erstellen die Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit den Sozialpädagoginnen und -pädagogen und den Eltern Förderpläne für alle Kinder. Die Probleme aus Familie und Umwelt müssten in der Schule gemeinsam mit der Jugendhilfe bearbeitet werden. "Wir ziehen an einem Strang", erklärte Hubig, "was zu einer spürbaren Verbesserung des Klimas an der Schule und in den Familien geführt hat." Das verbesserte Schulklima erleichtere auch die "Positividentifizierung" mit der Schule.
Stellten ihre Schulen vor: Jochim Hubig, Jugendamtsleiter Armin Weppernig und Schulleiter Gerd Schemel (v.l.)
Die Erweiterte Realschule Wallerfangen drohte vor zwei Jahren, in die Zweizügigkeit abzufallen. Die Schule beraumte im Mai 2005 einen Pädagogischen Tag an, um zu beraten, wie man die Schule wieder attraktiver machen könne. Die Lösung: Ganztagsschule. Da die gebundene Form nicht zu finanzieren war, beschränkte man sich auf eine teilgebundene Form mit einer Ganztagsklasse, die an fünf Tagen bis 16 Uhr an der Schule lernt. "Wir haben unser Modell nach Besuchen an anderen Ganztagsschulen - auch in Frankreich und Polen - gestaltet", berichtete Schulleiter Gerd Schemel. "Ich kann auch Ihnen nur empfehlen, sich in anderen Schulen umzusehen", legte er den Zuhörerinnen und Zuhörern das "Spicken" ebenfalls ans Herz.
Der Ganztag an der ERS Wallerfangen umfasst den Unterricht, die Mittagspause, die Hausaufgabenbetreuung und Arbeitsgemeinschaften beziehungsweise den Unterricht am Nachmittag. Den Kindern gefalle am besten das gemeinsame Aufgabenlösen in der Hausaufgabenbetreuung, berichtete der Schulleiter, aber auch der Freitag mit den altersgerechten Projekten wie Drachenbauen und Erstellen von Homepages durch Betreuerinnen und Betreuer käme sehr gut an.
"Ganztagsschüler sind leistungsstärker, selbstständiger und reifer"
Inzwischen kann Schemel auch eine Bilanz bei den Schulleistungen der Ganztagsschülerinnen und -schüler im Vergleich zu der Halbtagsschülerschaft ziehen: "Am Anfang waren hier notenschwächere Schülerinnen und Schüler versammelt, doch nach und nach drehte sich das. Jetzt sind sie leistungsstärker, selbstständiger und reifer", hat der Schulleiter beobachtet. Regelmäßige Treffen mit den Erzieherinnen seien notwendig. "Durch gemeinsame Zeit entstehen Kooperationen", wusste Schemel zu berichten. "Beim Mittagessen oder der Hausaufgabenbetreuung ergibt sich das optimal, weil wir doch über die gleichen Kinder reden."
Bernd Seiwert
Das Ziel, die Kooperation zwischen der Serviceagentur Saarland und den Ganztagsschulen mit Leben zu füllen, hat das Lernforum Bernd Seiwert zufolge exzellent erfüllt. Am Schluss resümierte der im Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft für die Ganztagsschulen zuständige Referatsleiter: "Das Multiplikatorenteam, das sich uns heute hier vorgestellt hat, hat fasziniert. Dieses breite Angebot muss gesichert werden."
Kategorien: Service
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