Saarland: Kleine Serviceagentur, große Wirkung : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die Qualität der Ganztagsschule für die Kinder durch das Vermitteln neuer Erkenntnisse und innovativer Methoden zu verbessern, hat sich die Serviceagentur "Ganztägig lernen" Saarland als Ziel gesetzt. Durch nachfrageorientierte Fortbildungen haben Melanie Helm und Hans-Joachim Schmidt in den vergangenen drei Jahren schon viel bewegt.
Die Arbeit der Serviceagentur "Ganztägig lernen" Saarland, geleitet durch Melanie Helm und Hans-Joachim Schmidt, erfährt hohe Wertschätzung - beide sind kürzlich zum Gedankenaustausch von Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeladen worden. Dabei hilft der kurze Draht aus der nach dem Antritt der Ministerin eingerichteten Stabsstelle für Familie, Betreuung und Bildung. "Die Einrichtung der direkt an die Ministerin angebundenen Stabsstelle war ein wichtiges Signal, dass wir Gehör finden", erklärt Hans-Joachim Schmidt.
Die Serviceagentur "Ganztägig lernen" startete offiziell am 1. Mai 2006. Eine der treibenden Kräfte hinter der Einrichtung war Bernd Seiwert, Leiter des Referats Tageseinrichtungen für Kinder, Tagespflege und Freiwillige Ganztagsschule, der sich dafür einsetzte, analog zu anderen Bundesländern auch eine solche die Ganztagsschulen im Land beratende und unterstützende Einrichtung zu etablieren.
Enge Kooperation mit dem Ministerium
Zwei halbe Stellen richtete das Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur für die Serviceagentur ein, die mit Melanie Helm und Hans-Joachim Schmidt besetzt wurden. Melanie Helm kam von der Universität Saarbrücken, wo sie als Erziehungswissenschaftlerin in der Lehrerausbildung und am BLK-Programm "21" gearbeitet hatte, bevor sie am Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) das Nachfolgeprojekt "Transfer 21" leitete. Im Herbst 2005 stellte sie dieses Projekt Bernd Seiwert vor, um für das Thema "Nachhaltige Entwicklung" als Bestandteil des Nachmittagsbereichs in Ganztagsschulen zu werben. Sie erfuhr von der bevorstehenden Eröffnung der Serviceagentur. Die Schulberaterin bewarb sich daraufhin erfolgreich auf eine halbe Stelle.
Wenn man Melanie Helm als die "theoretische Hälfte" des Serviceagenturduos bezeichnen möchte, die mit Ganztagsschulen durch ihre Tätigkeit als Schulberaterin und Schulleiterfortbildnerin in Berührung gekommen war, so repräsentiert Hans-Joachim Schmidt die praktische Seite. Der Grund- und Hauptschullehrer leitete von 1997 an die Ganztagsgrundschule Eiweiler, die im Zuge der Grundschulreform 2005 einer anderen Grundschule angegliedert wurde. Schmidt war dann am Landesinstitut für den Bereich Schulhofgestaltung zuständig. Seit 2007 arbeiten er und Melanie Helm, die sich von der Arbeit am Landesinstitut bereits kannten, mit jeweils einer vollen Stelle für die Serviceagentur.
Zunächst gehörte die Serviceagentur zur IZBB-Koordinierungsstelle im Ministerium. Die Koordinierungsgruppe und die Serviceagentur residierten laut Melanie Helm "wie eine kleine Wohngemeinschaft" in Räumen nahe der Ludwigskirche, nicht im Ministeriumsgebäude selbst. "Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Koordinierungsgruppe und uns war vorprogrammiert, was auch vom Haus so gewollt war", erinnert sich Melanie Helm. "Wurden irgendwo neue, mit IZBB-Mitteln geförderte Räume und Gebäude eingeweiht, kamen wir für die Serviceagentur mit, um mit den Verantwortlichen über inhaltliche Fragen zu sprechen." Denn so schnell auch mit Hilfe des Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) des Bundes der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen zumeist im Grundschulbereich gelang, so war die Qualität der Arbeit im Nachmittag Melanie Helm zufolge "ein Knackpunkt".
Sechs Fortbildungsmodule
Die Themen, welche die Ganztagsschulen bewegten, hießen Teamentwicklung, Fortbildungen, Qualifizierung des Nachmittagspersonals und die Organisation des Mittagessens. "Da wir viele dieser Schulen schon kannten, erfassten wir schnell, wo deren Bedarfe lagen", berichtet die Serviceagenturleiterin, "und legten zügig ein Fortbildungsprogramm für das Nachmittagspersonal auf, das es bis dahin thematisch so geordnet nicht gab und welches Themen anbot, die auf wirkliches Interesse stießen."
In Kooperation mit dem Landesinstitut für Pädagogik und Medien bietet die Serviceagentur seither regelmäßige Fortbildungen in sechs Modulen an: Im Modul "Freiwillige Ganztagsschule als lernende Organisation" werden Fortbildungen zum Thema Teamentwicklung, Schulentwicklung, Organisationsentwicklung und die Entwicklung von pädagogischen Konzepten angeboten. Im Modul "Kooperation schafft Vielfalt" stehen Veranstaltungen rund um das Thema Netzwerkarbeit und Kooperation auf dem Programm. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem Kooperationsvereinbarungen und Kommunikationsprozesse.
"Besser lernen in der Freiwilligen Ganztagsschule" lautet das dritte Modul. Hier geht es vor allem um das Thema der individuellen Förderung, Lehr- und Lernmethoden, Konfliktmanagement und Umgang mit schwierigen Situationen. Das Modul 4 heißt "Ganztägig lernen kann mehr sein." und befasst sich mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten wie Natur und Technik, Energiesparen, Leseförderung oder Tanz und Bewegung. Ziel ist es hierbei, den Zeitraum der Freizeitgestaltung attraktiv zu gestalten und effektiv zu nutzen. Im 5. Modul "Mach mit! Beteiligung an Freiwilligen Ganztagsschulen" geht es um Partizipation. Um "Gesunde Ernährung" dreht sich schließlich das 6. Modul.
"Schnupperangebote" für Ganztagsschulen
"Wir legen die Themen fest und suchen die Referenten aus. Dabei sind mein Kollege und ich recht autonom. Unsere Vorschläge werden hier immer sehr wohlwollend aufgenommen. Die Organisation der Fortbildungen läuft dann über das LPM", erklärt Melanie Helm. "Das Fortbildungsprogramm haben wir an alle Schulen verschickt. Dabei haben wir darauf geachtet, dass sämtliche unserer Materialien einen markanten Wiedererkennungswert in der Aufmachung besitzen, die sich an das Design des Begleitprogramms ,Ideen für mehr! Ganztägig lernen' anlehnt."
Um die inhaltliche Bandbreite, die der Nachmittag an einer Ganztagsschule bietet, den Schulen vor Augen zu führen, bot die Serviceagentur ihnen die Möglichkeit, Multiplikatoren einzuladen: Von der Serviceagentur finanzierte Theaterpädagogen, Waldpädagogen und andere Professionen konnten von den Ganztagsschulen für einen Termin gebucht werden, um sich deren Angebot anzuschauen. "Den Schulen war ein Termin allerdings zu wenig, sodass wir im Jahr darauf ein Schnupperangebot mit fünf Terminen anboten", berichtet Hans-Joachim Schmidt.
Mit dem so genannten Lernforum, einer zentralen Auftaktveranstaltung am 11. November 2006 in Nonnweiler, präsentierte die Serviceagentur rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihr Angebot mit 14 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. "Wir haben bei dem vielfältigen Angebot auch immer die Möglichkeit der Verzahnung zu Vormittagsthemen aufgezeigt, was es bei früheren Fortbildungen durch das Deutsche Rote Kreuz zum Beispiel so nicht gegeben hatte. Dadurch ist auch eine andere Denkweise für die Ausgestaltung der Ganztagsschule entstanden"; erklärt Melanie Helm. "Darüber hinaus wurde unsere Arbeit den Schulräten vorgestellt. Wir wurden zu einer Schulleiterdienstbesprechung und zu einer Trägerkonferenz eingeladen", ergänzt Schmidt. "So ergaben sich schnell viele Kontakte."
"Wartet doch nicht auf Vorschriften!"
Für Melanie Helm waren die gut nachgefragten Angebote ein triftiges Argument, um das Ministerium für diese Förderung zu sensibilisieren: "Die Ganztagsschulen brauchen Mittel für Kooperationspartner, war die Botschaft." .Inzwischen stehen den Ganztagsschulen pro Gruppe 1.500 Euro für Kooperationspartner zur Verfügung. Die Serviceagentur hat daher ihre "Schnupperangebote" zurückgezogen.
Viel Zeit investierten die Serviceagenturleiter in die Einzelschulberatung. "Auch hier kam uns zu Gute, dass wir bereits über unsere bisherigen Kontakte den Ganztagsschulen bekannt waren", berichtet die Erziehungswissenschaftlerin. "Dann half uns, dass im kleinen Saarland unsere Arbeit sehr schnell durch Mund-zu-Mund-Propaganda anderen Schulen bekannt wurde."
Man wolle mit der Arbeit neue Erkenntnisse und innovative Methoden in die Ganztagsschulen tragen, ausgerichtet an deren Bedarf. Dabei müsse man den Schulen auch Mut machen, etwas auszuprobieren. "Als Schulleiter habe ich gemerkt, wie viele Freiheiten man hat, etwas Neues in seiner Schule umzusetzen", erinnert sich Hans-Joachim Schmidt. "Manche Schulleitungen fragen mich, wann denn die entsprechende Vorschrift komme, wie der Nachmittag in einer Ganztagsschule zu gestalten sei. Denen sage ich: ,Wartet doch nicht auf Vorschriften! Macht doch einfach! Probiert doch selber etwas aus!'"
Erfolgserlebnis mit Referatsklausur
"Ich bin Idealistin", meint Melanie Helm, "und ich hoffe, dass wir mit unserer Tätigkeit die Schullandschaft ein klein wenig verändern helfen, damit die Schülerinnen und Schüler eine bessere Qualität in Unterricht und im außerunterrichtlichen Bereich erhalten." Umgekehrt wolle man auch den Bedarf, die Wünsche und die Probleme der Ganztagsschulen ins Ministerium vermitteln.
Da die Serviceagentur auf dem Flur schräg gegenüber der Referatsleitung angesiedelt ist, funktioniert der "Flurfunk" reibungslos. Die Zusammenarbeit mit Bernd Seiwert ist eng. Ein großes Erfolgserlebnis habe in diesem Zusammenhang eine Referatsklausur im Jahr 2008 gebracht, die man anberaumt hatte, um über die Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen zu diskutieren. Auf Basis dieser Klausur entwickelte das Ministerium das neue Förderprogramm mit den auf 15.000 Euro - ab dem kommenden Schuljahr 20.000 Euro - pro Gruppe und Jahr deutlich angehobenen Fördersummen und den von drei auf fünf Stunden im Ganztag erhöhten Lehrerstundenkontingent. "Diese Lehrerstunden mussten laut alter Förderrichtlinie in der Hausaufgabenbetreuung eingesetzt werden. Das steht im neuen Programm so nicht mehr drin. Faktisch werden sie oft noch für die Hausaufgabenbetreuung genutzt. Aber viele Lehrerinnen und Lehrer finden es nun auch reizvoll, sich in Arbeitsgemeinschaften zu engagieren", hat Melanie Helm beobachtet.
Der Fluch des Erfolgs
Der Fluch des Erfolgs: Die Nachfrage nach Beratung steigt kontinuierlich, was dazu führt, dass sich Melanie Helm und Hans-Joachim Schmidt bei aller Arbeitszufriedenheit immer wieder am Rande der Überforderung sehen: "Wir schaffen es zu zweit nicht mehr, die ganzen Anfragen zu beantworten und gleichzeitig neue Projekte anzustoßen." Man versuche schon, den Druck abzumildern, indem man Netzwerke gebildet und Tandemschulen zusammengebracht habe. Aber es ändere nichts daran, dass man gezwungen sei, Projekte zu verschieben oder abzulehnen. "Langfristig schaffen wir beide alleine diese Arbeit nicht mehr", ist sich Melanie Helm sicher. Ein den mangelnden Zeitressourcen zum Opfer gefallenes Projekt, das angedacht war, ist zum Beispiel "BoinG - Berufsorientierung in Ganztagsschulen". Auch wenn Ganztagsschulen nach speziellen Caterern für das Mittagessen fragten, müsse man passen: "Wir haben keinen Überblick", gibt Schmidt zu.
Die am häufigsten nachgefragten Themen sind heute Raum- und Schulhofgestaltung - "wie kann man die Räume wirklich zu Lebensräumen gestalten?" formuliert Melanie Helm -, Teamentwicklung, Personalorganisation und Methoden der Angebotsgestaltung für den Nachmittag. Besonders das Thema Hausaufgaben nimmt da einen großen Raum ein. "Mit den Schulleitern von Ganztagsschulen, in denen es bereits Ganztagsklassen gibt, haben wir Fortbildungen zum Thema Rhythmisierung durchgeführt", so die Serviceagenturleiterin. "Alle waren daran interessiert, neue Konzepte für die Hausaufgaben zu entwickeln: als integrierte Lernzeiten, Übungszeiten oder Wochenplanarbeit." Eine Ganztagsschule beginne die Woche nun sogar mit einer Hausaufgabenstunde, "damit die Schülerinnen und Schüler wieder langsam in den Stoff reinfinden".
"Man braucht Geduld"
Im Jahr 2008 fanden 14 Fortbildungen und ein weiteres Lernforum statt. Dazu kam noch ein Qualifizierungsprogramm für pädagogische Fachkräfte, an denen 137 Personen in elf Modulen geschult wurden. Finanzverwaltung, Anrufe von Schulen, das Vorbereiten von Moderationen, Netzwerktreffen und Veranstaltungen sowie die Prozessbegleitung von Schulen gehören zur täglichen Arbeit in der Serviceagentur. Während Melanie Helm mehr am Schreibtisch in den im August 2008 neu bezogenen Räumen einer Außenstelle des Ministeriums zu finden ist, fährt Hans-Joachim Schmidt verstärkt vor Ort an die Schulen.
Die Arbeit macht den beiden Spaß. Melanie Helm weiß aber auch, dass man nicht alles auf einmal verändern kann: "Man braucht Geduld." Um sich nicht zu verzetteln, helfe eine gute Jahresplanung, bei der man Schwerpunkte setze und einen kleinen Puffer an Sachmitteln, Finanzen und Zeit einbaue, um während des Jahres aufkommende gute Ideen noch verwirklichen zu können.
Zukünftige Aufgaben sieht die Serviceagentur noch in einer engeren Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe. "Die Verzahnung ist hier noch nicht optimal", findet Melanie Helm. Aber dies sei ein großes Feld, das sehr viel Zeit zur Bearbeitung benötige. Auch in die Lehrerausbildung wolle man noch die Fühler ausstrecken. Und nicht zuletzt wegen der begrenzten Kapazität müsse man sich überlegen, wie man den eigenen Beratungsansatz multiplizieren könne.
Kategorien: Service
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