Projektmanagement im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Projekte gehören zum Schulalltag, für viele ist die Ganztagsschule selbst ein Projekt. Doch Projekte sollten nicht aufs Geratewohl angegangen, sondern mit Hilfe des Projektmanagements präzise geplant werden. Unklare Ziele, fehlende Projektleitungen und unzureichende Einbindung aller Betroffenen könnten sonst für Frust bei allen Beteiligten sorgen.

An den Offenen Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen läuft der Ganztag - die Träger sind gefunden, die Kooperationspartner engagiert, das Mittagessen ist organisiert. Doch an manchen dieser Ganztagsschulen läuft es dennoch mehr schlecht als recht: Schulleitungen legieren die gesamte Verantwortung auf die Ganztagskoordinatoren. Eine Verzahnung zwischen Vor- und Nachmittag - und sei es nur durch Absprachen der Beteiligten - findet kaum oder gar nicht statt. Die Ganztagskoordinatoen müssen sich dann um alles allein kümmern: Honorarverträge abschließen, Krankheitsvertretungen organisieren, Wochenarbeitspläne aufstellen, Essensgeld kassieren. Das Tagesgeschäft lässt keine Luft für die eigentliche pädagogische Arbeit, jedes Kind individuell zu fördern. Alle arbeiten nebeneinander her, ohne genau zu wissen, unter welcher Leitidee oder für welches Ziel. An wen man sich in bestimmten Fragen um Hilfe wenden kann, bleibt unklar: Der Träger verweist an die Schulleitung, die verweist ans Schulamt, dieses an die Jugendhilfe, die wiederum meint, der Träger sei zuständig.

Einige Schulleitungen und außerschulischen Fachkräfte aus Nordrhein-Westfalen und Hessen, die vom 13. bis 15. Dezember 2006 in die Katholische Akademie nach Schwerte gekommen waren, um dort an der Fortbildung "Projektmanagement im Ganztag" teilzunehmen, haben vergleichbare Erfahrungen gemacht. Der Frust bei Mitarbeitern und Eltern ist groß: "Ich überlege, meine Stelle als Ganztagsschulkoordinatorin schon wieder hinzuschmeißen", meinte eine Teilnehmerin. Eine andere: "Wenn morgens bei mir das Telefon klingelt, kriege ich Bauchschmerzen, weil ich fürchte, dass ich wieder Ersatz für Krankheitsausfälle organisieren muss, den ich nicht habe." Von der Fortbildung des Städtenetzwerks NRW erhofften sich diese Teilnehmerinnen eine Klärung, wie sie Ordnung und Klarheit in ihr "Projekt Ganztag" bekommen konnten.

"Oft ist nicht klar, wer den Hut aufhat"

Diese Hoffnung musste Referentin Martina Herold dämpfen. Denn die Ganztagsschule kann per definitionem gar kein Projekt sein. "Projekte sind einmalig, haben ein festgelegtes Ziel, limitierte Ressourcen und sind zeitlich begrenzt", erklärte die Diplom-Sozialarbeiterin gleich zu Beginn der Veranstaltung. Wer seine Ganztagsschule verbessern möchte, sollte sich Bausteine heraussuchen, an denen institutionell etwas geändert werden könnte: Zum Beispiel die bessere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe durch das Schaffen klarer Zuständigkeiten und Strukturen. Oder beispielsweise die Entwicklung eines verlässlichen Systems des kollegialen Austauschs zur Sicherung der in der Kooperationsvereinbarung vereinbarten Ziele, die ansonsten an einer westfälischen Förderschule durch fehlende Absprachen zwischen Lehrern und außerschulischen Fachkräften gefährdet sind.

Um solche Ziele zu erreichen, ist Projektmanagement unerlässlich. Man versteht darunter die Methoden einer effizienten Projektführung und alle Aktivitäten, die für eine zielgerichtete Abwicklung von Projekten erforderlich sind. Projektmanagement verlangt exakte Vorgaben und eine ganzheitliche Sichtweise. Durch detaillierte Planung sollen Risiken vermindert werden. Ein kontinuierlicher Soll/Ist-Abgleich lässt Schwierigkeiten erkennen, was wiederum den Korrekturaufwand vermindert.

Ein Problem im System Ganztagsschule ist die Rolle des Auftraggebers, der ein Projekt initiiert. "Oft ist nicht klar, wer den Hut aufhat", formulierte dies Co-Referent Jürgen Kreft. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ganztagsschule können sich schlecht selbst beauftragen. Aber wer kann und wird sie dazu ermächtigen? Die Schule? Die Kommune? Der Träger der Ganztagsmaßnahme? Jürgen Kreft stellte klar: "Auftraggeber ist der, der das Geld gibt." Er muss informiert und eingebunden werden, um wiederum eine Projektleitung mit der Durchführung zu beauftragen.

Risiken zu Beginn klar benennen

Ohne Projektleitung geht es nicht. Das Konzept selbstverantwortlicher Gruppen ohne Leitung habe sich in der Vergangenheit nicht bewährt, so Jürgen Kreft. "Die Leitung wird als der Andere gebraucht, der die Leistung der Gruppe anerkennt und sie von regressiven zu progressiven Funktionsniveau zurückbringt. Die Gruppe allein ist damit überfordert." Der Projektleiter ist für die Gestaltung des Projekts, die Förderung eines angemessenen Klimas in der Gruppe, die Grobplanung und die Definition, die detaillierte Planung und Koordination und die Steuerung sowie die Dokumentation verantwortlich.

Zu Projektbeginn ist es notwendig, die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kenntnis zu setzen. Die unmittelbar Betroffenen wissen, auf was besonders geachtet werden muss, damit Neuerungen auch mit der Praxis kompatibel sind. Ist man an der Erarbeitung von Lösungen beteiligt, identifiziert man sich mit diesen und engagiert sich anschließend auch für deren Umsetzung.

Mit Hilfe einer Umfeldanalyse beleuchtet das Projektteam zu Beginn alle von den geplanten Maßnahmen und Veränderungen Betroffenen, deren Interessen und Ansprüche, und versucht, diese in die Projektplanung einfließen zu lassen, aber auch die Risiken zu benennen, die von diesen Personengruppen und Institutionen ausgehen können. Faktoren, die für das Projekt ein Risiko darstellen können, müssen ausgewiesen und Gegenmaßnahmen überlegt, gegebenenfalls auch Alternativen für das Projekt bedacht werden.

Logo und Motto finden

Neben dieser Risikoanalyse gehören die Erstellung eines Projektstrukturplans, eines Termin- und Meilensteinplans, eines Kosten- und Ressourcenplans und eines Kommunikations- und Informationsplans zu den Aufgaben im Projektmanagement. Die Projektleitung ist dafür verantwortlich, dass während der dann folgenden Umsetzungsphase alle Projektbeteiligten in ausreichendem Maße in Form von Berichten, Sitzungen, Gesprächen oder Präsentationen über den Projektfortschritt informiert werden. Das Projektteam muss zudem für ein entsprechendes Projektmarketing sorgen, beispielsweise ein Logo oder ein Motto finden und Entscheidungsträger über den Projektfortschritt informieren.

Zu Beginn eines Projekts gehört natürlich das Benennen der Ziele: Was will man erreichen? Im so genannten Zielfindungsprozess werden in einer breiten Diskussion Ziele gesammelt, diese dann in Grundsatz-, Rahmen- und Ergebnisziele unterteilt. Die Grundsatzziele sind die prinzipiellen Leitlinien des Handelns und zeitlich unbefristet gültig, während die Rahmenziele innerhalb eines konkreten Zeitraums zur Verwirklichung der Grundsatzziele beitragen. Die Ergebnisziele müssen konkret und sofort erreicht werden, um die Rahmenziele zu realisieren.

Nach dieser Systematisierung der Ziele werden diese konkretisiert, gemeinsame Bewertungskriterien festgelegt und hemmende Faktoren benannt. Nach einer abschließenden Überprüfung der Realisierbarkeit beginnt die Projektgruppe mit dem Maßnahmenplan: Wer macht was mit wem bis wann mit welchen Mitteln? "Die Projektziele müssen spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert sein", beschrieb Martina Herold die diesem Prozess zu Grunde liegende so genannte "SMART"-Methode.

Projekte sind nicht endlos

Projekte entwickeln zwangsläufig eine soziale Dynamik: Von einigen werden sie als Hoffnungsträger verstanden, um komplexe Probleme abseits des Alltags angehen zu können und gewünschte Veränderungen zu erzielen. Anderen erscheinen sie als Störfaktoren, die bisherige organisatorische Unzulänglichkeiten aufdecken und als Bedrohung des Status quo empfunden werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich das Projektmanagement, das laut Kreft nichts Anderes als das "Inszenieren einer Störung" ist. Um das inhärente Konfliktpotential zu begrenzen, ist viel Transparenz im Vorgehen mit einer sorgfältigen Informationspolitik notwendig. "Der Projektleiter muss seinen Mitarbeitern einen gesicherten Rahmen zur Verfügung stellen und auch deren Frust herunterschlucken", so der Referent.

Ein Projekt ist nicht endlos. Wird aber während des Projektverlaufs bei den zeitlich festgelegten Meilensteinen deutlich, dass man die gesteckten Ziele nicht erreicht hat oder zu verfehlen droht, kann eine Neuausrichtung des Projektes notwendig sein. Wichtig ist, dass von Beginn an eine klare, logische Reihenfolge der Ergebnisziele festgelegt worden ist, damit die Rahmenziele realisiert werden können. Die Übersichtlichkeit des Vorgehens sollte laut Martina Herold am besten mit Hilfe von Projektstrukturplänen, Ablaufplänen und Balkenplänen, auf denen die geplanten Maßnahmen und Überprüfungszeitpunkte auf einer Zeitleiste festgehalten werden, sicherstellen. Sind die formulierten Ziele erreicht, ist das Projekt beendet. "Nach einem Projekt sieht die Welt anders aus als vor Projektbeginn", brachte Jürgen Kreft den gesamten Prozess auf den Punkt.

Manche Pädagoginnen und Pädagogen aus Schule und Jugendhilfe hatten am Ende der dreitägigen Veranstaltung ihre konkreten Projekte so kategorisiert, dass sie bereits mit einem Konzept, welche Gruppen zu beteiligen und zu informieren sind, nach Hause fahren konnten. Die klar formulierten Ziele wollten sie als Grundlage einer Präsentation für die potentiellen Auftraggeber nutzen. Aber auch jenen, die gehofft hatten, einen Wink zu erhalten, wie sie den Tanker Ganztagsschule ins Fahrwasser lenken könnten, war geholfen. "Ich habe jetzt wenigstens eine Ahnung davon, wo ich überhaupt anfangen muss", erklärte eine Teilnehmerin.

 

Kategorien: Service

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