Herbstakademie 2010 Nordrhein-Westfalen: Die Schule als Team - Teil 1 : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In den nordrhein-westfälischen Ganztagsschulen soll die schulische, soziale und persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler im Sinne einer individuellen Bildungsförderung gestärkt werden. Mit der großen Anzahl Ganztagsschulen liegen bereits reichhaltige Erfahrungen vor. Doch weiterhin wird nach neuen Ideen, Methoden und praktischen Ansätzen gesucht. Die Herbstakademie "ganz!individuell" in Münster wirkte vom 30. September bis zum 2. Oktober 2010 wieder als Umschlagplatz von Ideen, zum Beispiel zur Teamentwicklung, wie sie die Paul-Schneider-Schule in Münster gemeinsam mit ihrem Ganztagsträger "Schulkinderhaus" seit Jahren entwickelt hat.

Bereits zum fünften Mal lud die Serviceagentur "Ganztägig lernen" Nordrhein-Westfalen vom 30. September bis zum 2. Oktober 2010 in die "Herbstakademie zur Bildungsförderung in der Ganztagsschule" ein, diesmal zum Thema "ganz!individuell". In der Sparkassenakademie in Münster trafen sich rund 170 schulische und außerschulische Pädagoginnen und Pädagogen, um sich über erprobte und bewährte Praxisformen auszutauschen, neue Ideen kennen zu lernen und innovative Ansätze gemeinsam weiterzuentwickeln.

Dabei gelang es den Veranstaltern, ein Manko der vergangenen Veranstaltungen auszubügeln: Die Verlegung des Termins aus den Herbstferien hinaus und eine verstärkte Werbung bei der Lehrerschaft ermöglichten es nun, dass auch Lehrerinnen und Lehrer in größerer Zahl vertreten waren.. Aus den Ganztagsschulen reisten dabei viele Tandems aus unterschiedlichen Professionen an, die in jeweils einem der acht Workshops intensiv an einem Thema arbeiten konnten. Analog leiteten Moderatoren-Tandems aus Lehrkräften und Erzieherinnen die Workshops.

Für keinen Workshop war diese Konstellation so geeignet wie für "Die Schule - ein Team". Hier traten Sabine Malecki, Rektorin der Paul-Schneider-Grundschule in Münster, die Lehrerin Elisabeth Ostrop und die Erzieherin Andrea Lingott, Koordinatorin von "Schulkinderhaus", dem Träger der Offenen Ganztagsschule, gemeinsam vor die etwa 30 Teilnehmerinnen.

Unterschiedliche Grade der Zusammenarbeit

An der Paul-Schneider-Schule im Stadtteil Münster-Kinderhaus lernen 190 Schülerinnen und Schüler, von ihnen besuchen rund 100 die Offene Ganztagsschule, die 2005 eingerichtet wurde. Zehn Lehrerinnen, drei Erzieherinnen, ein Erzieher, neun geringfügig Beschäftigte, sechs Honorarkräfte und Ehrenamtliche, darunter eine Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr, arbeiten hier. "Ich kann jeder Schule den Einsatz von FSJ-lern nur wärmstens empfehlen, nachdem wir hervorragende Erfahrungen mit ihnen gemacht haben", schwärmte Rektorin Sabine Malecki. "Das sind hochmotivierte, engagierte junge Menschen, die von morgens bis nachmittags anwesend sind und damit auch ein Bindeglied zwischen Vor- und Nachmittag bilden."

Die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und den außerschulischen Pädagoginnen von "Schulkinderhaus" beginnt schon mit der Begegnung. Die Paul-Schneider-Schule hat sich entschieden, die Lehrerstunden nicht zu kapitalisieren, sondern für den Einsatz der Lehrerinnen auch am Nachmittag zu nutzen. 21 Lehrerstunden kommen so zusammen, neun zusätzlich zu der vom Bildungsministerium angesetzten Pflichtstundenzahl. Dies gewährleistet ein Miteinander, statt eines Nebeneinanders der Professionen, das an vielen Ganztagsschulen noch immer besteht. "Ich bin erstaunt, wie unterschiedlich die Grade der Zusammenarbeit in den Schulen sind", meinte denn auch eine Teilnehmerin aus dem Kreis Coesfeld.

An der Paul-Schneider-Schule ist die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern eine Aufgabe, die von allen gemeinsam wahrgenommen wird: So nehmen die Erzieherinnen an den Lehrerkonferenzen teil. Konzeptentwicklung und Einsatzpläne werden zusammen beraten, die Teams multiprofessionell besetzt und Fortbildungen gemeinsam besucht. Die unterschiedlichen Vorstellungen und Herangehensweisen der Professionen im Hinblick auf die Bildung und Erziehung der Kinder sollen in einem transparenten Handeln zur Deckung gebracht werden.

Die kritischen Stimmen sind wichtig

Dieser Austausch "braucht Struktur", betonte Sabine Malecki. "Wir kennen alle die Sitzungen, in denen sich alle einig sind, was zu tun ist. Aber kaum sind alle vor der Tür, geht man davon aus, dass sich jeweils ein anderer darum kümmert, und hat wertvolle Zeit vertan." Das Team der Paul-Schneider-Schule stellte Formulare vor, auf denen nach Teamsitzungen und Konferenzen von einer Protokollantin die Themen, Ziele, Ergebnisse und Absprachen festgehalten werden. Eine Zeitwächterin passt während der Sitzung auf, dass die Redeanteile gerecht verteilt sind. "Verbindliche Arbeitsaufträge sind sehr wichtig, in denen festgelegt wird, wer wann etwas machen soll", erläuterte Sabine Malecki.

"Es hat sich auch sehr bewährt, ein Blitzlicht in einer solchen Runde durchzuführen", berichtete die Schulleiterin, "bei dem alle Anwesenden kurz ihre Meinung äußern können. Mir ist es sonst oft so ergangen, dass ich einen Vorschlag machte oder meine Meinung äußerte und einer schweigenden Gruppe gegenüber saß, bei der ich nur mutmaßen konnte, welche Meinung sie vertrat. Und das Hineinphantasieren in das, was die Anderen denken, ist fatal. Außerdem bekommen so die Stillen, die sich schwer tun, sich zu äußern, auch die Gelegenheit, ihren Standpunkt deutlich zu machen."

Es sei darüber hinaus wichtig, Kolleginnen und Kollegen, die anderer Meinung seien, nicht abzuwerten. "Besonders die kritischen Stimmen sind wichtig", so die Schulleiterin. "Als Schulleiterin muss ich das Stimmungsbild aufnehmen und mir klar werden, ob ich mit meinen Absichten schief liege oder noch Überzeugungsarbeit leisten muss. Manchmal ist es sinnvoll, sich externe Hilfe zu holen, denn der Prophet gilt nicht immer etwas im eigenen Land."

Schulkonferenz ohne Träger und pädagogische Fachkräfte?

Das Trio der Paul-Schneider-Schule empfahl den Teilnehmerinnen einen Pädagogischen Tag pro Halbjahr, an dem sich von 8 bis 17.00 Uhr das gesamte Team trifft und an dem Themen wie Förderung von Kindern, Kommunikation zwischen den Professionen, Verzahnung von Vor- und Nachmittag oder Hausaufgaben besprochen werden. Für solche Tage könne man Brückentage nutzen.

Elisabeth Ostrop, Lehrerin an der Paul-Schneider-Schule, sprach aus Erfahrung: "Es sollten nicht mehr als zwei Themen sein, die man für diesen Tag auswählt, da man sich sonst verzettelt." Eine solche Qualitätsentwicklung sollte allen transparent gemacht werden. Besonders die Eltern müssten die Pädagoginnen und Pädagogen davon überzeugen, dass diese in Qualitätsentwicklung investierte Zeit sinnvoll sei, statt sie "einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen".

An der Paul-Schneider-Schule ist der Montag der Tag, der Konferenzen vorbehalten ist. "Die Kolleginnen wissen das und können sich darauf einstellen", meinte Elisabeth Ostrop. Schulthemen behandele man dann von 15 bis 16 Uhr und Themen, die alle tangierten, in der Zeit von 16 bis 17 Uhr, damit auch die Erzieherinnen teilnehmen könnten. Eine Vertreterin des Trägers wies darauf hin, dass es "in einer Ganztagsschule keine Themen geben sollte, die nicht auch für die außerschulischen Pädagoginnen und Pädagogen relevant sind". Dazu seien selbst die Zeugniskonferenzen aufschlussreich, wenn man zum Beispiel Hausaufgaben wirklich zu einer Lernzeit weiterentwickeln wolle. "Ich würde mir auch stimmberechtigte außerschulische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schulkonferenz wünschen", ergänzte sie.

In der Diskussion wurde deutlich, wie unterschiedlich die Informationsflüsse in Ganztagsschulen laufen. Einige Schulen taten und tun sich schwer, die außerschulischen Partner zu Konferenzen einzuladen. "Darf die das hören?" oder "Warum will die immer dabei sein?" fragen Lehrkräfte ganz unumwunden. Während manche außerschulischen Kooperationspartner an manchen Schulen nichts aus den Konferenzen erfahren - "Ich bekomme von den Konferenzen überhaupt nur etwas mit, wenn ich die erhöhten Mittagessenbestellungen der Lehrer sehe", klagte eine Mitarbeiterin -, erhalten andere wenigstens die Konferenzprotokolle oder werden sogar eingeladen.

"Der größte Schatz ist der gemeinsame Austausch"

In Kleingruppen arbeiteten die schulischen und außerschulischen Pädagoginnen und Pädagogen dann im Workshop und simulierten Teamsitzungen. Bereits das Einigen auf ein Thema war die erste Herausforderung. Mittels Punktevergabe filterte eine Gruppe zum Beispiel gemeinsame Themen hinaus: Die meisten Stimmen gab es für die Themen "Verzahnung von Vor- und Nachmittag", "gemeinsame Absprachen" und "Hausaufgaben". Eine Kleingruppe der Schule müsse eine solche Besprechung vorbereiten, eine Einladung mit Tagesordnung versenden, aber auch ein Mittagessen oder eventuelle Referenten organisieren. Aber wer trägt die Kosten? "Wenn wir uns als Gesamtsystem verstehen, dann sollte auch die Schule für die Ausgaben aufkommen", fand eine Schulleiterin.

Andrea Lingott vom Schulkinderhaus wies darauf hin, dass ein solcher Prozess des Zusammenwachsens zweier Professionen unter einem Dach andauern kann: "Wir haben uns 2002 auf dem Weg gemacht und werden langsam zufriedener." In der Tat muss an manchen Ganztagsschulen noch einiges geschehen: "Es ist einigen noch nicht klar, was die Zusammenarbeit ermöglicht. Da rückt der Schulleiter ganz nebenbei mit der Information heraus, dass ein Schulfest zum Thema Afrika geplant ist, sodass wir am Nachmittag keine Chance haben, mit den Kindern zu diesem Thema etwas zu machen", erzählte eine Erzieherin. "Dabei ist es so wichtig, dass wir rechtzeitig informiert werden."

Aber auch die außerschulischen Pädagoginnen und Pädagogen bremsen sich manchmal "selber aus", wie eine Erzieherin meint. "Da werden Ideen, die von Schulleitung und Lehrerinnen kommen, weggebügelt mit der Begründung, wir bastelten schon genug. Und mit meinem Wunsch, an Konferenzen teilzunehmen, kann ich dann schon gar nicht kommen - mein Träger schiebt die Überstunden hin und her."

Sabine Malecki ist sicher: "Der größte Schatz unserer Arbeit ist, sich auszutauschen. Wir überlegen gemeinsam, was wir erreichen wollen. Die Teamsitzungen halten wir wechselseitig in den Räumen der Schule und denen der außerschulischen Mitarbeiterinnen ab, um auch hier die Gleichwertigkeit unserer Arbeit zu demonstrieren. In der Schulkonferenz gibt es dann nur noch wenig Diskussionsbedarf, da wir alles in den Lehrerteams, Steuergruppen, Arbeitskreisen mit Lehrerinnen, Eltern und Erzieherinnen, der Schulpflegschaftskonferenz und der Lehrerkonferenz vorbesprochen haben."

 

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