Ganztag: Bilanzen und Erwartungen der Länder (Teil 1)
Ganztag: Bilanzen und Erwartungen der Länder (Teil 1)
Fast jede zweite Schule in Deutschland bietet inzwischen Ganztagsangebote an. Und fast täglich werden es mehr. In den Planungen der 16 Bundesländer ist die Weiterentwicklung fest verankert. In einer vierteiligen Serie von www.ganztagsschulen.org ziehen die Länder Bilanz und blicken auf 2012. Heute: Sachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen.
Prof. Dr. Roland Wöller (Bild: Staatsministerium für Kultus und Sport, Sachsen)
"Ganztagsangebote sind an unseren Schulen sehr beliebt und gut etabliert. Jetzt können wir die Qualität der Angebote weiter verbessern", kündigt der Kultusminister Dr. Roland Wöller (CDU) von Sachsen mit Blick auf das neue Jahr an. Trotz der angespannten Finanzlage werde die Sächsische Staatsregierung neben der Haushaltskonsolidierung dem qualitativen Ausbau von Ganztagsangeboten weiter eine hohe Priorität einräumen und dafür jährlich 20,7 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Der Kultusminister erinnert an die novellierte Förderrichtlinie, die den Schulen einen größeren Spielraum gebe, um die Ganztagsangebote in eigener Regie zu gestalten. Damit sich die Schulen mehr auf die konzeptionelle Arbeit konzentrieren könnten, habe man das Antragsverfahren erheblich einfacher gestaltet.
Ein besonderes Augenmerk möchte die Landesregierung auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Hort legen. "Die Ganztagskonzeption von Schule und Hort wird künftig gemeinsam entwickelt und regelmäßig abgestimmt. Ziel ist es, mehr Synergien statt Konkurrenz zu erzeugen", kündigte Wöller an. Deshalb sollten die Kooperationsvereinbarungen zwischen diesen Partner künftig auch verbindlicher als bisher formuliert werden.
Weiter ausgebaut werden soll in Sachsen auch die Zusammenarbeit der Schulen mit Vereinen und der Wirtschaft vor Ort. "Sie schafft die optimale Voraussetzung für ganzheitliches Lernen", sagte Wöller gegenüber www.ganztagsschulen.org und fügt hinzu: "Kooperationen mit außerschulischen Partnern sind wichtig, um den relativ geschlossenen Lern-Mikrokosmos zu öffnen."
Doris Ahnen (Bild: Heike Rost)
Auch in Rheinland-Pfalz soll der Ausbau von Ganztagsschulen weitergehen. Das kündigt Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) an. Ganz aktuell habe das Land kurz vor Weihnachten 21 Schulen unterschiedlicher Schularten die Option gegeben, sich zur Ganztagsschule weiterzuentwickeln. Damit verbunden sei die Zusage des Landes, 100 Prozent der notwendigen Personalkosten für die Umgestaltung zu übernehmen. Zudem hätten die Schulen, bzw. ihre Träger die Möglichkeit, im Rahmen des Landesschulbauprogramms Landesgelder für die räumlichen Erweiterungen zu erhalten.
Könnten die 21 neuen Schulen im März 2012 die für die jeweilige Schulart geltenden Mindestanmeldezahlen nachweisen, steige die Zahl der seit 2002 neu errichteten Ganztagsschulen in Angebotsform in Rheinland-Pfalz auf 594 Schulen, heißt es in Mainz. "Das für diese Legislaturperiode formulierte Ziel der Landesregierung rückt damit deutlich näher. Bis 2016 soll jede zweite der knapp 1.550 allgemein bildenden Schulen in Rheinland-Pfalz Ganztagsschule sein", verspricht Doris Ahnen. Für die nach dem Landesprogramm errichteten Ganztagsschulen habe die Landesregierung in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 141 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt.
Zusammen mit den "verpflichtenden" Ganztagsschulen können nach Einschätzung der Bildungsministerin 2012 fast 700 Schulen des Landes "echte" Ganztagsschulangebote unterbreiten. Hinzu kämen mehr als 1.300 Gruppen als offene Ganztagsangebote in den so genannten "betreuenden Grundschulen", die von den Kommunen getragen werden. Dieses Angebot, das in 90 Prozent aller Grundschulen gemacht werde, ergänze das Ganztagsschulangebot in vielen Fällen - etwa am fünften Wochentag.
Klaus Kessler (Bild: Ministerium für Bildung, Saarland)
Der Ausbau von gebundenen Ganztagsschulen im Saarland stellt nach Ansicht des dortigen Ministers für Bildung, Klaus Kessler (Bündnis 90/Die Grünen) einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Bildungswesens dar. "Deshalb ist die weitere Einrichtung von gebundenen Ganztagsschulen sowie ein erweitertes Platzangebot bei den freiwilligen Ganztagsschulen geplant", betont Klaus Kessler. Im nun zu Ende gehenden Jahr seien drei neue gebundene Ganztagsschulen gegründet worden. Die Zahl der Plätze bei den freiwilligen Ganztagsschulen sei von 16.000 auf 19.300 gestiegen. Insgesamt existiere an 96 Prozent der saarländischen allgemein bildenden Schulen ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot.
Mit diesem Konzept reagiere die saarländische Landesregierung nicht nur auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen, sondern stelle vor allem pädagogische Ziele in den Vordergrund. Das Zusammenspiel von Bildung, Erziehung und Betreuung am Lern- und Lebensort Schule biete zusätzliche Chancen für die Förderung von Schülerinnen und Schülern. Bestandteile des Angebotes seien u.a. ein warmes Mittagessen, die Hausaufgabenbetreuung sowie sportliche, musische und soziale Aktivitäten.
Trotz aller Überzeugung vom Ganztagskonzept verspricht Klaus Kessler: "Die Wahlfreiheit für Eltern sowie Schülerinnen und Schülern zwischen Halbtags- und Ganztagsschulangeboten bleibt ein zentrales Prinzip bei der Errichtung neuer gebundener Ganztagsschulen."
Dorothea Henzler (Bild: Sascha Deforth)
Eine weiterhin positive Entwicklung beim Ausbau der Ganztagsangebote in Hessen erwartet die dortige Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP). "Dem bedarfsgerechten Ausbau räume ich hohe Priorität ein", verspricht sie zum Jahreswechsel. Hessen habe in den vergangenen Jahren die schulischen Ganztagsangebote kontinuierlich ausgebaut und stehe heute gut da. Nahezu die Hälfte aller öffentlichen Schulen der Primarstufe, der Sekundarstufe I und der Förderschulen verfügten bereits über ein Ganztagsangebot. "Hierfür stehen insgesamt 1.386 Lehrerstellen zur Verfügung. Das entspricht einem betrag von 83 Millionen Euro", bilanziert die Ministerin.
An den hessischen Grundschulen gebe es neben dem Angebot im Rahmen von Ganztagsangeboten für 95 Prozent der Grundschulen von den Schulträgern getragene Betreuungsangebote. Die Träger, die auch andere rechtsfähige Vereinigungen oder Elternvereine sein könnten, erarbeiteten zusammen mit der Schule ein auf den Standort bezogenes Konzept und stellten auch das Personal ein. Die Hessische Landesregierung beteilige sich an der Finanzierung der Betreuungsangebote mit einem pauschalen Zuschuss pro Schule und Haushaltsjahr.
Dorothea Henzler ist überzeugt, dass der Anteil der Ganztagsangebote in Hessen weiter kontinuierlich steigen wird. Einem Rechtsanspruch auf einen Platz in der Ganztagsschule erteilt sie jedoch eine Absage. "Aus diesem Recht würde schnell die auch bei vielen Eltern umstrittene Pflicht zum Besuch von Ganztagsschulen", erklärte sie kurz vor dem Jahreswechsel.
Kategorien: Service
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