„Der Wunsch nach Qualität im Ganztag steigt kontinuierlich“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Der Katholische Deutsche Frauenbund Bayerns bildet für den Ganztag und die Mittagsbetreuung aus und fort. Auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister lassen sich gerne beraten. Referentin Gertrud Ströbele im Interview.
Online-Redaktion: Wie lange gibt es das Landesbildungswerk des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Bayern schon?
Gertrud Ströbele: Der Frauenbund existiert bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Sein erklärtes Ziel war und ist die Unterstützung von Frauen und deren Gleichstellung. Diese ist aber nur möglich durch eine entsprechende Bildung. Dem trägt auch unser Landesbildungswerk, das vor ca. 12 Jahren zwei Jahrzehnten gegründet wurde, Rechnung.
Online-Redaktion: Welche Aufgaben übernimmt das Landesbildungswerk im Bereich der Schulkindbetreuung?
Ströbele: Auch hierzu müssen wir den Blick ein wenig in die Geschichte lenken. 1999 wurde vom Land Bayern der Erlass zur Mittagsbetreuung auf den Weg gebracht, damals noch eher mit heißer Nadel. Er sollte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Damals lautete die Formulierung, dass diese Betreuung in der sogenannten kind- und familienfreundlichen Halbtagsgrundschule von geeigneten Personen durchgeführt werden solle.
Online-Redaktion: Garantiert „geeignetes Personal“ eine qualitätsvolle Betreuung?
Ströbele: Genau diese Frage stellte sich der Katholische Frauenbund damals auch. Schnell mussten wir die Frage mit einem klaren Nein beantworten. Die Auffassung, dass beispielsweise Mütter nur aufgrund der Tatsache, dass sie ein oder mehrere Kinder haben, geeignet sind, Kinder in größeren Gruppen zu betreuen, ist einfach falsch. Mutter zu sein, stellt noch keine automatische Eignung für die pädagogische Arbeit mit Kindern dar. Die Anforderungen in den Schulen, in heterogenen Gruppen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen wachsen zudem ständig. In dieser Situation wollten wir unsere Frauen, die sich in der Schule engagieren wollten und wollen, nicht hängenlassen. Denn: Schaden nehmen würden hier ja dann alle: Kinder und BetreuerInnen und letztlich auch die Eltern
Online-Redaktion: Was haben Sie unternommen?
Ströbele: Wir haben uns auf unsere Satzung berufen, die festlegt, dass wir Frauen unterstützen. Folgerichtig haben wir direkt den Kontakt zum Kultusministerium gesucht und ein Konzept für Schulungen vorgelegt. Das geschah, weil wir der Überzeugung waren und sind, dass die Kinderbetreuung in der Schule ein richtiges und wichtiges Signal in Richtung Vereinbarung von Familie und Beruf von Frauen aussendet. Gleichzeitig wollen wir einen Betrag zur Qualitätssicherung in der Kinderbetreuung leisten.
Online-Redaktion: Wie sieht das konkret aus?
Ströbele: Wir bieten Basisschulungen, Fortbildungen, Beratung und inzwischen auch eine Weiterbildung von Ganztagskoordinatorinnen und -koordinatoren an. Die Basisschulung umfasst vier Samstage á acht Stunden. In unseren Veranstaltungen wird sozusagen ein kleiner Werkzeugkasten für die Arbeit in der Grundschulkindbetreuung zusammengestellt. Die Aufsichtspflicht wird dort ebenso thematisiert wie pädagogisches Werkzeug, das Freispiel und der Wert des Spielens überhaupt, die Hausaufgabenbetreuung, das Setzen von Grenzen, Konfliktlösungen bis hin zu gruppendynamischen Prozessen. Unsere eintägigen Fortbildungen greifen jeweils ein Schwerpunktthema auf. Sie finden in nahezu jedem Landkreis Bayerns statt. Die viertägige Fortbildung kostet inklusive umfangreichen Materials 250 Euro. Mitglieder des Katholischen Frauenbundes erhalten einen Rabatt.
Online-Redaktion: Wie groß ist das Echo auf diese Angebote?
Ströbele: Die Basisschulungen nutzen jährlich rund 170 Personen. An den 30 Fortbildungen nehmen durchschnittlich jeweils 25 interessierte Frauen teil. Wir spüren einen steigenden Wunsch der Arbeitgebenden, dass die Mitarbeitenden sich fortbilden. Der Wunsch nach Qualität steigt kontinuierlich. Beide Seiten haben längst erkannt, wie wichtig und anstrengend diese Tätigkeit ist. Es geht darum, Kindern Bildung, den Ausbau ihrer sozialen Komptenzen und einfach eine gute Zeit zu ermöglichen. Damit unterstützen wir aber auch die Gesellschaft, deren Zukunft unsere Kinder nun einmal sind.
Allerdings gibt es Qualität nicht zum Nulltarif. Die Wertschätzung der im Ganztag Tätigen drückt sich am Ende auch in einem angemessenen Gehalt aus. Daran kann unseres Erachtens noch gefeilt werden – auch mit Blick auf die Attraktivität dieses Berufsfeldes. Sie zu steigern, muss mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 im Interesse aller sein.
Online-Redaktion: Immer wieder hören wir, dass Corona die Schulwelt verändert hat. Spüren Sie das auch und wenn ja, wie reagieren Sie mit Ihren Angeboten darauf?
Ströbele: Tatsächlich stellen die Folgen von Corona einen Themenschwerpunkt in unseren Fortbildungen und auch in Beratungen dar. Wir bieten deshalb monatlich eine zweistündige Online-Fortbildung zu speziellen Fragen an. Sie finden entweder morgens ab 8.30 Uhr oder am Nachmittag ab 16.30 Uhr statt. Inhalte sind dann etwa „Grundlagen gewaltfreier Kommunikation“ oder der „Umgang mit Kindern von psychisch belasteten Eltern“. Die Nachfrage ist groß, denn sowohl die Lehrkräfte als auch in der Betreuung Tätige müssen enorme Spagate im Umgang mit den Schülerinnen und Schüler vollbringen.
Es gibt Kinder, die sich abgehängt fühlen, weil sie während der Pandemie trotz Unterstützung durch die Schulen oft ein Stück weit auf sich alleine gestellt waren. Es gibt aber auch Kinder, die die Zeit durch gute zusätzliche Begleitung des Elternhauses gut überstanden haben, und ihnen geht es dann heute manchmal zu langsam im Unterricht voran. Dann gibt es Kinder, denen die sozialen Erfahrungen der Kita fehlen. Insgesamt hören wir von einem zunehmenden Aggressionspotenzial, von stärkerer Unruhe und größerer Unaufmerksamkeit. Unsere Fortbildungsangebote greifen diese Fragen auf.
Online-Redaktion: Was wird am stärksten nachgefragt?
Ströbele: Nach Ende der Pandemie hat das Interesse an den Präsenzveranstaltungen wieder deutlich zugenommen. Wohl auch, weil es hier doch stärker die Möglichkeit gibt, sich bei einer Tasse Kaffee intensiv auszutauschen, sich zu vernetzen. Aber auch die dreieinhalbstündigen Basisangebote werden gerne genutzt. Sie sind leicht in den Alltag der Interessierten integrierbar. Inhaltlich nimmt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung einen großen Raum ein, auch wenn ich da allmählich eine gewisse Ruhe und Zuversicht verspüre. Aber es kommen immer wieder Fragen dazu. Fragen, die die Gemeinden bewegen, aber auch diejenigen, die sich bei uns zu Ganztagskoordinatorinnen und -koordinatoren fortbilden lassen. Unsere Beratungsangebote, die häufig auch in kurzen Telefonaten erfolgen, nutzen auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die beispielsweise Informationen zu organisatorischen und pädagogischen Themen erbitten.
Online-Redaktion: Wer gehört zu Ihrem Team der Referentinnen und Referenten?
Ströbele: Zum Glück verfügen wir über einen Stamm von Profis mit ausgewiesener Expertise. Es sind im Ganztag sehr erfahrene Fachkräfte, die allesamt ein großes Praxiswissen auszeichnet. Nur deshalb können wir in Abstimmung mit dem Land auch die Weiterbildung zur Ganztagskoordination anbieten, die nach 120 Stunden mit einem entsprechenden Zertifikat endet. Wir könnten noch weitaus mehr Fortbildungen veranstalten. Aber darauf verzichten wir, wenn uns nicht die erforderlichen Fachleute zur Verfügung stehen. Sie müssen etwas zu sagen haben. Schulungen „auf Teufel komm raus“ wird es mit uns nicht geben.
Online-Redaktion: Wo sehen Sie für Ihre Tätigkeit die größte Herausforderung?
Ströbele: Wir möchten mit unserem Fortbildungsangebot die qualitativ hochwertige Betreuung der Schülerinnen und Schüler unterstützen. Und das in Zeiten großen Personalmangels und knapper Kassen. Dabei werden wir uns politisch einmischen, die Motivation von Frauen, sich in diesem wichtigen Feld zu engagieren, fördern und trotzdem Missstände ansprechen. Am Ende geht es immer um gute Kinderbetreuung. Die erfordert angemessene, die Anzahl der Betreuungspersonen betreffende Personal- und Raumschlüssel – so wie es sie ja für den Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Eine Gruppe von 25 Kindern alleine zu betreuen, halten wir für nicht zielführend. Dann nämlich kann individuelle Förderung am Nachmittag nicht mehr gelingen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Kulturelle Bildung
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