Schulfußball im Ganztag: „So muss es weitergehen“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Mit Fußball-AGs, der Ausbildung von Junior-Coaches oder dem Sepp-Herberger-Tag geht der Hessische Fußball-Verband in Vereine und Schulen und erreicht damit Jungen wie Mädchen. Referent Johannes Hofmann im Interview.

Johannes Hofmann (ganz links) und Team
Johannes Hofmann (ganz links) und Team © Hessischer Fußball-Verband

Online-Redaktion: Alle reden derzeit von Fußball, von der EM. Welche Auswirkungen hat eine Europameisterschaft im eigenen Land auf das Fußballinteresse der Kinder?

Johannes Hofmann: Der Deutsche Fußball-Bund hat kürzlich eine Mitgliederstatistik veröffentlicht, die belegt, dass die Zahl der aktiv fußballspielenden Kinder und Jugendlichen insgesamt steigt. Demnach ist der Zuwachs bei den Mädchen besonders ausgeprägt. Welche Auswirkung die EM tatsächlich haben wird, wird sich aber erst noch zeigen. Wir als Verband möchten die EM natürlich als Impuls nutzen, um die Begeisterung der Jungen und Mädchen zu nutzen. Automatisch funktioniert das allerdings nicht. Wir müssen mit unseren Projekten und Maßnahmen die Vereine erreichen und insbesondere die Schulen, wo eben alle Kinder anzutreffen sind.

Online-Redaktion: Wie kooperieren Vereine in Hessen mit Schulen, vor allem mit Grundschulen?

Hofmann: Es bestehen verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Kooperation zwischen Schule und Fußballverein. Einerseits gibt es einmalige Maßnahmen wie den Sepp-Herberger-Tag „Gemeinsam am Ball“ der ausdrücklich ein Fest für Grundschulen ist, oder das Fußball-Abzeichen. Beide können von der jeweiligen Schule in Zusammenarbeit mit dem ortsansässigen Verein für alle Kinder angeboten werden. Die Anmeldung läuft über uns, der DFB stellt dann die notwendigen Materialien. Mit dem DFB-Mobil haben wir ein mobiles Angebot in Zusammenarbeit mit dem DFB: Es besucht die Schule vor Ort, und DFB-Mobil-Teamer organisieren eine 75-minütige Trainingseinheit „Spielen und Bewegen in der Grundschule“ mit anschließender Feedbackrunde.

Ein längerfristiges Projekt wäre eine Fußball-AG, die an der Schule im Rahmen des Ganztagsangebots installiert werden kann. Im Optimalfall wird diese AG durch einen lizenzierten Trainer oder eine Trainerin aus dem kooperierenden Fußballverein geleitet. Außerdem leiten wir jedes Schuljahr hessenweit mindestens zwölf Junior-Coach-Lehrgänge. Das sind Trainerlehrgänge für Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren, die entweder zentral an der Sportschule in Grünberg oder dezentral an den Schulen Hessens durchgeführt werden. In jedem Fall ist das letztendliche Ziel, dass so viele Kinder wie möglich erreicht werden und die kooperierenden Fußballvereine dadurch neue Vereinsmitgliederinnen gewinnen.

Online-Redaktion: Wie gewinnen Sie das Fachpersonal für die Fußball-AGs?

Junior-Coach-Lehrgang in der Sportschule Grünberg
Junior-Coach-Lehrgang in der Sportschule Grünberg © Hessischer Fußball-Verband

Hofmann: Der Hessische Fußball-Verband beschäftigt in den Fußballkreisen Gießen und Hochtaunus jeweils eine FSJ-Kraft, also junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr. Deren Hauptaufgabe besteht darin, Fußball-AGs an umliegenden Schulen zu leiten. Abgesehen davon ist unsere Aufgabe allerdings eher die Vermittlung zwischen Schule und Verein, um gemeinsame Projekte zu initiieren. Darüber hinaus bilden wir die potenziellen Übungsleiter und Übungsleiterinnen durch diverse Qualifikationsmaßnahmen aus, damit genügend Fachpersonal hessenweit zur Verfügung steht. Laut Aufsichtserlass des Hessischen Schulgesetzes dürfen nur externe Personen eine AG leiten, die über eine einschlägige Trainerlizenz, also mindestens eine C-Lizenz, verfügen. Diese kann beim Hessischen Fußball-Verband mit einem Umfang von 120 Lerneinheiten erworben werden.

Online-Redaktion: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Kooperation?

Hofmann: Die Schulen sollen Unterstützung in der Ausgestaltung des Ganztags erhalten. Ab dem Schuljahr 2026/2027 hat schließlich jedes Grundschulkind ein Recht auf Ganztagsbetreuung. Der organisierte Sport und dementsprechend natürlich auch der Fußball als Sportart Nummer Eins hat also einen Riesenauftrag, mitzuhelfen und präsent zu sein. Die Vereine sollen präsenter in den Schulen werden und im besten Fall Spielerinnen und Spieler, aber auch junge Trainerinnen und Trainer für sich gewinnen. Dieser Sachverhalt bietet für den Fußball, aber auch für die Schulen eine ganz große Chance.

Online-Redaktion: Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer bisherigen Kooperation mit Schulen gesammelt?

Hofmann: Eine funktionierende Kooperation steht und fällt mit den handelnden Personen vor Ort. Eine ständige Kommunikation zwischen den Einrichtungen ist immer der Schlüssel zum Erfolg. Die Erfahrungen, die wir mit unseren Abrufangeboten sammeln konnten, waren durchweg positiv. Besonders die Initiierung von Fußball-AGs und die Ausbildung von Schülern und Schülerinnen zu Junior-Coaches sind ein voller Erfolg.

Fußball-AG in der Panoramaschule Hünstetten
Fußball-AG in der Panoramaschule Hünstetten © Hessischer Fußball-Verband

Online-Redaktion: Wie sieht es mit der Integration durch Fußball aus?

Hofmann: Fußball sorgt sicherlich für Integration. Auf dem Fußballfeld geht es ausschließlich ums Fußballspielen. Jeder ist willkommen. Die deutsche Nationalmannschaft ist ein sehr gutes Beispiel für Integration: Viele Spieler mit unterschiedlichsten familiären Hintergründen tragen das deutsche Trikot mit Stolz und verfolgen zusammen das gleiche Ziel.

Online-Redaktion: Manche Vereine haben Ganztagsschulen als Konkurrenz gesehen, die ihren Mitgliederstand gefährden. Hat sich daran etwas geändert?

Hofmann: Fußballvereine müssen einsehen, dass das nun mal der Trend ist. Die Schülerinnen und Schüler werden in Zukunft immer mehr Zeit in der Schule verbringen. Ob die Fußballvereine wollen oder nicht. Demnach geht es für die Vereine darum, mit auf den Zug aufzuspringen und kreativ zu werden, um sich im schulischen Rahmen und somit den Schülerinnen und Schülern zu präsentieren. Die Zahl der offiziellen Fußball-AGs, die durch Kooperation zwischen Schule und Fußballverein entstehen, wächst stetig. So muss es weitergehen. Der DFB und auch der HFV sind bemüht, sowohl Schulen als auch Vereinen gleichermaßen mit beispielweise Materialpaketen zu helfen. Trotzdem ist klar, dass der Ganztag nicht länger als circa 16 Uhr dauern sollte, um dem Vereinssport weiterhin genügend Raum zu geben.

Online-Redaktion: Was ist Ihnen als Verband für die Zukunft wichtig?

Hofmann: Wie gesagt, wird das Thema Ganztagsschule in Zukunft immer wichtiger. Demnach müssen wir auch gemeinsam mit den Schulen viele Problematiken lösen. Eine davon ist der Mehrbedarf an qualifiziertem Personal. Hier sind alle Zielgruppen gefragt, die im Ganztag aktiv werden sollten. Diese wollen wir erreichen und entsprechend ausbilden.

Zur Person:

Johannes Hofmann, Jg. 1995, ist seit 2023  Referent für Schulfußball im Hessischen Fußball-Verband. Nach dem Studium der Bewegungs- und Sportwissenschaft in Marburg (Bachelor) war er sechs Monate beim DFB als Praktikant in der Talentförderung tätig. Er ist selbst aktiver Fußballer und hat nach U17 und U19 drei Jahre in der U23 der Regionalliga gespielt, anschließend beim FC Gießen. Seit 2022 Jahren spielt er beim FSV Fernwald und ist seit zwei Jahren auch Trainer der U17 Regionalauswahl in Gießen und Marburg.

Im Hessischen Fußball-Verband ist er u. a. Ansprechpartner für das Projekt DFB-JUNIOR-COACH sowie alle Schulfußball-Maßnahmen in den hessischen Grundschulen, wie Fußball-AGs, die Mädchen Fußball-AG, das DFB-Paule-Schnupperabzeichen, das DFB-Mobil sowie die Lehrerfortbildungen im Grundschulbereich.

Alle genannten Angebote des HFV sind in einer Broschüre ausführlich beschrieben:

Hessischer Fußball-Verband / Fink, N., Alter, J., Scheid, T. & Timmas, S. (2024): Schulen – Vereine – Fußball. Kinder gemeinsam bewegen. Frankfurt am Main: HFV.

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