Ganztagsschulverband mit neuem Gesicht : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Im November 2013 hat der Ganztagsschulverband GGT e. V. einen neuen Vorstand gewählt. Der neue Verbandsvorsitzende Rolf Richter, Direktor der Gesamtschule Am Rosenberg in Hofheim, erläutert im Interview, wie sich der Verband personell neu aufgestellt hat, welche Ziele er weiter verfolgt und welche Akzente er in Zukunft setzen will.
Online-Redaktion: Herr Richter, dieses Jahr hat für den Ganztagsschulverband eine personelle Neuaufstellung gebracht. Sie sind zum neuen Vorsitzenden gewählt worden, nachdem Ihr Vorgänger, Stefan Appel, über Jahrzehnte den Verband geprägt hat.
Rolf Richter: Herr Appel ist aus persönlichen Gründen in der Mitgliederversammlung relativ überraschend nicht mehr angetreten. Das ist natürlich sehr schade, denn seine Kenntnisse sind einmalig. Er bleibt dem Verband aber weiter mit seiner Erfahrung verbunden, ich stehe mit ihm in regelmäßigem Kontakt.
Es gibt weitere neue Gesichter im Vorstand: Christel Hempe-Wankerl aus dem Landesverband Bremen, die früher in der Senatsverwaltung für die Ganztagsschulen zuständig gewesen ist, Thomas Bungarten vom Gymnasium am Stoppenberg in Essen und Ausrichter unseres Kongresses 2005 sowie Gunhild Schulz-Gade von der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen.
Online-Redaktion: Wird der personelle Neubeginn auch Akzentverschiebungen in der Ausrichtung des Verbandes mit sich bringen?
Richter: Wir werden, dies haben wir allerdings bereits auf einer Vorstandssitzung im Oktober abgesprochen, verstärkte Öffentlichkeitsarbeit leisten. Herr Appel hat sehr viel erreicht, indem er auf vielen Veranstaltungen und Foren präsent gewesen ist. Wir möchten jetzt aber noch mehr direkte Öffentlichkeitsarbeit mit Pressemitteilungen angehen. Im Koalitionsvertrag ist zum Beispiel lediglich festgehalten, dass Ganztagsschulen den Bildungserfolg der Kinder verbessern. Da müssen wir deutlich in die Öffentlichkeit kommunizieren, dass Ganztagsschulen noch viel mehr können. Die Themen, die wir als Verband auf Bundesebene für wichtig halten, wollen wir so in den Vordergrund rücken und uns auf Augenhöhe mit anderen Verbänden und Institutionen, die sich ja ständig zu Wort melden, bewegen.
Zweitens möchten wir die Arbeit in den zehn Landesverbänden besser unterstützen. Bisher bekamen die Landesverbände, die um Unterstützung gebeten haben, diese vom Bundesvorstand natürlich gewährt. Nun möchten wir von uns aus ein bisschen mehr tun, um die Landesverbände zu stärken. Bisher haben uns die Serviceagenturen „Ganztägig lernen“, die ja in allen Bundesländern präsent sind, viel Arbeit abgenommen – wir werden ab jetzt aber auch selbst tätig werden.
Online-Redaktion: Werden sich auch Landesverbände in den sechs Ländern gründen, in denen es bisher noch keine gibt?
Richter: Mit Guido Seelmann-Eggebert, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Hessen, haben wir nun eine Person, die sich extra darum kümmern wird.
Online-Redaktion: Im November fand Ihr Bundeskongress in Augsburg statt. Was nehmen Sie von diesem Kongress mit?
Richter: Ich muss gestehen, dass ich über die Ganztagsschulsituation in Bayern wenig informiert gewesen bin. Und ich muss weiter gestehen, dass es mich überrascht hat, wie sehr an den Standorten, an denen Ganztagsschulen eingerichtet werden, geklotzt wird. Die Bayern schauen, wo die Nachfrage besteht, ob es um eine Ganztagsklasse, um einen Ganztagszug oder um die Umwandlung einer ganzen Schule geht. Und sie geben dann genügend Lehrerstunden hinein. Das geht bei acht Lehrerwochenstunden pro Klasse los und endet bei 16 Lehrerwochenstunden. Das ist eine geniale Art und Weise, die Ganztagsschule voranzubringen, weil sie von Anfang an auf eine richtig breite Basis gestellt wird. Die Mittel werden also punktuell eingesetzt. Dort sind sie dann richtig wirksam und können so etwas wie beispielhafte Schulen etablieren, anders als hier bei mir in Hessen, das die Mittel gestreut hat.
Für den Kongress insgesamt haben wir überwiegend positive Rückmeldungen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erhalten. Allerdings ist uns auch kommuniziert worden, dass wir das Kongressprogramm immer noch zu dicht getaktet haben. Wir müssen da reduzieren, damit die Teilnehmenden mehr Zeit für die Schulbesuche und Gespräche erhalten.
Online-Redaktion: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage beim Ganztagsschulausbau ein?
Richter: An unserer Einschätzung hat sich nichts geändert. Es gilt immer noch, was Stefan Appel gesagt hat: Es gibt zwar inzwischen über 54 Prozent Schulen, die etwas mit Ganztag zu tun haben, aber es sind weniger als zehn Prozent, die nach unserem Verständnis auch wirklich Ganztagsschulen mit einem verbindlichen Angebot über die ganze Woche sind.
Als Verband sind wir natürlich für alle Ganztagsschulen da, unabhängig von ihrer Organisationsform oder ihrem Programm, und wollen alle vertreten, von der Tagesheimschule im Privatschulbereich bis zu einer Schule mit pädagogischer Mittagsbetreuung wie bei uns hier in Hessen. Wir werben aber dafür, mit Ganztagsschulen in die Breite zu gehen, in denen nicht nur einige Schülerinnen und Schüler für ein oder zwei Tage an Angeboten teilnehmen. Und hier wäre insbesondere der Ausbau in den Grundschulen sehr wichtig, denn was dort in einem längeren, rhythmisierten Schulalltag praktiziert und gelernt wird, kommt den weiterführenden Schulen und den Bildungskarrieren der Schülerinnen und Schüler zugute.
Online-Redaktion: Inzwischen gibt es auch wesentlich mehr wissenschaftlich fundierte Kenntnisse über die Wirkung von Ganztagsschulen. Wie nehmen Sie diese wahr?
Richter: Wir sehen uns insbesondere von den Ergebnissen der StEG-Studie bestätigt, die gezeigt hat, dass die Ganztagsschule ihre Wirkung besser entfaltet, wenn die Kinder und Jugendlichen die Angebote kontinuierlich wahrnehmen. Es wird überhaupt unsere Aufgabe sein, Forschungsergebnisse wie diese stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Kategorien: Ganztag vor Ort - Bildungspolitik: Interviews
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