Bundeskongress des Ganztagsschulverbandes : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Seit 40 Jahren „tourt“ der Ganztagsschulverband mit seinen Kongressen durch die Republik. Station in diesem Jahr war vom 20. bis 22. November 2013 die Stadt Augsburg mit dem Kongressmotto „Praxis Ganztagsschule – Schulkultur als eine multiprofessionelle Aufgabe“.

 

Es fing 1973 an: Im hessischen Königstein fand erstmals ein Kongress des bereits 1955 gegründeten Ganztagsschulverbandes GGT e. V. statt. Das Thema vor genau 40 Jahren lautete "Rhythmisiert lernen – Ganztagsschule: Beitrag zur Jugend- und Gesundheitspolitik". In diesem Jahr machte der Kongress in Augsburg Station. Vom 20. bis 22. November 2013 hieß es im Tagungshotel St. Ulrich diesmal „Praxis Ganztagsschule – Schulkultur als eine multiprofessionelle Aufgabe“.

Dass sich Multiprofessionalität über die Schultore hinaus erstreckt, machte die Einladungsliste des Verbandes schon zu Beginn deutlich: Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg, sprach ein Grußwort. „Das Thema Inklusion wird auch bei uns an der Universität diskutiert, und unser Anliegen ist es, unsere Universität über einen Lernraum hinaus zu einem Ort der sozialen Kontakte zu entwickeln. Zu einer umfassenden Bildung gehört auch gesellschaftliches Engagement, und wir suchen die Bindung in die Stadt“, so die Präsidentin.

Der Rat der Stadt Augsburg hat einstimmig beschlossen, flächendeckend, schulart- und stadtteilübergreifend „teilgebundene“ Ganztagsschulen – also Schulen, in denen gebundene Ganztagsklassen geführt werden – zu etablieren. Schulrätin Gisela Klaus, seit fünf Jahren für die Weiterentwicklung der Ganztagsschulen in der Fuggerstadt zuständig, konstatierte in ihrem Grußwort, dass es „in den vergangenen Jahren gelungen ist, hier einen großen Schritt nach vorne zu machen und ein Ganztagsschulnetz über Augsburg zu legen“. Dazu habe es auch erhebliche Um- und Neubauten gegeben. „Nun bieten zwölf von 30 Grundschulen, neun von zwölf Mittelschulen und zwei von zehn Gymnasien in der Unterstufe gebundene Ganztagszüge an. Insgesamt gibt es 97 gebundene Ganztagsklassen in der Stadt. Diese Ganztagsschulklassen sind gut besucht.“

Kooperation mit externen Partnern von „herausragender Bedeutung“

Von „herausragender Bedeutung“ ist laut Gisela Klaus die Zusammenarbeit der Ganztagsschulen mit externen Partnern. Ein Ziel der Stadt sei es daher, diese Kooperationen weiter zu professionalisieren. Stefan Appel, der langjährige Vorsitzende des Ganztagsschulverbandes, hob in diesem Zusammenhang die Forschungsergebnisse der IZBB-Begleitforschung hervor, die wichtig seien. „Für die Praxis Ganztagsschule sind Lernklima und Schulkultur mitentscheidend“, so Appel.

Vom „Umgang mit der Vielfalt in der Praxis der Ganztagsschule“ berichtete Prof. Dr. Silvia-Iris Beutel von der Technischen Universität Dortmund. Seit 2006 sitzt die Professorin für Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik in der Jury des Deutschen Schulpreises. Für ihr Eröffnungsreferat griff sie auf konkrete Beispiele zurück. „Die meisten unserer ausgezeichneten Schulen arbeiten als Ganztagsschulen und sagen: ‚Wir brauchen das auch’. Die Ganztagsschule ist eine Option, auch beim Thema Vielfalt zu besseren Ergebnissen zu kommen.“

Selbstkritisch räumte die Wissenschaftlerin ein, dass an ihrer eigenen Universität eher noch das „teaching to the test“– das schnelle Lernen auf eine Prüfung hin – vorherrsche. Jedoch machten zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen die vielen Projekte zum individualisierten Lernen – auch in Gymnasien – Mut.Wichtig sei es, flexible Lernformen in den Unterricht zu integrieren, bei denen „niemand mehr schlafend abtauchen“ kann. Dies gelinge besonders gut, wenn man „weg vom alten Fetzenstundenplan hin zu einem fächerübergreifenden Curriculum“ komme, wie es die Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim geschafft habe. Hier hatten die Kolleginnen und Kollegen der 5. und 6. Jahrgangsstufe an einem pädagogischen Tag die Lehrpläne ausgehängt, die jeweils geforderten Kompetenzen markiert und beides dann für das fächerübergreifende Curriculum verbunden.

Angebote kommen den fachlichen Leistungen zugute

An der Winterhuder Reformschule in Hamburg, die seit 2009 als gebundene Ganztagsschule arbeitet, lernten die Schülerinnen und Schüler jahrgangsübergreifend von Klasse 0 bis 4. Der Tag sei dabei klar strukturiert, das forschende Lernen werde in der „Neugierzeit“ unterstützt, in der die Kinder selbst Fragen entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei in Gruppen, können bei Fragen jederzeit die Lehrerin ansprechen, oder diese arbeite gezielt mit einem Kind aus der Gruppe. „Bei der Individualisierung brauchen wir das Peer Learning“, so Prof. Beutel.

In Winterhude sei eine „Miniphänomenta“ mit 30 Experimentierstationen in der Pausenhalle aufgebaut, sodass auch in der freien Zeit sinnvolle pädagogische Angebote gemacht werden könnten. Daneben gebe es eine Forscherwerkstatt, deren Ergebnisse „nicht in Mappen verschwinden, sondern der Öffentlichkeit präsentiert werden“. Die Wissenschaftlerin zeigte sich überzeugt: „Gute Ganztagsschulen relativieren keine fachlichen Leistungen, sondern setzen darauf, dass die individuell abgestimmten Angebote dem fachlichen Lernen zugute kommen.“

Noch nicht da, wo wir hinwollen“

Auch die Bayerische Staatsregierung sieht in der Ganztagsschule „ein Mehr an Möglichkeiten“. Ministerpräsident Horst Seehofer hat in seiner Regierungserklärung das Ziel eines flächendeckenden Ganztagsschulausbaus bis 2018 verkündet. Auf dem Augsburger Kongress bilanzierte Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich, dass sich Bayern beim Ganztagsschulausbau „auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel“ befinde: „Bei den absoluten Zahlen sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. In den Grund- und Mittelschulen wird der Ganztag noch nicht so genutzt, wie wir uns das erhofft haben.“

Seit 2002/2003 haben sich in Bayern die Zahlen innerhalb eines Jahrzehnts von 365 auf 1.363 offene Ganztagsschulen und von 28 auf 964 nach Landesdefinition gebundene Ganztagsschulen (oftmals Schulen mit Ganztagszügen) erhöht. In den offenen Ganztagsschulen können die Eltern ihre Kinder für bestimmte Tage, dann allerdings verbindlich für ein ganzes Schuljahr, anmelden. An Grund- und Förderschulen wird die Mittagsbetreuung angeboten, rund 80 Prozent der Grundschulen halten dieses Angebot vor. Sie gewährleistet eine verlässliche Betreuung bis 14 Uhr. Beim Angebot bis 16 Uhr müssen ein Mittagessen sowie vier Zeitstunden in der Woche für ein Lern- und Förderangebot, ein musisch-kreatives Angebot oder ein Sport- und Bewegungsangebot angeboten werden. Mit Ausnahme des Mittagessens sind die Ganztagsangebote kostenfrei.

Bei den gebundenen Ganztagsschulen erhalten die Grund-, Mittel- und Förderschulen zwölf zusätzliche Lehrerwochenstunden und 6.000 Euro für außerschulische Partner pro Klasse und Schuljahr. Klassen der Jahrgangsstufe 1 erhalten weitere 4.500 Euro, Klassen der Jahrgangsstufe 2 weitere 3.000 Euro. Realschulen und Gymnasien erhalten acht zusätzliche Lehrerwochenstunden und 6.000 Euro für außerschulische Partner pro Klasse und Schuljahr. Die offenen Ganztagsschulen erhalten den Gegenwert der Lehrerwochenstunden der gebundenen Ganztagsschule, je nach Schulart 23.000 bis 30.000 Euro pro Gruppe und Jahr. Bei den gebundenen und offenen Ganztagsschulen übernehmen die Kommunen den Schulaufwand und beteiligen sich mit 5.000 Euro pro Schuljahr und Klasse an den Personalaufwendungen.

Wahlfreiheit der Eltern wichtig

„Doch nicht nur die Quantität ist uns wichtig“, so Staatssekretär Eisenreich, „sondern auch die Qualität.“ So wurde mit dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung ein Qualitätsrahmen für Ganztagsschulen veröffentlicht. Die darin beschriebenen Basisstandards sind für jede gebundene und offene Ganztagsschule maßgeblich und sollen den Schulen eine Orientierung für die Ausgestaltung und Durchführung ihrer Ganztagskonzeption geben. Außerdem gibt es Anregungen, wie Ganztagsschulen in den einzelnen Qualitätsbereichen ihr Konzept weiterentwickeln können. Mittels Selbsteinschätzungsberichten soll der Entwicklungsstand der jeweiligen Ganztagsschule dokumentiert werden.

„Welche Schule welches Ganztagsangebot wählt, soll zusammen mit der Kommune vor Ort entschieden werden“, so Eisenreich, „wobei uns die Wahlfreiheit für die Eltern wichtig ist.“ Wichtig sei auch, dass sich die Schulen öffnen und die Kinder- und Jugendhilfe, den Sport und kulturelle Träger als wichtige Kooperationspartner hereinholen.

Neuer Vorstand des Ganztagsschulverbandes

Anlässlich des Bundeskongresses erfolgte auch die Neuwahl des Vorstands. Der bisherige Vorsitzende, Dr. Stefan Appel, der das Amt seit 1985 inne hatte, wurde herzlich verabschiedet. Künftig wird nunmehr Rolf Richter, Direktor der Gesamtschule Am Rosenberg in Hofheim am Taunus (Hessen), den Verband als Vorsitzender führen. Als seine Stellvertreterin und Stellvertreter wurden Christel Hempe-Wankerl, von 1989 bis 2007 Mitarbeiterin beim Senator bzw. der Senatorin für Bildung und Wissenschaft in Bremen, und Bernd T. Steioff, Leiter der Schule im Emsbachtal Brechen (Hessen) gewählt.

Dem neuen Vorstand gehören außerdem an:

Oberschulrat a. D. Ulrich Rother (Hamburg),

Oberstudienrätin Gunild Schulz-Gade vom Staatlichen Schulamt Kassel, Leiterin der Serviceagentur "Ganztägig Lernen" (Hessen),

Studiendirektor Thomas Bungarten vom Gymnasium Am Stoppenberg in Essen (NRW),

Monika Nebgen vom Arbeiter-Samariter-Bund Bremen,

Mirjana Telalbasic, Sozialpädagogin an der Grundschule in der Köllnischen Heide (Berlin),

Dr. Herwig Schulz-Gade (Universität Augsburg).

Die Redaktion http://www.ganztagsschulen.org/ übermittelt Dr. Stefan Appel herzliche Grüße und freut sich auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Vorstand!

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