Bildung in der Freiwilligen Ganztagsgrundschule : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Schon jetzt nutzen 1.500 Kinder von 14 Freiwilligen Ganztagsschulen das Ganztagsangebot des DRK-Kreisverbands Saarlouis. Und die Nachfrage steigt weiter. Fachgebietsleiterin Monika Leblang im Interview.
Online-Redaktion: Seit wann engagiert sich der Kreisverband Saarlouis des Deutschen Roten Kreuzes im Ganztag?
Monika Leblang: Das geht weit bis in die 1990er Jahre zurück. Damals begannen wir ganz klein. Omas und Opas, die bei uns ehrenamtlich aktiv waren, übernahmen die Betreuung von Grundschulkindern. Schulen meldeten sich bei uns, wenn beispielsweise aus Krankheitsgründen Unterricht ausfallen musste und sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht wussten, was sie mit den Kindern machen sollten. Darüber hinaus kümmerten sich diese Großeltern um die Schülerinnen und Schüler nach Schulschluss. Nie aber wirklich länger als bis 13.30 oder 14 Uhr. Das geschah kostenlos und war natürlich nicht wirklich strukturiert.
Und doch muss ich, wenn ich daran zurückdenke, feststellen: Unsere Großeltern betreuten nicht nur, sondern waren mit dem Herzen bei den Kindern. Die Kinder haben, wenn sie gemeinsam mit den Erwachsenen Gesellschaftsspiele oder Karten spielten, schon damals etwas gelernt. Und daran hat sich bis heute nichts geändert: Unsere Angebote sind viel mehr als Betreuung. Sie sind im gleichen Maße ein Bildungsangebot wie der Unterricht im Klassenzimmer. Manchmal wünschen wir uns, dass dies von der Politik und der Bildungsverwaltung, aber auch von den Eltern stärker so gesehen und geschätzt wird.
Online-Redaktion: Was motiviert Sie heute, sich in den Ganztag einzubringen?
Leblang: Unsere Gesellschaft hat sich massiv verändert. Ohne eine verlässliche Betreuung im oben beschriebenen Sinne sind für viele Familie und Beruf nicht mehr zu vereinbaren. Wir fühlen uns verpflichtet, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass dies gelingt. Aber wir haben nicht nur die Eltern im Blick. Wir möchten dazu beitragen, dass die Kinder sich in den Grundschulen wohlfühlen, dass sie gerne dorthin kommen und dass sie von einem zwischen den Schulen und uns abgestimmten Bildungsangebot profitieren. Darum sind wir seit nunmehr mehr als zwei Jahrzehnten im Ganztag aktiv. Natürlich freuen wir uns, wenn wir auf diesem Weg auch neue „Mitglieder“ gewinnen. So wie es unserem Teamleiter in der FGTS Elm, Florian Bohn, gelingt. Er ist Erzieher und bei uns in Vollzeit beschäftigt. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich als Leiter des Jugendrotkreuz Ortsverein Elm. Einige seiner Betreuungskinder sind dadurch im Jugendrotkreuz angemeldet. Nach dem Motto früher an später denken. Und helfen macht glücklich.
Online-Redaktion: Mit welchen Schulen arbeiten Sie konkret zusammen?
Leblang: Insgesamt sind es inzwischen 14 Freiwillige Ganztagsschulen (FGTS) im Gebiet des Kreisverbandes Saarlouis, also Grundschulen. Unsere tägliche Arbeit beginnt dort, mit der Ausnahme von nur 26 Schließtagen pro Schuljahr, um 12.30 Uhr. Sie endet um 17 Uhr. Die Eltern können wählen, ob ihr Kind bis 15 Uhr oder bis 17 Uhr bleibt. In der kürzeren Version sind dann das gemeinsame Mittagessen zu einem Preis von rund vier Euro pro Tag und die Hausaufgabenbetreuung enthalten. Wer länger bleibt, kann entscheiden, ob er an einem der zahlreichen Projekte teilnimmt, eine von außerschulischen Kooperationspartnern veranstaltete Arbeitsgemeinschaft belegt oder spielt.
Online-Redaktion: Stichwort Hausaufgaben. Sie führen immer wieder einmal zu Konflikten zwischen Lehrkräften und außerschulischen pädagogischen Fachkräften. In ihren Schulen auch?
Leblang: Damit haben wir, vor allem aber auch die Schülerinnen und Schüler, keine Probleme. Zu unserer Mannschaft des pädagogischen Personals zählen Erzieherinnen, Erzieher, Kinderpflegekräfte, Fachkräfte für Bildung und Betreuung, Ergotherapeutinnen und -therapeuten sowie einige Fachkräfte, die ihr Lehramtsstudium nach dem 1. Staatsexamen beendet haben. Sie wissen, was sie tun.
Zudem stehen an den Schulen während der Hausaufgabenzeit stets Lehrkräfte zur Verfügung. Wenn unsere Mitarbeitenden dann doch einmal nicht wissen oder unsicher sind, wie etwas im Unterricht besprochen worden ist, müssen sie nur nach nebenan gehen und eine Lehrerin oder einen Lehrer ansprechen. Das kommt auch den Kindern zugute und vermeidet Konflikte.
Online-Redaktion: Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Ihrem Team organisiert?
Leblang: Sehr unbürokratisch. Wir begrüßen es, wenn unsere jeweilige Teamleitung an den Lehrerkonferenzen teilnimmt, zumindest in den Phasen, in denen es um Gemeinsames geht. In manchen Schulen geschieht dies monatlich, in anderen jede Woche. Entscheidend ist, dass wir so im Kontakt stehen, dass alle Fragen und Themen abgestimmt werden, die beide Parteien mit Blick auf unsere Kinder betreffen. Wir müssen nicht jedes Unterrichtskonzept kennen. Aber wenn es beispielsweise um Regeln geht, so muss gewährleistet sein, dass vormittags und nachmittags Gleiches gilt und umgesetzt wird.
Online-Redaktion: Wie groß ist Ihr Team und in welcher Form unterstützen Sie als DRK- Kreisverband Ihre Mitarbeitenden?
Leblang: Insgesamt sind in den 14 Schulen 150 zumeist halbtags tätige Personen aktiv. Auf sie wartet täglich eine anstrengende, aber auch sehr attraktive und interessante Arbeit mit vielen spannenden Kontakten. Auch wir merken natürlich, dass es immer schwieriger wird, ausreichend Fachpersonal zu gewinnen. Unsere Mitarbeitenden bringen eine große und buntgemischte Expertise mit. Sie tauschen sich untereinander aus und profitieren von vielen Fortbildungen zu höchst unterschiedlichen Themen.
Regelmäßig treffen sich darüber hinaus unsere Teamleitungen. Wir stellen dabei immer wieder fest, dass im Grunde keine Schule mit einer anderen vergleichbar ist. Jede hat ihre eigenen Ideen und Konzepte. Darum stricken wir auch für jede Einrichtung ein speziell auf sie zugeschnittenes Angebot. Es hängt sehr viel von den Schulleitungen, aber auch von dem „Drumherum“, das wir vorfinden, ab. Hier eine Schule mit sehr viel Grün und einem Schulgarten, dort eine mit wenigen Spielgeräten und mehr Beton.
Online-Redaktion: Wie flexibel müssen Sie in Ihren Konzepten sein?
Leblang: Schulen wandeln sich. Viele handeln nach der Überzeugung, dass sie mit der Zeit gehen müssen. Wir erleben beispielsweise einen Umbruch beim Umgang mit der Zeit nach dem Unterricht. Manche sind nach wie vor daran interessiert, dass die Eltern festlegen, woran ihr Kind teilnimmt. Andere plädieren für eine größere Freiheit der Kinder. Vor dieser etwas offeneren Form haben manche Eltern gewisse Ängste. Sie fragen sich, ob wir noch den Überblick behalten, wo sich ein einzelnes Kind aufhält.
Dem halten wir dagegen, dass sich Vertrauen in Kinder auszahlt. Wir erleben immer wieder, wie wichtig es für die Persönlichkeitsentwicklung und Selbstreflexion ist, wenn nicht alles vorgegeben wird. Wir möchten die Kinder auf ihrem Weg zum „Erwachsenwerden“ begleiten, möchten ihnen nicht alles aus der Hand nehmen. Betüddeln ist manchmal gut und erforderlich, aber nicht jede Minute.
Online-Redaktion: Haben sich die Ansprüche der Eltern verändert?
Leblang: Ganz gewaltig. Es gibt immer wieder mal Eltern, die ein Problem haben, wenn es nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen, obwohl die Kinder selbst sich bei uns wohlfühlen. Manchmal wird sogar mit Klagen gedroht. Doch mit den meisten Eltern gibt es keinerlei Schwierigkeiten. Sie schätzen unsere Arbeit und nutzen unser Angebot zum Gespräch. Wie ich überhaupt der Auffassung bin, dass es weniger Konflikte auf der Welt gäbe, wenn man mehr miteinander spricht, nachfragt, versucht, den anderen zu verstehen. Wir haben es mit zahlreichen Interessen zu tun – denen der Kinder, ihrer Eltern, den eigenen Kolleginnen und Kollegen, unserem Arbeitgeber, dem Ministerium, der Stadt. Es liegt auf der Hand, dass wir gar nicht allen Wünschen gerecht werden können.
Online-Redaktion: Wie blicken Sie auf 2026, wenn der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung greift?
Leblang: Das Personalproblem habe ich bereits erwähnt. Mehr als die aktuell 14 Schulen werden wir, von heute aus gesehen, wohl kaum in gewohnter Qualität begleiten können. Die Zahl der Kinder ist bereits in den vergangenen drei Jahren von 1.100 auf 1.500 geklettert, sodass wir mit den vorhandenen Kräften nur geringfügig wachsen können.
Ein noch größeres Problem stellen allerdings die Räumlichkeiten dar. Wir dürfen jetzt schon mitunter Klassenräume nutzen. Doch das ist schwierig, denn die sind ja für den Unterricht eingerichtet. Kompliziert ist es auch bei den Mensen, die mitunter nur für ein Drittel der Ganztagsschülerinnen und -schüler ausreichen. Da ist ein Essen in Ruhe nicht möglich. Wir müssen darauf achten, dass wir auch künftig mit Rahmenbedingungen arbeiten können, die es ermöglichen, nicht zu „Verwahrstätten“ zu werden.
Online-Redaktion: Was dann auch für die Ferien gilt…
Leblang: Auch in der Nachfrage nach Ferienangeboten sehen wir einen rasanten Anstieg. Früher nahmen an unseren Ferienaktivitäten vielleicht. 15 bis 20 Kinder einer Schule teil. Da konnten wir auch schon einmal die Kinder zweier nahegelegener Schulen zu einer Gruppe zusammenfassen. Bei Anmeldezahlen von derzeit durchschnittlich 50 Kindern pro Schule ist das undenkbar.
Aber wir freuen uns schon jetzt auf die bald beginnenden Sommerferien. Denn dann bieten wir wieder super viel Abwechslung – von spannenden Ausflügen in Freizeitparks über Schwimmkurse bis zu unseren Wald-, Musical- oder Zirkusprojekten, um nur einige zu nennen. Wir sind sicher: Hier finden alle etwas.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Kinder- und Jugendhilfe
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