BDKJ im Ganztag: Konzepte im Sozialraum entwickeln : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend im Bistum Münster vertritt 70.000 Kinder und Jugendliche. Warum es noch „Luft nach oben“ bei der Kooperation im Ganztag gibt, erläutert der Diözesanvorsitzende Felix Elbers.
Online-Redaktion: Wo liegen die Schwerpunkte der Arbeit des BDKJ im Bistum Münster?
Felix Elbers: Wir sind der Dachverband von zehn Kinder- und Jugendverbänden im Bistum Münster. Wir vertreten also die Interessen dieser Verbände und damit am Ende natürlich auch die der über 70.000 Kinder und Jugendlichen, die in ihnen Mitglied sind. Wir sind in verschiedenen Gremien und Arbeitsgemeinschaften vertreten, beispielsweise im Landesjugendring NRW. Dort setzen wir uns für eine starke Jugendarbeit ein. Zum Beispiel, um das konkret zu machen, dass Fördersätze für die Jugendarbeit zeitgemäß angepasst werden und möglichst unbürokratisch zu erhalten sind. Außerdem kümmern wir uns um die Ausbildung von Gruppenleitungen, veranstalten Aktionen wie unsere 72-Stunden-Sozial-Aktion des BDKJ. Und wir leben gemeinsam unseren katholischen Glauben.
Online-Redaktion: Wie stehen Sie als BDKJ zum Ganztag?
Elbers: Ich schätze den Ganztag als eine sinnvolle Möglichkeit der Bildung und Betreuung ein. Hinzufügen möchte ich, dass es wichtig ist, die Motivation für den Ganztag im Blick zu halten. Einen Ganztag weiterzuentwickeln, um Betreuungszeiten zu gewährleisten, halte ich für keine geeignete Motivation. Ist der Wille, Chancengerechtigkeit herzustellen und Kinder und Jugendliche in ihrem Aufwachsen bestmöglich zu begleiten, dann finde ich das gut. Allerdings braucht es dafür eine passgenaue Weiterentwicklung der Ganztagsangebote um individuelle Förderung.
Online-Redaktion: Die erste Studie, die vor allem die katholische Jugendarbeit im Blick hat, „Kirchliche Jugendarbeit in der Ganztagsschule", zeigt auf, dass die kirchliche Jugendarbeit im Ganztag noch zu wenig sichtbar ist. Warum?
Elbers: In den vergangenen Jahren stand für uns in Münster die Kooperation mit Ganztagsschulen tatsächlich nicht auf der Agenda. Ein Grund könnten die dafür erforderlichen Strukturen sein, die es auf Ebene des BDKJ im Bistum aktuell nicht gibt. Andere Akteure in der katholischen Kirche, wie zum Beispiel die Caritas, sind ja sehr aktiv im Ganztag und an Schulen, auch die einzelnen Jugendverbände wie beispielsweise die Malteser Jugend mit Schulsanitätsdiensten. Sicherlich ist zu bedenken, dass Jugendverbandsarbeit selbstorganisiert von Jugendlichen funktioniert und damit dem Schulsystem eher als Form der Freizeitgestaltung gegenübersteht.
Online-Redaktion: Hat vielleicht mit Blick auf den Kinderschutz auch das Vertrauen von Eltern in die Kirche gelitten?
Elbers: Wir haben nicht direkt mit Eltern zu tun, sondern als Jugendverband mit den jungen Menschen selbst und als Dachverband mit den Leitungen der Jugendverbände. Selbstverständlich beschäftigt uns das Thema. Die Verunsicherung kann man nicht leugnen. Wir hören den Wunsch und die Meinung junger Leute, dass alles schonungslos aufgeklärt werden soll und muss, auch in unseren eigenen Strukturen. Das transportieren wir in die Gremien und in die Öffentlichkeit, daran arbeiten wir. Aber ich sage auch und ganz bewusst: Jugendverbände sind weiterhin ein guter Ort, um in der Kirche aufzuwachsen.
Online-Redaktion: Wie kann sich der BDKJ in der Kooperation mit Ganztagsschulen engagieren?
Elbers: Es müsste zunächst eine Entscheidung dazu innerhalb des BDKJ geben. Dabei wäre zu beachten, dass sowohl die Schulen als auch die Jugendverbände sich einig darüber werden, was jeweils geleistet werden soll. Die in der Studie der Universität Münster und der TU Dortmund beschriebenen Spannungen zwischen den beiden Systemen sind, denke ich, auszuhalten und teilweise auszuräumen, solange beide Kooperationspartner bereit sind, Dinge anzupassen. Konkret müsste sich Schule auf Experimente einlassen, mit Ehrenamtlichen zu arbeiten, und flexibel sein im Hinblick auf Zeiten und Räumlichkeiten. So könnte es eine Chance sein, ein Angebot zum Beispiel erstmal nur einmal im Monat anzubieten und dazu möglicherweise auch das Schulgelände zu verlassen. Seitens der Jugendverbände müsste geklärt werden, wie wir das Prinzip der Freiwilligkeit und der Ehrenamtlichkeit im Schulkontext verstehen wollen. Gerade im Bereich der Freiwilligkeit sehe ich eine Herausforderung, die aber, denke ich, zu bewältigen ist.
Online-Redaktion: Sportvereine in Münster haben mit einer Kooperation mit Ganztagsschulen fast durchweg gute Erfahrungen. Können Sie sich vorstellen, dort Impulse zu sammeln?
Elbers: Natürlich bieten die Sportvereine wertvolle Impulse für Kooperationen, die sich als hilfreich auch für die katholische Jugendarbeit erweisen können. Es ist jedoch wichtig nicht zu vergessen, dass Sportvereine in der Regel auf lokaler Ebene organisiert sind und daher die Möglichkeit haben, sich als Träger in ihrem unmittelbaren Umfeld auf individuelle Weise zu positionieren. Für den BDKJ als Dachverband stellt das auf Diözesanebene eine große Herausforderung dar.
Jugendarbeit im Sportverein unterscheidet sich jedoch auch im Zugang und der Priorisierung, ebenso in der Methodik der Jugendarbeit. Im Sportverein steht das Sporttreiben im Vordergrund und Sport dient als Methode von Jugendarbeit. In der katholischen Jugendarbeit ist die Jugendarbeit selbst das primäre Ziel und ist möglicherweise in den Methoden offener. Um in katholischer Jugendarbeit mitzumachen, werden keinerlei Zugangsvoraussetzungen benötigt. Keine Sportlichkeit, keine Musikalität, keine bestimmte Religionszugehörigkeit. Einfach sich selbst mitzubringen reicht aus.
Online-Redaktion: In einem Positionspapier des BDKJ Münster „Schule mitgestalten“ lautet die 5. Grundoption: „Schulen als Orte kirchlicher Präsenz mitbestimmen“. Muss das Papier umgeschrieben werden?
Elbers: Nein. Ich sehe keinerlei Grund, dem nicht zuzustimmen, im Gegenteil, ich würde dies sogar bekräftigen. So, wie Jugendverbände auch Orte kirchlicher Präsenz sind, gilt dies ebenso für Schulen und viele andere Einrichtungen wie Jugendbildungsstätten. Das Positionspapier betont ebenfalls die produktive Nutzung der Unterschiede und die Nicht-Bewertung von Unterschieden als Gegensätze. Auch heute, acht Jahre später, stimme ich dem nachdrücklich zu.
Online-Redaktion: Was erwarten Jugendliche vom BDKJ, wenn sie sich in der Katholischen Kirche engagieren, sich einer Jugendgruppe oder Arbeitsgemeinschaft unter dem Dach der Kirche anschließen?
Elbers: Jugendliche haben unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen, auch an die katholischen Jugendverbände. Das sind Gemeinschaft, Spaß und Freundschaften und geht gleichzeitig darüber hinaus. Besonders das Selbstwirksamkeitserleben, die Erfahrung, dass sie Herausforderungen gut meistern können, mit dem daraus resultierenden Selbstvertrauen, stellt einen großen Wert für junge Menschen dar. Für viele Jugendliche sind die kirchlichen Jugendverbände auch ein Ort, an dem sie ihren persönlichen Glauben leben können. Vor allem bietet die Teilnahme an Jugendverbandsaktivitäten jungen Menschen die Möglichkeit, frühzeitig echte Verantwortung zu übernehmen und aktiv an der Gestaltung von Projekten und Aktionen teilzuhaben. Diese Entwicklungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind ein Motiv für junge Menschen, sich bei uns zu engagieren, auch in Bezug auf die Gestaltung ihres persönlichen Glaubens.
Online-Redaktion: Wie sollte der Ganztag in Kooperation mit kirchlichen Jugendverbänden aussehen?
Elbers: Der Ganztag sollte für die Jugendverbandsarbeit offen gestaltet werden und niedrigschwellig verschiedenen Akteuren ermöglichen, sich einzubringen. Konzepte für den Ganztag müssen im Sozialraum entwickelt und gestaltet werden. Für Jugendverbände könnte so ein ehrenamtlich getragenes Engagement in Schulen ermöglicht werden und die Angebote gemeinsam angepasst werden. Auch ist aus unserer Sicht wichtig, das Kinder und Jugendliche im Rahmen des Ganztags aus der Schule rauskommen und dass sie möglichst unabhängig von Leistungsdruck auch über das Klassenzimmer hinaus Gemeinschaft erfahren und die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln können.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
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