AWO Gütersloh: Qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Träger von Ganztagsangeboten sehen sich Qualitätsansprüchen gegenüber. „Mit Betreuung allein gibt sich heute niemand mehr zufrieden“, weiß Annika Bütow, Abteilungsleiterin für den Offenen Ganztag beim AWO Kreisverband Gütersloh e.V..
Online-Redaktion: Die AWO zählt zu den ersten Trägern und Kooperationspartnern des Ganztags – auch in Gütersloh?
Annika Bütow: Wir blicken tatsächlich auf eine lange Tradition zurück. Ulrike Boden ist seit nunmehr 35 Jahren Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes Gütersloh. Und fast ebenso lange arbeiten wir mit den Horten beziehungsweise heute mit den Ganztagsschulen zusammen. Man kann mit Fug und Recht von einer Vorreiterrolle sprechen, die wir einnehmen. In vielen kleineren Gemeinden sind wir der einzige Träger von Ganztagsangeboten. Das erleichtert die Kommunikation zwischen der Verwaltung und uns.
In der Stadt Gütersloh hingegen existieren mehrere Träger. Und obwohl die Ausgangsbedingungen und Möglichkeiten der Träger aufgrund ihrer Größe und ihrer finanziellen Möglichkeiten sehr unterschiedlich sind, profitieren wir alle vom Austausch in regelmäßig tagenden Qualitätszirkeln zum Ganztag. In den Qualitätszirkeln kommen Kommunen, Träger und Schulen zusammen.
Online-Redaktion: Haben sich die Erwartungen an Ihre Angebote verändert?
Bütow: In den OGS-Anfängen ging es tatsächlich mehr oder weniger ausschließlich darum, dass die Kinder nach dem Unterricht gut „aufbewahrt“ und betreut wurden. Damit gibt sich heute niemand mehr zufrieden – weder die Eltern, noch die Ganztagsschulen, noch wir als Träger. Der Anspruch an ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot wird zu Recht erhoben. Wir teilen die Auffassung, dass nicht mehr zwischen Schule und Ganztagsbetreuung unterschieden wird. Wir reden vom schulischen Alltag als Einheit, mit Phasen der An- und Entspannung. Damit hat sich auch der Blick der Eltern auf den Ganztag gewandelt.
Online-Redaktion: Inwieweit hat das zu einer Veränderung des Miteinanders zwischen Schulen und den Trägern des Ganztags geführt?
Bütow: Spätestens seit Corona sind die Teams noch enger zusammengerückt. Die Verzahnung wird immer intensiver und besser. In Zeiten, als die Lehrkräfte den Distanzunterricht anbieten mussten, sind unsere Mitarbeitenden auch vormittags eingesprungen, um sich der Kinder anzunehmen, die auch während der Schließung der Schulen begleitet werden mussten. Das gegenseitige Verständnis, der Respekt voreinander und die Wertschätzung der unterschiedlichen Professionen sind seitdem noch gestiegen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass nicht wenige Schulleitungen einen Anstieg der Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern registriert haben, wenn an der Schule ein gutes Ganztagsangebot existiert.
Online-Redaktion: Sie kooperieren mit 36 Grund- und Förderschulen. Sehen Sie diese Entwicklung an allen Schulen?
Bütow: Es ist wie immer, wenn Menschen aufeinandertreffen. Mal funktioniert das Miteinander besser, mal schlechter. In den meisten Schulen begegnen sich die Teams tatsächlich mit großem Respekt. In einigen unserer Schulen gehen Mitarbeitende von uns sogar mit in die Klassen, mit in den Unterricht. Doch es gibt natürlich auch noch Schulen, in denen eine striktere Trennung gelebt wird. Den Unterschied spüren wir häufig schon bei dem Umgang mit dem Zwang gemeinsamer Raumkonzepte. Es ist illusorisch, davon zu träumen, dass alle Kommunen und Kreise neben das Schulgebäude noch ein neues Gebäude für die nachmittäglichen Angebote bauen. An der Doppelnutzung entzünden sich immer wieder Diskussionen, beispielsweise wenn Lehrkräfte sich um ihr Unterrichtsmaterial sorgen. Mehr Platz wäre zwar gut, aber die Trennung von Unterricht und Nachmittag wiederum nicht.
Online-Redaktion: Das klingt, als hätten nur die Lehrkräfte ein Problem, den Raum zu teilen …
Bütow: Nein, so ist das nicht gemeint. Vielen von uns fällt es zwar leichter, weil wir uns schon immer arrangieren mussten. Aber auch bei uns gibt es Mitarbeitende, denen die Vorstellungskraft dafür fehlt. Die Raumteilung haben bei uns auch noch nicht alle verinnerlicht.
Online-Redaktion: Wie funktionieren Kommunikation und Austausch zwischen Ganztagsträger und Schulen?
Bütow: Ich bin überzeugt, dass deren Bedeutung alle verinnerlicht haben. Austausch scheitert meist nicht an der Bereitschaft der Akteure, sondern an den vorhandenen Ressourcen. Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. In den großen Einheiten, wo unsere Mitarbeitende bis zu 300 Kinder betreuen, erfordert schon die Organisation und die damit verbundene Absprache im Team entsprechende Zeitfenster. Wenn wir, was extrem wichtig und sinnvoll ist, dann auch noch in den Austausch mit den Lehrerkollegien gehen wollen, braucht das zusätzliche Stunden.
Wir wissen, wie wertvoll es ist, wenn jemand von uns beispielsweise an der letzten Unterrichtsstunde teilnimmt. Dann erleben auch wir die Kinder anders und sehen auch, wie die Lehrkräfte agieren. Zum Glück sind die Kommunen im Kreis Gütersloh finanziell vergleichsweise gut aufgestellt und ermöglichen uns zum Teil diesen zusätzlichen Aufwand. Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung in der Grundschule ab 2026 wird diese Bereitschaft, in Bildung und damit unsere Kinder zu investieren, nochmals an Bedeutung gewinnen.
Online-Redaktion: Wie suchen Sie Ihre Mitarbeitenden für den Ganztag aus?
Bütow: Der Personalmangel wird uns als AWO mit Blick auf 2026 noch sehr beschäftigen. Wir versuchen beispielsweise aktuell, drei OGS-Leitungsstellen zu besetzen. Die Tätigkeit der OGS-Leitungskräfte wird extrem unterschätzt. Einen guten Ganztag mit und für 300 Kinder auf die Beine zu stellen, ihn zu organisieren, Wünsche der Mitarbeitenden, der Kinder und nicht zuletzt der Eltern zu berücksichtigen, ist eine Höchstleistung, vor der ich meinen Hut ziehe. Aber zurück zu Ihrer Frage.
Bei allen Bewerberinnen und Bewerbern schauen wir auf die Motivation der sich Bewerbenden und lernen diese bei Hospitationen besser kennen. Wichtig sind uns Empathie allen Bezugsgruppen gegenüber, Teamfähigkeit und psychische Stabilität. Bei Letzterer kann es sich natürlich nur um eine Momentaufnahme handeln. Aber wir wünschen uns, dass unsere Mitarbeitenden sich Hilfe und Unterstützung suchen, wenn sie selbst einmal in eine Krise geraten. Das ist besonders wichtig, wenn man mit Kindern arbeitet. Und wir erwarten die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiter- und fortzubilden.
Online-Redaktion: Welche Fortbildungen bieten Sie an?
Bütow: Die Fortbildung ist für uns ein wichtiger Baustein der Qualitätsentwicklung. Die Inhalte richten sich neben den professionellen pädagogischen Anforderungen zum einen stark nach den Bedürfnissen unserer Mitarbeitenden, zum anderen bei der Themenauswahl und Organisation nach den Bedarfen der OGS-Kinder und den Besonderheiten der einzelnen Schulstandorte. Auch die Vielfalt der Angebote ist uns wichtig, um den unterschiedlichen Professionen und Funktionen im Ganztag gerecht zu werden. Auch Tandemfortbildungen mit Lehrkräften gibt es, die zur weiteren Verzahnung von Schule und OGS beitragen.
Wichtig ist, dass wir alle mit der Zeit gehen. Die AWO hat ein Qualitätshandbuch „OGS in der Praxis“, das wir ständig weiterentwickeln. Sich auf einer Ausbildung von vor 20 Jahren auszuruhen, geht bei uns nicht. Große Themen sind aktuell die Medienbildung und der Kinderschutz. Viele große Systeme sehen ihren Bedarf häufig in Koordinations- und Organisationsfragen. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitarbeitenden ein Netzwerk, etwa zu pädagogischen Themen oder zum Kinderschutzzentrum, wo sie sich beraten lassen können, aber natürlich auch die Möglichkeit der Supervision.
Online-Redaktion: Was läuft Ihrer Einschätzung nach schon gut in der Kooperation mit den Ganztagsschulen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Bütow: An den meisten Ganztagsschulen funktioniert die Kommunikation prima über einen sehr kurzen Draht. Besonders, wenn unsere Ganztagskoordinatorinnen und ‑koordinatoren auch bei allen sie betreffenden Inhalten an den Konferenzen der Lehrkräfte teilnehmen können und ihre Einschätzung gefragt ist. Als Minimum der Verzahnung erwarten wir unser sogenanntes „Weekly“, sprich den regelmäßigen wöchentlichen Austausch zwischen Schulleitungen und uns. Und wenn ich mir noch etwas wünschen könnte, dann wäre es viel mehr Zeit, um einzelne Kinder besser begleiten zu können.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Bundesländer - Bremen
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