Vereine: "Fachleute für Bewegung" im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Der StadtSportBund Dortmund unterstützt seine Vereine bei der Kooperation mit Ganztagsschulen. Für Geschäftsführer Mathias Grasediek auch eine Chance, neue Mitglieder zu gewinnen.

Online-Redaktion: Herr Grasediek, der StadtSportBund Dortmund engagiert sich für die Kooperation von Vereinen und Ganztagsschulen. Wann haben Sie damit begonnen?

Mathias Grasediek: Im Schuljahr 2003/2004 sind in der Stadt Dortmund 24 Grund- und vier Förderschulen mit der OGS, der Offenen Ganztagsschule, gestartet. Innerhalb von drei Jahren waren dann schon fast alle Grundschulen dabei. Heute hat Dortmund über 9.000 OGS-Plätze an rund 90 Grundschulen. Damit erhält schon jedes zweite Schulkind einen Platz in einer Offenen Ganztagsschule. Die Entwicklung war sehr rasant. Sie hat die Vereine und den Stadtsportbund damals regelrecht überrannt.

Mathias Grasediek
Mathias Grasediek © Stadtsportbund Dortmund

Wir haben uns aber schnell eingebracht und von Beginn an versucht, die Vereine zu begleiten.

Unsere Mitgliedsvereine in ihrer Arbeit zu unterstützen, ist ja die zentrale Aufgabe des Stadtsportbundes. Die Entwicklungen im Bildungssektor haben auch Konsequenzen für die Vereine. Daher ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, die Vereine auch in dieser Hinsicht so gut wie möglich zu unterstützen.

Online-Redaktion: Wie haben die Vereine reagiert, als Sie Ihr Angebot unterbreiteten?

Grasediek: Die Reaktion der Vereine ist grundsätzlich positiv. Aber ich will nicht verschweigen, dass einige trotzdem Zweifel hegen, ob sie eine Kooperation tatsächlich umsetzen können.

Manche Vereine sehen beispielsweise Probleme, entsprechende Übungsleiterinnen und Übungsleiter zu gewinnen. Viele Übungsleiter sind in den Schulzeiten bereits ausgelastet und möchten diese „Jobs“ nicht gerne aufgeben, wenn ihr Einsatz in der Schule für höchstens ein oder zwei Stunden gefordert wird. Das rechnet sich nicht. Dazu kommt der erhebliche administrative Aufwand. Wir versuchen, durch vorbereitete Kooperationsverträge und Beratung zu den Angeboten im Ganztag Hilfestellung zu leisten.

Online-Redaktion: Helfen dabei die Angebote des Landes Nordrhein-Westfalen?

Grasediek: Vor allem die uns zur Verfügung stehenden Fördermittel des Landessportbundes NRW erleichtern die Unterstützung der Vereine in besonderem Maße. Ohne entsprechende Förderungen wären viele Kooperationen gar nicht möglich. Insbesondere die Fachkraftstellen „NRW bewegt seine Kinder“ sehen wir als sehr wertvoll an.

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für den Schulsport der Stadt Dortmund auch Vorlagen für Kooperationsvereinbarungen entwickelt. Dabei geht es uns um die Absicherung einer systematischen und auf Dauer angelegten Bildungspartnerschaft von Schule und Verein.

Online-Redaktion: Sie bieten Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter im Sport, die im Ganztag tätig sind oder tätig sein wollen. Wie sehen diese konkret aus und wie werden sie angenommen?

Britta Hüning
© Britta Hüning

Grasediek: Gemeinsam mit dem Ausschuss für den Schulsport in der Stadt Dortmund hat der Stadtsportbund 2016 viele Maßnahmen zur Qualifizierung für den Sport in der Ganztagsschule durchgeführt. Die Themen reichen von „Konflikte in den Griff bekommen - Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern“ über „Psychomotorische Förderung durch Bewegung, Spiel und Sport“ bis zu „Tanzen mit Kindern im Sport im Ganztag“. Die Nachfrage ist gut und zeigt, wie wichtig diese Angebote sind.

Online-Redaktion: Wie ergeben sich Kontakte mit den Ganztagsschulen?

Grasediek: Der Kontakt mit den Ganztagsschulen erfolgt in der Regel über Anfragen der Schulen beim Stadtsportbund nach konkreten Bewegungsangeboten und möglichen Kooperationsvereinen. Gleichzeitig gehen wir als Stadtsportbund aber auch auf Schulen zu, von denen wir wissen, dass sie beispielsweise mit kommerziellen Anbietern im Ganztag arbeiten.

Die Vereine haben die Chance, sich bei den Schülern und Schülerinnen bekannt zu machen und sie für ihre Angebote zu begeistern. Der persönliche Kontakt ist dabei sehr wichtig. Im besten Fall können die Vereine langfristig so auch neue Mitglieder gewinnen. Bildung braucht Bewegung, und deshalb können die Vereine mit großem Selbstbewusstsein an die Schulen herantreten. Sie sind die Fachleute für Bewegung und können Kinder und Jugendliche langfristig und nachhaltig für den Sport begeistern.

Online-Redaktion: Welche Vereine tun sich in Dortmund leichter, mit Ganztagsschulen zu kooperieren – die großen Clubs oder eher die Vereine des Breitensports?

Grasediek: Das sind auf jeden Fall eher die Vereine mit breit aufgestellten Sportangeboten, weil sie neben den Wettkampfsportarten auch Angebote im Bereich von Bewegung, Spiel und Sport präsentieren. Sportvereine, die hauptamtliche Strukturen ausweisen, haben es ebenfalls leichter, weil das ganze Engagement in Ganztagsangeboten viel Zeit und sehr gute Strukturen benötigt.

Online-Redaktion: Wird die Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Ganztagsschulen eines Tages Normalität in Dortmund?

Schülerinnen und Schüler in Turnhalle
© Britta Hüning

Grasediek: Die Frage ist für mich, ob es den Ganztag, so wie er jetzt gestaltet ist, auf Dauer geben wird. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Strukturen sind aus meiner Sicht leider eine sehr gute Hausaufgabenbetreuung, ein individuelles Förderangebot oder gar ein differenziertes Bewegungsangebot schwer möglich. Ich sehe immer noch häufig eher ein langes Verweilen in der Schule ohne klare Ziele und Förderschwerpunkte im Nachmittagsbereich. Unsere Sportvereine können mit ihren ehrenamtlichen Strukturen nicht alles auffangen. Dennoch werden wir gemeinsam weiter versuchen, den Kindern ein attraktives und entwicklungsförderndes Bewegungsprogramm im Ganztag anzubieten. Wichtig ist, dass den Kindern insbesondere der Spaß und die Freude an der Bewegung vermittelt werden.

Im Übrigen ist die Zusammenarbeit von Sportvereinen und Schulen bei uns schon Normalität. Der Bildungsauftrag zur Bewegungserziehung bleibt aber klar bei der Schule. Und die Vereine brauchen Unterstützung, damit die Kinder auch in der Schule von ihrem Knowhow profitieren können. Das ist auf jeden Fall das Ziel unserer Arbeit und bleibt im Hinblick auf die rasante Entwicklung der Schulen zu Ganztagsschulen sicherlich weiter eine große Herausforderung.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

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