Klasse in Sport: „Mehr als nur von A nach B rennen“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Bewegung in den Schultag von Ganztagsgrundschulen bringt das Präventions- und Gesundheitsprojekt „Klasse in Sport“ (KiS), zu dessen Partnern die Deutsche Sporthochschule Köln gehört. Knapp 140.000 Kinder profitierten seit 2006 davon.
Das Erfolgsgeheimnis liegt im ganzheitlichen Ansatz. Davon ist Dr. Mathias Bellinghausen überzeugt. Als promovierter Sportwissenschaftler und Geschäftsführer des Vereins legen er und sein Team den Schwerpunkt ihrer Arbeit bewusst auf sehr junge Menschen. „Hier können wir einen Beitrag dazu leisten, dass die Weichen für ein gutes Gesundheitsbewusstsein richtig gestellt werden“, betont er.
Andere sehen das ähnlich. Und so durfte Bellinghausen auf der jüngsten Bildungsmesse didacta eine besondere Ehrung entgegennehmen. IN FORM, Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung, getragen vom Bundesernährungsministerium und vom Bundesgesundheitsministerium, nahm den Verein in den Kreis ihrer Netzwerkpartner auf.
Auch Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth (München 1972), ist von „Klasse in Sport“ angetan. Als eine prominente Botschafterin unterstützt die heutige Trainerin beim TSV Bayer 04 in Leverkusen die Initiative und glaubt: „In meiner täglichen Arbeit sehe ich oft, dass der Grundschulsport nicht die Bedeutung findet, die ihm eigentlich aus pädagogischer Sicht, aus dem Blickwinkel Gesundheitsförderung und auch aus Gründen positiver Entwicklungen im Sozialverhalten zusteht. Deshalb liegt mir “Klasse in Sport” sehr am Herzen und ich werbe dafür, dass auf dem Stundenplan unserer Kinder in den Schulen möglichst an jedem Tag auch Sport steht. Sport besitzt unbestritten eine elementare Funktion im Bildungsbereich.“
Fortbildung und viele Materialien
„Klasse in Sport“ geht es um weit mehr als um einen gesicherten Sportunterricht. „Schulsport ist die erste Station, um Kinder zum Sport zu motivieren und ihnen Spaß an Bewegung zu vermitteln“, sagt Projektmitarbeiterin Sandra Buszello, auch sie Sportwissenschaftlerin. Sie fügt hinzu: „Unser Ziel ist es aber, Bewegung im gesamten Schultag zu etablieren. Ganztagsschulen bieten dazu den nahezu perfekten Rahmen.“
Schulen, die am Projekt beteiligt werden können, wissen das zu schätzen. Sie genießen eine intensive Fortbildung, in der Ernährungsfragen ebenso auf der Tagesordnung stehen wie die Gestaltung von Pausensport-Angeboten. Sandra Buszello: „Sport ist mehr als nur von A nach B zu rennen. Sport heißt soziales Lernen, Gemeinschaft erleben, Gesundheitsfragen in den Fokus zu rücken.“
Sie erwähnt einen zusätzlichen Aspekt: „Sport wird gerade an Grundschulen häufig fachfremd unterrichtet. Diese Lehrkräfte profitieren besonders von unseren Angeboten.“ Dazu zählen Handreichungen, Bücher, Broschüren sowie Sport- und Spielmaterialien, die es erleichtern, Bewegung und Gesundheit im Unterricht und in Arbeitsgemeinschaften oder in der Pause zu integrieren. Zudem erhalten die Schulen pro Halbjahr 1.500 Euro. Diese können für den Kauf zusätzlich erforderlicher Materialien oder auch für die Bezahlung externer Übungsleiter genutzt werden.
„Sport kann eine ganze Menge bewegen“, sind Buszello und Bellinghausen überzeugt. So fördert „Klasse in Sport“ aktiv die Inklusion, unterstützt Trauerbewältigung durch Bewegung, unterstützt die Sprachförderung und steigert die Konzentrationsfähigkeit der Grundschülerinnen und -schüler.
Große Zustimmung
Beteiligte Schulen bestätigen ihre Einschätzung. „Für unsere Schüler hier in den schwierigen Stadtteilen ist KiS etwas ganz Besonderes. Wir freuen uns schon wieder auf die tollen Turniere“, sagt etwa Katharina Jakob, Sportlehrerin an der Berliner Grundschule am Insulaner. Ihr Kollege Jan Timmermann ist Ganztagskoordinator an der teilgebundenen Ganztagsschule „An den Teichwiesen“ in Hamburg. Er ist überzeugt: „Was KiS ausmacht: Unkomplizierte und perfekt organisierte Durchführung, fachlich top und innovativ und am Ende ist alles ganzheitlich. Dabei ist alles sehr gelungen und ermöglicht uns einen Sportunterricht, an dem alle Spaß haben.“
Für Mathias Bellinghausen stellen die Lehrkräfte die entscheidenden Multiplikatoren dar. „Wenn wir sie für das Projekt, für die am Nutzen orientierten Materialien, Sport, Bewegung und Gesundheit begeistern können, ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan“, weiß er. Dann gelinge es, das Gesundheitsbewusstsein der Kinder, aber auch ihrer Eltern zu fördern und dem Risiko von Bewegungsarmut früh und effektiv entgegenzuwirken.
Das Ziel möchten bundesweit viele Schulen gemeinsam mit „Klasse in Sport“ anstreben. Die Warteliste ist beachtlich. Sie unterstreicht den Bedarf ebenso wie die Befragung beteiligter Schulen und Lehrkräfte im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluation durch die Sporthochschule Köln. Über 90 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer bewerten KiS sowie Fortbildungen und Materialien als „sehr gut“ oder „gut“ und alle möchten das Projekt fortsetzen.
Mehr als zwei Drittel erkennen positive Effekte im Kollegium, bei Kindern und Eltern unter anderem in Bezug auf das Sozialverhalten und das Schulklima, das Interesse an Inklusion und integrativen Themen, auf Sport, Bewegung und Ernährung. Doch der Verein kann nur so viele Projektpartner aufnehmen, wie es der Spenden- und Fördertopf hergibt. Sandra Buszello: „Wir freuen uns natürlich über die Unterstützung großer Unternehmen, sind aber ebenso offen, wenn jemand kommt und seine Bereitschaft erklärt, einer speziellen Grundschule die Teilnahme ermöglichen zu wollen.“
Wissenschaftlich nachgewiesene Effekte
Der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Josef Sanktjohanser schwärmt regelrecht: „Ich kenne kein Schulprojekt in Deutschland, das Tag für Tag so viele Schulkinder in Bewegung bringt. Lehrer von KiS-Grundschulen berichten regelmäßig von deutlichen Fortschritten ihrer Schülerinnen und Schüler bei Konzentration, Lernmotivation und Leistungsfähigkeit.“ Das Projekt erziele mit überschaubarem finanziellen Einsatz eine „fast sensationelle Qualitätsoptimierung“. Aus seiner Sicht müsste man die Schulsportinitiative ausdehnen.
Dafür stehen auch Sport-Paten wie Handball-Weltmeister und Bundestrainer Heiner Brand oder die Fußball-Legenden Felix Magath und Toni Schumacher, Hockey-Bundestrainer Markus Weise, der ehemalige Rektor der Sporthochschule Köln, Prof. Dr. Walter Tokarski, der „Fußballverrückte“ Reiner Calmund und TV-Kommentator Heribert Fassbender, die als Projekt-Botschafter und im Beirat aktiv sind.
Die wissenschaftlich nachgewiesenen Effekte von „Klasse in Sport“ liefern weitere Argumente. Zwei Längsschnittstudien (2006 bis 2009 sowie 2012 bis 2014) mit Kontrollgruppen belegten, dass sich die beteiligten Kinder in allen sportmotorischen und konditionellen Bereichen verbessern, ihre kognitive Leistungsfähigkeit, ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstsicherheit steigern. Sie stärken ihr Herz-Kreislauf-System. Der Anteil der Übergewichtigen wird reduziert. Und sie bekommen eine positive Einstellung zu einem aktiven Lebensstil in allen Bereichen.
„Wenn wir uns diese belegbaren Fakten und Entwicklungen vor Augen halten, wissen wir, warum wir uns so engagieren. Zumal wir immer wieder hören, dass sich die Haltung einer ganzen Schule gegenüber Bewegung, Ernährung und Lebenswandel nachhaltig verändert, wenn sie einmal am Projekt beteiligt war“, strahlt Mathias Bellinghausen. Spricht es und macht sich auf den Weg zu seinem nächsten Vortrag. Thema? Na klar: Bewegung und Gesundheit.
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