Handball in Bremen: Ganztags in Gemeinschaft : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Handballer wie Juri Knorr oder Andy Wolff begeisterten bei der WM im Januar wieder Kinder und Jugendliche. Martina Schoof und Tim Schulenberg vom Bremer Handballverband bringen ihre Sportart in Ganztagsschulen.
Online-Redaktion: Dank der jüngsten Handball-Weltmeisterschaft im Januar reitet der Handball in Deutschland aktuell wieder einmal auf einer Sympathiewelle. Eine Chance für den Bremer Handballverband?
Martina Schoof: Die WM hat Begeisterung und einen kleinen Hype ausgelöst. Das spüren wir und unsere Vereine. Natürlich möchten wir das nutzen. Vorbilder und Idole helfen uns immer. Junge, coole Spieler wie Juri Knorr oder Torwart Andy Wolff taugen dazu, und manche Jugendliche möchten ihnen nacheifern. Darum ist aktuell wieder ein besonders guter Moment, auf Ganztagsschulen zuzugehen, sich zu bemühen, Kooperationen zu vereinbaren. Wie sagt man so schön: Eisen soll man schmieden solange sie heiß sind.
Im vorigen Jahr hat sich unser Bremer Verband dem Handballverband Niedersachsen-Bremen angeschlossen. Damit haben wir noch ein breiteres Aktionsfeld.
Online-Redaktion: Nun beginnen Sie aber nicht bei Null ...
Schoof: Richtig. Wir haben schon vor fast anderthalb Jahrzehnten die Ganztagsschulen als Chance gesehen und motivieren unsere Vereine, sich dort einzubringen. Unsere Mini-Meisterschaft in den Grundschulen, die gerade erst wieder durchgeführt worden ist, ist so ein Weg auf die Schule zu. Doch ich sage auch: Es geht nicht nur darum, Mitglieder zu gewinnen. Es ist wunderbar, wenn das gelingt. Aber wir möchten unseren Beitrag dazu leisten, dass Kinder und Jugendliche Freude an der Bewegung finden. Im Übrigen ist der Moment auch günstig: Auf Initiative des Deutschen Olympischen Sportbundes werden 150.000 Gutscheine für die Mitgliedschaft in Vereinen werden derzeit zur Verfügung gestellt. Das soll den Vereinen den Re-Start nach Corona erleichtern.
Online-Redaktion: Welchen Zugang finden die Vereine in Ganztagsschulen?
Schoof: Wir haben viele Aktionen kreiert. Dazu gehörte 2022 zum Beispiel unser Grundschulaktionstag in Bremen und Niedersachsen mit dem finalen „Star-Training“. Alle 266 Schulen, die in Kooperation mit einem Verein diesen Aktionstag durchgeführt haben, konnten sich für das „Star-Training“ bewerben. Handballgrößen wie der frühere Nationaltorhüter Johannes „Jogi“ Bitter leiteten an der Gewinnerschule für einen Vormittag das „Star-Training“. Wir hoffen, dass diese Aktion künftig auch wieder ermöglicht wird.
Die „Spiel mit!-Tour“ ist eine Aktion des Handballverband Niedersachsen-Bremen zum 75-jährigen Verbandsjubiläum. Nach dem Riesenerfolg mit über 300 Anmeldungen von Grundschulen in 2022 wurde diese Aktion gerade erneut für 2023 ausgeschrieben. Hauptamtliche, Ehrenamtliche und FSJler aus Verband und Regionen trainieren mit den Kindern der Grundschulen an verschiedenen Bewegungsstationen, sowohl in als auch außerhalb der Halle.
Viel Aufmerksamkeit löst auch der sogenannte Trikot-Tag unter dem Motto „Dein Trikot wartet auf dich“ aus. Per Flyer werben wir dafür, dass Schülerinnen und Schüler, die bereits in einem Verein Handball spielen, an einem bestimmten Tag mit ihrem Trikot in die Schule kommen. Das macht die anderen neugierig, sie sprechen die Sportlerinnen und Sportlern an und manch einer möchte dann auch einmal Handballluft schnuppern.
Online-Redaktion: Gibt es auch Handball-Arbeitsgemeinschaften in Ganztagsschulen?
Schoof: Durchaus. Aber wir sehen, dass es schwieriger ist als beispielsweise beim Fußball. Es ist schon hilfreich, wenn in der Schule Handball-affine Lehrkräfte existieren. Sie freuen sich über die Trainerinnen und Trainern von Vereins-Jugendmannschaften, wenn diese nachmittags eine AG anbieten. Dazu wiederum bedarf es auf Seiten der Vereine motivierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter, die diese Aufgabe übernehmen. Um den Einstieg in eine Handball-AG oder die Integration in den Sportunterricht zu erleichtern, werden dem Lehrpersonal, insbesondere den Sportlehrkräften, zahlreiche Hilfsmittel zur Unterrichtsgestaltung an die Hand gegeben. Praxisorientierte Informationen bieten wir als Broschüre an. Digital können diverse Ideensammlungen abgerufen werden.
Online-Redaktion: Herr Schulenberg, Sie sind Lehrer an der sportbetonten Oberschule Ronzelenstraße, einer Eliteschule des Sports, und selbst Trainer. Welche Möglichkeiten eröffnen sich an weiterführenden Schulen?
Tim Schulenberg: In Ganztagsschulen können Vereine sehr gut Sportangebote platzieren, die sonst in den Vereinen stattgefunden haben, beispielsweise auch am frühen Nachmittag. Unser Handballverband hat in Kooperation mit der Bildungsbehörde und dem Bürgerzentrum Vahr im vergangenen Jahr das Projekt „Bremer Sporttalente“ auf die Beine gestellt. Unsere Kaderathletinnen und -athleten, die in der Oberschule an der Ronzelenstraße, gefördert werden, bieten Arbeitsgemeinschaften an Schulen in ärmeren Stadtteilen an.
Wie der Titel des Projekts schon sagt, sollen damit Talente und auch Vereinsmitglieder gefunden werden. Das übergeordnete Ziel ist, Kindern und Jugendlichen, deren Familien es sich sonst eventuell nicht leisten können, die Teilhabe am sportlichen Gesellschaftsleben zu ermöglichen und damit Chancen, ihre Talente zu entfalten. In der Projektbeschreibung haben wir deswegen festgehalten, dass diese AGs als freiwilliger, zusätzlicher Schulbetrieb eingegliedert werden und die Kinder und Jugendlichen eine Reihe von Sportarten kennenlernen und für sich selbst entdecken können. Es geht also nicht nur um den Handball.
Online-Redaktion: Sie beginnen aber durchaus schon bei der Talentsuche in Grundschulen?
Ja, bereits in der dritten Klasse werden Patenschaften aufgebaut. Die Zehntklässlerinnen und Zehntklässler aus der Oberschule an der Ronzelenstraße besuchen mit Unterstützung unserer Coaches die Bewegungs-AGs und stellen ihre Sportarten vor. Sie beantworten Fragen der Kinder und führen mit ihnen eine Unterrichtsstunde durch. Unsere Intention ist dabei, dass schon die Jüngeren in der Bewegungs-AG neue Sportarten, aber auch Vorbilder für sich entdecken können, die ihre Neugier und Motivation wecken.
Online-Redaktion: Wie kann die Verbindung zwischen Ganztagsschulen und Handballvereinen gestärkt werden?
Schulenberg: Martina Schoof hat auf die Bedeutung von Handball-affinen Lehrerinnen und Lehrern hingewiesen. Deshalb bieten wir ab diesem Jahr auf Initiative des Deutschen Handballbundes gemeinsam mit dem Landesinstitut für Schule in Bremen eine kostenfreie und nur wenige Nachmittage in Anspruch nehmende Fortbildung an. Wir möchten einen guten Blick auf unsere Sportart ermöglichen, zeigen seine Vorzüge auf und vermitteln altersadäquate Übungen. Manche Sportlehrerinnen und -lehrer schrecken davor zurück, weil sie im Fernsehen das körperbetonte Spiel erleben. Oft wird vergessen, dass Handball wichtige motorische und koordinative Fertigkeiten fördert, angefangen beim Fangen eines Balls. Da hat sich der Handball im Bereich Kinder und Jugendliche sehr verändert. So sind die Bälle weicher und damit griffiger gemacht worden.
Online-Redaktion: Wo sehen Sie weitere Effekte des Handballsports?
Schoof: Bei der WM haben wir es doch alle im Fernsehen gesehen: Es geht darum, den Kindern Teamgeist und Fairness nahezubringen. Nehmen Sie doch nur das Abklatschen der Spieler und der Mannschaften zu Beginn des Spiels, obwohl die Uhr schon läuft. Auch wenn es dann im Spiel nicht zimperlich zugeht, schütteln sich hinterher alle die Hände. Und alle erleben: Alleine erreichst du gar nichts – du benötigst die Gemeinschaft.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
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