"Ganztagsschulen wollen Kooperation mit dem Sport" : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

BeSS-Servicestellen unterstützen in Niedersachsen die Kooperation von Sportvereinen und Ganztagsschulen. Cornelia Bockhop-Lohmeier leitet die Servicestelle im KSB Diepholz.

Um Qualität und die Quantität der Kooperation von Ganztagsschulen und Sportvereinen zu verbessern, haben der LandesSportbund und die Sportjugend Niedersachsen im Januar 2015 ein Netz von „Servicestellen für Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote in Schulen, Kindertagesstätten und Sportvereinen", kurz: BeSS-Servicestellen, eingerichtet. Die Servicestellen sollen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Übungsleitende, Vereinsvorstände, Schul- und Kita-Leitungen sein, Qualifizierungsmaßnahmen, aber auch Bewegungs-Aktionstage initiieren, fördern und begleiten.

Online-Redaktion: Was gab beim Kreissportbund Diepholz den Ausschlag für die Gründung einer BeSS-Servicestelle?

Cornelia Bockhop-Lohmeier: Seit 2002 gehöre ich dem Vorstand des KSB Diepholz in verschiedenen Funktionen an. Mein Hauptaugenmerk lag immer auf der Beobachtung von Veränderungen und darauf, wie wir als KSB darauf reagieren können. Als Bildungsreferentin bin ich 2012 auf die damaligen Koordinierungsstellen „Sportverein und Ganztagsschule“ aufmerksam geworden. Eine solche Stelle hat auch der KSB Diepholz eingerichtet und mit mir besetzt.

Der Landessportbund hat dann 2015 diese Stellen umbenannt und auch deren Aufgabenfelder verändert und erweitert. Vorrangig geht es darum, besser informiert zu sein, den Vereinen direkte Hilfen geben zu können, eine Vernetzung mit den Kreis- und Stadtsportbünden in Niedersachsen zum Thema Ganztag herzustellen und als Ansprechpartner für Kommunen und Schulen wahrgenommen zu werden.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielen der stetige Ausbau der Ganztagsschulen und die damit einhergehende Notwendigkeit von Kooperationen?

Bockhop-Lohmeier: Die Ganztagsschulen im Kreis Diepholz sind mehrheitlich ungebunden. Das bedeutet, es nehmen nicht alle Kinder jeden Tag am Ganztag teil. Das lässt manchem hier im ländlichen Raum die Kooperation noch gar nicht so notwendig erscheinen. Dennoch versuche ich den Vereinen klar zu machen, dass die Kooperation ein Gewinn ist. Kooperation bedeutet, im Gespräch mit Schulen zu sein, um Wege und Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Schulen und der Lebenswelt von Kindern zu eröffnen.

Kooperationen nutzen vielleicht nicht direkt dem eigenen Verein, aber doch der Sache, nämlich ein Miteinander der Institutionen für ein gutes Angebot zu schaffen. Langfristig werden gebundene Ganztagsschulen dazu führen, dass alle Kinder in einer Kommune an drei oder sogar vier Tagen bis 15.30 Uhr in der Schule sind und dann, den Rückweg eingerechnet, frühestens um 17 Uhr in den Vereinsbetrieb einsteigen könnten. Die Kinder haben dann einen harten Arbeitstag hinter sich, und nicht unbedingt auf Hochleistung orientierte Jungsportler werden es dann möglicherweise nicht mehr zu unseren Sportangeboten schaffen.

Darum sollten Sportvereine die Kooperation mit Schulen als Chance für die Zukunft begreifen. Denn es tummeln sich im Freizeitsegment jede Menge Anbieter, die mittlerweile erkannt haben, dass gerade Bewegungsangebote Kinder und Jugendliche anziehen, und die diese im Ganztag auch gezielt anbieten. Sport als Angebot ist nicht mehr Alleinstellungsmerkmal unserer 231 Sportvereine.

Online-Redaktion: Was bieten Sie den Vereinen an?

Bockhop-Lohmeier: Die BeSS-Servicestelle kann Unterstützung, Beratung und Begleitung bieten. Im vergangenen Jahr sind Fortbildungen, die Erarbeitung von Konzepten, Beteiligung und die Ausrichtung von Sportfesten die Schwerpunkte gewesen. Die Erarbeitung eines Erstklässler-Flyers, in dem die Vereine direkt für ihre Sportangebote werben können, führt der KSB Diepholz gerade jetzt in die zweite Runde.

Im vergangenen Jahr konnten 40 Vereine für dieses Projekt gewonnen werden. Allerdings ist das Interesse der Schulen und Koordinatoren der Kommunen an einer Zusammenarbeit mit der Servicestelle weitaus größer als das der Sportvereine. Auf Seiten der Schulen besteht ganz klar der Wunsch nach Zusammenarbeit.

Online-Redaktion: Wo benötigen die Vereine am meisten Unterstützung?

Bockhop-Lohmeier: Alle Kreis- und Stadtsportbünde und ihre Vereine sind in ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen unterschiedlich. Viele Vereine, die ich mit der Servicestelle betreue, können den Kooperationswünschen der Schulen nicht nachkommen, weil ihnen Übungsleiterinnen und Übungsleiter oder verlässliche Betreuer fehlen. Die Zusammenarbeit und die Nutzung von Ressourcen zu unterstützen, sind ebenfalls ein Schwerpunkt der Servicestelle.

Cornelia Bockhop-Lohmeier
Fortbildung für Pädagogische Mitarbeiter und ÜL im AG Betrieb © Cornelia Bockhop-Lohmeier

Online-Redaktion: Gibt es bereits konkrete Erfahrungen aus Kooperationen von Vereinen und Ganztagsschulen?

Bockhop-Lohmeier: Erfahrungen werden ja häufig nur dann zur Sprache gebracht, wenn etwas nicht läuft. Aber in den Gesprächen jeweils vor den Sommerferien zu denen einzelne Schulen auch mich dazu gebeten haben, ist zumeist von positiven Erfahrungen die Rede. Die Schulen sehen in der Zusammenarbeit mit allen Vereinen eine Chance, sie sehen aber auch, dass vor allem qualifizierte Übungsleiterinnen und -leiter eine pädagogische Hilfe sind.

Die Vereine resümieren, dass es meist keine nennenswerten Mitgliedssteigerungen gibt. Die Übungsleiterinnen und -leiter selber ziehen ganz unterschiedliche Bilanzen. Die Mehrzahl ist zufrieden und führt ihr Angebot weiter. Der gravierendste Unterschied zwischen Vereinsarbeit und der Durchführung einer Arbeitsgemeinschaft in der Schule ist die Freiwilligkeit der Teilnahme: In den Verein kommen die Jugendlichen freiwillig, weil sie Sport treiben wollen, in den AGs ist das nicht immer so, vor allem in den weiterführenden Schulen. Hier braucht es vermehrt Fortbildungsangebote, um die Übungsleiterinnen und -leiter besonders auf die Anforderungen in den Schulen vorzubereiten.

Online-Redaktion: Wo sehen Sie die größten Hürden für Kooperationen und wie können sie überwunden werden?

Bockhop-Lohmeier: Ich denke, das sind die Angst vor großem bürokratischem Aufwand und mitunter zu wenig individuelle Informationen. Die Zeit wird zeigen, welche Möglichkeiten gerade die BeSS-Servicestelle hat. Natürlich kann ich keine Vereinsmitarbeiter aus dem Hut zaubern. Aber ich kann versuchen, einen anderen Blickwinkel zu ermöglichen. Ich versuche gemeinsam mit den anderen hauptamtlichen Kräften des KSB nicht, fertige Lösungen oder Patentrezepte zu präsentieren, sondern Ansätze zu unterstützen. Und auf jeden Fall bieten wir konkrete Hilfen bei der Abwicklung der notwendigen Papierarbeit.

Da sowohl der hauptamtliche Sportreferent als auch ich selber Erfahrungen in Arbeitsgemeinschaften gesammelt haben, können wir durchaus schon einmal Vorurteile und Zweifel am Sinn von Kooperationen abbauen oder zerstreuen. Konkret kann die BeSS-Servicestelle helfen, mehr Kooperationen zu initiieren oder zumindest gemeinsame Aktionen wie Workshops, Sportfeste, Sportabzeichen-Tage und dergleichen, die dann in Kooperationen münden können. Der entscheidende Baustein ist aber Kommunikation. Es muss offen über die jeweils vorhandenen Probleme gesprochen werden. Und beide Seiten müssen sich als Partner sehen, nicht als Konkurrenten.

Online-Redaktion: Untersuchungen belegen, dass Vereine, die mit Ganztagsschulen kooperieren, zum Teil sogar Mitgliederzuwächse verzeichnen.

Bockhop-Lohmeier: Ja, es gibt Mitgliedszuwächse, nicht immer von Kindern und Jugendlichen selber, sondern auch indirekte durch Eltern oder Großeltern. Übungsleiter und Trainer, die Neuzugänge oft befragen, wie sie auf das Vereinsangebot aufmerksam geworden sind, haben das bestätigt. Überwiegend sehen die Vereine im KSB Diepholz derzeit weder einen rapiden Mitgliederschwund durch die Ganztagsschulen noch einen vermehrten Zulauf, wenn sie sich dort engagieren.

Online-Redaktion: Und wie reagieren die Ganztagsschulen auf Ihr Engagement?

Bockhop-Lohmeier: Die Ganztagsschulen und die zwei kommunalen Koordinatoren sehen das Engagement durchweg positiv. Auch die Verantwortlichen für den Schulsport gehen davon aus, dass ein Ansprechpartner statt vieler eine Zusammenarbeit erleichtert. Wenn gerade bei Verfahrensfragen eine Anfrage an die BeSS-Servicestelle reicht und das auch noch zu regulären Arbeitszeiten, erleichtert dies die Kommunikation für alle Seiten maßgeblich.

Online-Redaktion: Welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr?

Bockhop-Lohmeier: Es ist noch viel Luft nach oben. Viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind noch ungenutzt und bleiben im Ordner für Zukunftsaufgaben. Die geplanten und durchgeführten Maßnahmen waren sehr befriedigend und haben zukunftsorientierte Ergebnisse gebracht. Die Servicestelle kann eine echte Chance sein, um Landessportbund, Kreissportbund und Vereine zielorientiert zu vernetzen.

 

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