Ganztag und Skisport: „Auf die Plätze, fertig... Ski!“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Der Deutsche Skiverband unterstützt die Kooperation von Schulen mit Sportvereinen und will Kinder und Jugendliche für den Wintersport begeistern. Thomas Braun vom Vorstand Sportentwicklung und Bildung des Verbandes im Interview.

Thomas Braun
Thomas Braun © DSV

Online-Redaktion: Herr Braun, wann hat der Deutsche Skiverband sein Herz für Schulen und Ganztagsschulen entdeckt?

Thomas Braun: Oh, das ist schon eine lange Beziehung. Bereits in den 1990er Jahren haben wir erkannt, dass der Kooperation mit Schulen ein ganz wichtiger strategischer Aspekt zukommt. Vor nunmehr 15 Jahren haben wir gemeinsam mit dem Bayerischen Skiverband das Projekt „Partnerschulen des Wintersports“ aufgelegt. Darin arbeiten wir gemeinsam mit dem Land Bayern sehr eng mit Schulen zusammen. Diese Partnerschulen ermöglichen es, individuelle Trainingszeiten anzubieten, das heißt, an zwei Vormittagen der Woche trainieren talentierte Schülerinnen und Schüler, am Nachmittag steht regulärer Unterricht auf ihrer Tagesordnung.

Online-Redaktion: Ein Modell, das in dieser Form sicher eher auf Regionen mit traditionell mehr Schnee zugeschnitten sein dürfte…

Braun: Ja, wir benötigen für die Förderung von Talenten natürlich auch Schnee und die Möglichkeit, draußen zu trainieren. Daher sind für den Skiverband die schneenahen Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen von besonderer Bedeutung. Aber Sie dürfen sicher sein, dass wir Talente, die wir in Regionen ohne viel Schnee entdecken, auch in den Schnee bringen. Denken Sie etwa einmal an Katja Seizinger. Ihr Skiclub war zwar der SC Halblech im Ostallgäu. Aber geboren wurde die dreifache Olympiasiegerin in Datteln, also Nordrhein-Westfalen.

Online-Redaktion: Wie finden Sie solche Talente?

Braun: Kinder, die für diese Förderung infrage kommen, suchen wir unter anderem in Absprache mit den Schulen. In den Partnerschulen gibt es in enger Zusammenarbeit mit den Vereinen eine Art Aufnahmeprüfung. Da wird geschaut, welche konditionellen und koordinativen Fertigkeiten ein Kind mitbringt. Oft spielt aber auch der Zufall eine Rolle, Eltern, die meinen, ein Talent entdeckt zu haben, oder ein Sportlehrer, der dazu rät, es einmal mit Wintersport zu probieren. Und manchmal fällt ein Talent einfach auch in der Vereinsskischule, in der Skischule im Urlaub mit der Familie oder bei einer Schulskifahrt ins Auge.

Gruppe beim Aufwärmen
© SIS/ Michael Mayer

Online-Redaktion: Was tut der Deutsche Skiverband dafür, dass sich junge Menschen für Skisport mit all seinen Facetten interessieren?

Braun: Wir möchten die Zusammenarbeit mit Schulen generell nutzen, um bei Schülerinnen und Schülern einerseits Interesse für unseren Sport zu wecken, sie für seine Vielseitigkeit zu begeistern und andererseits natürlich neue Mitglieder für unsere Vereine zu gewinnen. Zugleich aber wollen wir Kinder und Jugendliche in Bewegung setzen und eine Alternative zu Freizeitangeboten, die weniger bewegungsfreudig sind, anbieten.

Es wird neuer Strukturen bedürfen, die es Talenten ermöglichen, Schule und Sport so zu vereinbaren, dass sie optimal gefördert werden können. Vor dieser besonderen Herausforderung stehen wir. Wintersportarten sind besonders aufwändig, da wir sie nicht in der Schulturnhalle ausüben können. Auf der anderen Seite macht gerade die Bewegung in der freien Natur die Faszination unseres Sports aus.

Online-Redaktion: Die Eliteschulen des Wintersports nehmen als weiterführende Schulen eher ältere Schülerinnen und Schüler auf. Müsste deren Förderung nicht deutlich früher beginnen?

Braun:
Wir haben in Oberwiesental auch Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse. In Berchtesgaden und Oberstdorf  zentralisieren wir ab dem Alter von 14 Jahren, je nach individuellen Voraussetzungen. Für die jüngeren Jahrgänge benötigen wir aber regionale Lösungen. Im Skisport haben wir meines Wissens keine sportartspezifischen Kooperationen mit Sportkindergärten und Sportgrundschulen, in denen gezielt der Skisport gefördert wird.

Online-Redaktion: Was geschieht da bislang?

Braun: Mit den DSV-Kooperationen „Schule & Verein“ beziehungsweise „Kindergarten & Verein“ haben wir zwei ganzheitliche, disziplinübergreifende und ganzjährige Konzepte, die eine Zusammenarbeit mit Vereinen in der Region stärken. Ziel ist es, Kinder für den Spaß an der Bewegung zu begeistern und sie mit einem regelmäßigen Angebot an den organisierten Schneesport heranzuführen.

Online-Redaktion: Nehmen wir einmal an, eine Schule aus dem mit Schnee nicht so gesegneten Nordrhein-Westfalen möchte das Thema Ski vertiefen. Was können Sie anbieten?

Gruppe trägt Skier
© SIS/ Michael Mayer

Braun: Das muss natürlich konkret zwischen den Vereinen vor Ort und der jeweiligen Schule abgestimmt werden. Aber ich kann mir vorstellen, dass ein lokaler Kooperationspartner im Ganztagsangebot die körperlichen Voraussetzungen fördert und zugleich Möglichkeiten schafft, am Wochenende und in den Ferien mit den Schülerinnen und Schülern in den Schnee zu fahren.

Online-Redaktion: Schwingt in Ihrer Antwort ein Aber mit?

Braun: Ja. Denn wir haben im Skisport ein strukturelles Problem. Im Tennis beispielsweise arbeiten häufig hauptberufliche Trainer. Die können problemlos morgens Seniorinnen und Senioren trainieren und nachmittags Schülerinnen und Schüler. Damit können sie auch ihren Lebensunterhalt sichern. Unsere Vereine aber sind zumeist ehrenamtlich organisiert. Da fällt es deutlich schwerer, Übungsleiterinnen und -leiter zu finden, die so flexibel sind, dass sie während der Unterrichts- und Schulzeiten einsatzbar sind.

Online-Redaktion: Könnte eine Qualifizierung von Sportlehrerinnen und Sportlehrern eine Lösung darstellen?

Braun: Das ist sicher ein Weg, um Kinder in Bewegung zu setzen. Und dafür bieten wir auch schon etwas an. Bei der Talentsichtung bringt uns das jedoch noch nicht weiter. Die Wintersportdisziplinen sind so komplex, erfordern so viele unterschiedliche Fähig- und Fertigkeiten, dass die Einschätzung der Leistungsfähigkeit nur von unseren Expertinnen und Experten vorgenommen werden kann.

Online-Redaktion: Was bieten Sie für Sportlehrerinnen und Sportlehrer an?

Braun: In vielen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen, aber auch in Berlin oder Nordrhein-Westfalen können Lehramtsstudierende im Rahmen ihres Studiums einen Schwerpunkt Skisport wählen. Wenn sie das tun und die Ausbildung mit mindestens der Note 2,5 abschließen, erhalten sie automatisch auch die Qualifizierung zum Übungsleiter C. Damit können sie in der Regel Schulskifahrten als Skilehrkräfte begleiten oder auch in Vereinsskischulen tätig werden. In Fortbildungen unseres Verbandes können sie dann den Schein wie erforderlich alle zwei Jahre verlängern. Sie bleiben also auf dem Stand der Dinge und können dieses Wissen auch in ihrer Schularbeit nutzen.

Online-Redaktion: An wen richtet sich das Projekt „Auf die Plätze, fertig... Ski!“, und was bietet es?

Schülerinnen und Schüler beim Skisport
© SIS/ Michael Mayer

Braun: Unser Nachwuchsprojekt vereint verschiedene Projekte, die alle ein Ziel haben: Kinder und Jugendliche für den Skisport begeistern und Talente entdecken. Von den Unterstützungsmöglichkeiten profitieren hauptsächlich unsere Vereine und Landesskiverbände für ihre Aktionen und Veranstaltungen im Bereich der Nachwuchsgewinnung.

Online-Redaktion: Geht die Entwicklung bei den Kooperationen eher Richtung traditioneller Skisportarten oder doch Richtung Trendsportarten?

Braun: Das Klassische, sprich Alpine, steht bei uns nach wie vor im Vordergrund. Insgesamt boomt auch der Langlauf, der wird von Schülerinnen und Schülern aber weniger angenommen. Das spüren wir auch bei den Schulskifahrten. Trendsportarten wie zum Beispiel Slopestyle kommen erst dann zum Tragen, wenn die Kinder Ski fahren können und wenn die entsprechenden Parks zur Verfügung stehen.

Online-Redaktion: Wie könnte das Miteinander von Skisport und Ganztagsschulen eines Tages aussehen?

Braun: Meine Vision wäre, dass an einigen ausgewählten Schulen zwei Vormittage dem Sport gewidmet sind – gerne nicht nur dem Skisport. Gleichzeitig könnten Sportvereine in dieser Zeit Bewegungsangebote unterbreiten. So würden wir es vielleicht schaffen, dass sich 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler mehr bewegen und 30 Prozent als Talente entdeckt und gefördert werden.

Man könnte diese Vormittage auch für Sport und Kultur reservieren. Dann stünde beides gleichwertig nebeneinander, und der Sport würde auch als Bildungsangebot stärker anerkannt.

Zur Person: Thomas Braun gehört seit 2017 zum Vorstand des Deutschen Skiverbandes und zeichnet für den Bereich „Sportentwicklung und Bildung" verantwortlich. Darunter fallen unter anderem die Projekte zur Nachwuchsgewinnung und Talentfindung sowie die Ausbildungen zum Skilehrer und Trainer im Leistungssport. Seine langjährige Erfahrung als Trainer bringt er in die Trainerausbildung Ski Alpin ein und ist zudem Vizepräsident von INTERSKI DEUTSCHLAND.

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