DLRG in der Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Spätestens im Sommer sind die Themen Schwimmen und Baderegeln wieder ganz aktuell. Wie wichtig es ist, dass Kinder schwimmen können, erläutert Achim Wiese von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Interview.

Rettungsschwimmerin
„Unser Markenkern ist, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren.“ © DLRG

Online-Redaktion: Herr Wiese, haben Sie schon einmal jemanden aus dem Wasser gerettet?

Achim Wiese: Ja, zum Beispiel in der Ostsee, als ich 16 Jahre alt war. Ich bin seit 1966 Mitglied der DLRG, mein Vater hatte mich seinerzeit in Hamburg angemeldet, und bin seit 1970 ehrenamtlich im Verein tätig. Ich habe dort alles gemacht: Ausbilder, Rettungsschwimmer, Bootsführer, Lehrscheininhaber und Wasserrettungsdienst an der Küste.

Online-Redaktion: Wie ist die DLRG heute aufgestellt?

Wiese: Mittlerweile haben wir 1,8 Millionen Mitglieder und Förderer. Unser Markenkern ist, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Dazu sind die Kernaufgaben Aufklärung, Ausbildung und Einsatz, wozu auch Katastrophenschutz gehört. Grundsätzlich arbeitet die DLRG ehrenamtlich. Es gibt bundesweit nur 200 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon der größte Teil in der Bundesgeschäftsstelle hier in Bad Nenndorf.

Online-Redaktion: Ein wichtiger Baustein ist aber, Kindern das Schwimmen überhaupt erst einmal beizubringen...

Wiese: Das ist die Basis aller unserer Tätigkeiten. Die Schwimmausbildung bei Kindern sollte ab fünf Jahren beginnen. Im Laufe der Jahrzehnte haben wir festgestellt, dass das ein guter Zeitpunkt ist, weil die Kinder ab da in der Lage sind, motorisch alles zu koordinieren.

Online-Redaktion: Die Kinder können bei Ihnen die verschiedenen Schwimmabzeichen erwerben, angefangen beim Seepferdchen...

Wiese: Halt, das Seepferdchen ist kein Schwimmabzeichen! Da muss ich sehr deutlich drauf hinweisen, denn viele Eltern fühlen sich da oft in einer Sicherheit, die gar nicht gegeben ist. Mit dem Seepferdchen kann das Kind noch nicht sicher schwimmen. Es hat lediglich die Wassergewöhnung erfolgreich bestanden, kann also mit dem Element Wasser umgehen und hat keine Angst mehr davor. Es kann sich 25 Meter über Wasser halten, gilt damit aber noch nicht als Schwimmer. Ein sicherer Schwimmer oder eine sichere Schwimmerin ist erst, wer die Disziplinen des Jugendschwimmabzeichens Bronze erfüllt hat. Grundsätzlich können sie oder er damit auch in einem Badesee schwimmen.

Ehrenamtliche
© DLRG

Online-Redaktion: Welche Tipps haben Sie für die Sommerferien?

Wiese: Auf unserer Website haben wir Baderegeln aufgelistet. Die gelten nicht nur für die Kleinen, sondern auch für uns Große. Und ein weiterer Rat: Niemals irgendwo alleine schwimmen gehen! Wenn niemand mit mir zusammen schwimmt, sollte es zumindest ein Ort sein, an dem schon andere Menschen sind, damit ich zur Not jemanden um Hilfe anrufen kann.

Online-Redaktion: Wie kooperieren Sie mit Schulen?

Wiese: Die Grundschule hat den Auftrag, mindestens in den Jahrgängen 3 und 4 den Schwimmunterricht zu erteilen. Das ist unserer Ansicht nach relativ spät, aber wir sind froh, dass es überhaupt so festgelegt ist. Ein Problem ist, dass 25 Prozent der Grundschulen überhaupt keinen Zugang zu einem Schwimmbad mehr haben. Es gibt ein schleichendes Bädersterben, weswegen wir auch die Kampagne „Rettet die Bäder!“ ins Leben gerufen haben.

Die Kooperation ist auch deshalb wichtig, weil nicht selten Grundschullehrkräfte fachfremd eingesetzt werden. Sie sollen unseren Kindern das Lesen und Schreiben beibringen – und plötzlich mit den Schülerinnen und Schülern ans Becken. Zum Teil wissen sie nicht, wie man Kindern das Schwimmen beibringt, oder ihnen fehlt die sogenannte Rettungsfähigkeit. Da kommt die DLRG um die Ecke und bietet an, Lehrerinnen und Lehrer zu Rettungsschwimmern ausbilden.

Eine zweite Kooperationsform besteht mit Ganztagsschulen in Form von AGs. Das ist für uns noch nicht flächendeckend zu leisten, weil unsere Ehrenamtlichen oftmals berufstätig sind und damit für den frühen Nachmittag nicht zur Verfügung stehen. An der Stelle unterstützen uns Bundesfreiwillige, die wir zuvor zu Schwimmlehrkräften ausbilden. Diese können die Schwimmausbildung in Ganztagsgrundschulen durchführen. In den weiterführenden Schulen unterstützen wir nur, denn dort sind die Sportlehrerinnen und Sportlehrer entsprechend im Studium ausgebildet worden, mit Aufsichten, Schwimmkursen oder Rettungsschwimmkursen – je nachdem, was die Schule will. Solche Sachen sind immer personenabhängig. Wenn da eine Lehrkraft oder eine Schulleitung ist, die dahintersteht, funktioniert das.

Online-Redaktion: Bieten Sie auch AGs an weiterführenden Schulen an, die das Angebot der DLRG bekannt machen?

Erste Hilfe
© DLRG

Wiese: Ja, und die Schulen buchen uns auch für Projektwochen, in denen wir Rettungsschwimmkurse anbieten. Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Rettungsschwimmkurses geht es dann sogar – meist eine Woche vor den Sommerferien – in den Wasserrettungsdienst an die Küste.

Online-Redaktion: Küste ist gut – aber wie sieht es auf dem küstenfernen Land aus?

Wiese: Da bestehen auch Möglichkeiten – wenn denn ein Schwimmbad in der Nähe ist.

Online-Redaktion: Was lernen die Schülerinnen und Schüler in einem Rettungsschwimmkurs?

Wiese: Sie lernen zum Beispiel, mit Kleidung zu schwimmen, denn es wird Situationen geben, in denen schnell gehandelt werden muss. Und sie lernen, jemanden zu transportieren, der eben auch noch Kleidung trägt, wenn er gerade ins Wasser gefallen ist. Sie lernen auch, sich vom Klammergriff eines Menschen, der in Panik ist, zu befreien. Dann geht es ums Abtauchen, um die Befähigung zur Ersten Hilfe und darum, wie ich jemanden aus einem Wasserbecken hieve und reanimiere.

Diese Rettungsschwimmausbildung bringen wir in den Jugendeinsatzteams, die wir vor einigen Jahren ins Leben gerufen haben, auch schon Jugendlichen unter 15 Jahren bei. Dort lernen diese beispielsweise, wie man ein Rettungsboot klarmacht. Dazu gehören Knotenkunde, das Festmachen des Bootes, die Ausrüstung, das Funken, die Arbeit mit einem Rettungsbrett und die Bergung. Für diese Ausbildung haben wir momentan glücklicherweise eine so hohe Nachfrage, das wir nicht von einem Nachwuchsproblem sprechen können.

Rettungsschwimmer am Wasser
Ehrenamtlich im Einsatz © DLRG

Online-Redaktion: Allein 2018 gab es 974 Lebensrettungen durch Ehrenamtliche der DLRG. Doch es sind auch über 500 Menschen ertrunken. Was sind die Gründe?

Wiese: 80 Prozent der Ertrunkenen waren Männer, das Ertrinken ist gewissermaßen ein männliches Problem. Männer sind risikobereiter, überschätzen die eigenen Kräfte, unterschätzen Gefahren und sind einfach leichtsinniger nach dem Motto „Ich bin jetzt hier der Held am Strand und zeig es allen“. Alkohol spielt da auch eine große Rolle.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Achim Wiese, Jg. 1960, ist seit 2015 Referatsleiter für Verbandskommunikation und Pressesprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Der ausgebildete Journalist, der als Moderator und Programmdirektor beim Rundfunk in Niedersachsen und Hamburg sowie als Dozent im Studiengang Public Relations an der Hochschule Hannover tätig war, ist schon seit 1966 DLRG-Mitglied und übte verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten in der DLRG aus, darunter Vorstandsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit auf Bezirksebene und im Landesverband Hamburg. Von 1998 bis 2015 war er Präsidiumsmitglied der DLRG.

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