Basketball in Ganztagsschulen: Fairplay und Teamwork : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Vom Engagement in Ganztagsschulen können Vereine stark profitieren. Birte Schaake vom Deutschen Basketball-Bund über richtungsweisende Konzepte für eine der beliebtesten Sportarten.

Birte Schaake
© Birte Schaake

Online-Redaktion: Frau Schaake, was brachte den Deutschen Basketball-Bund dazu, sich in Ganztagsschulen zu engagieren?

Birte Schaake: Als Sportorganisationen müssen wir uns kontinuierlich mit der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen auseinandersetzen. Das bedeutet auch, dass wir auf so einschneidende Veränderungen im Bildungsalltag der Kinder reagieren mussten. Sie befinden sich schließlich nahezu die Hälfte der Tage im Jahr an der Schule. Dort erreichen und bewegen wir sie am besten.

Gerade an Grundschulen ist es aus unserer Sicht unbedingt notwendig, im Ganztagsbereich Bewegungsangebote zu schaffen, um Kindern Möglichkeiten zu geben, sich und verschiedene Sportarten auszuprobieren. Auf der anderen Seite hat diese Veränderung im Schulsystem natürlich auch Auswirkungen auf das Zeitbudget der Kinder und die Verfügbarkeit von Sportstätten gehabt. Also gab es auch aus dieser Richtung einen gewissen Handlungsdruck für unsere Vereine und uns als Verband.

Online-Redaktion: Viele Vereine treibt nach wie vor die Sorge um, dass Kinder und Jugendliche in Ganztagsschulen kein Interesse mehr daran haben, im Verein aktiv zu werden. Was halten Sie dagegen?

Schaake: Wir sind der Überzeugung, dass das kein Problem des Interesses ist. Der Alltag der Kinder und Jugendlichen ist immer mehr durchgeplant, und nun sind sie auch noch länger in der Schule. Da fällt es, gerade wenn dann noch Fahrzeiten dazu kommen wie im ländlichen Raum, zusehends schwer, noch Zeiten für Vereinssport zu finden. Dennoch gelingt es ja vielerorts mit guten Angeboten, Kinder in die Hallen zu bewegen. Unsere Teilnehmerzahlen im U12-Bereich sind seit Jahren positiv. Es braucht aber neue Wege, um den Aufwand für Trainingszeiten zu minimieren. Wenn eine wohnortnahe Lösung nicht möglich ist, bieten die Ganztagsschule oder andere Kooperationsformate dazu gute Möglichkeiten. Das Schulvereinsteam ist eine davon.

Online-Redaktion: Was konkret verbirgt sich hinter dem Konzept Schulvereinsteam?

Schaake: Die Idee ist, den Trainingsbetrieb an der Schule stattfinden zu lassen. Über Schul- oder Ganztagsmittel sowie über Beiträge von Eltern werden Trainer beschäftigt, die mit den Kindern an der Schule im Nachmittagsbereich trainieren. Am Wochenende nehmen sie dann am regulären Spielbetrieb der Verbände teil. Der Clou ist der verringerte Aufwand für Kinder und Eltern. Ebenso ist die Nutzung von ohnehin vorhandenen Schulzeiten in den Hallen ein Vorteil.

Rollstuhlbasketball
© Theo-Koch-Schule

So ein Team sorgt auf der einen Seite für eine Identifikation der Eltern und Kinder mit dem betreuenden Verein und auf der anderen Seite für eine Identifikation der Schulleitung mit dem Basketballprofil. Um dies zu forcieren, empfehlen wir die Aufnahme des Schulnamens bei diesen Teams zusätzlich zum Vereinsnamen, beispielsweise TSV XY Bachschule. In einigen Fällen gelingt es sogar, über Finanzierungsmodelle die Trainer für einige Stunden an den Schulen anzustellen. Das ist aber nicht in allen Bundesländern einheitlich möglich.

Online-Redaktion: Ihr Verband hat Basketball-Grundschulligen initiiert. Auf welche Resonanz stoßen sie?

Schaake: Wir beobachten eine stetige Zunahme in unterschiedlicher Ausprägung. An einigen Stellen werden die Grundschulligen zentral von den Landesverbänden betrieben oder unterstützt, an anderer Stelle finden sie lokal in Eigenregie mehrerer oder einzelner Vereine statt. Wir arbeiten aktuell daran, die Zahl dieser Kinder, die unsere Vereine so regelmäßig bewegen, besser zu erfassen und diese Maßnahmen über die Landesverbände auch zu fördern.

Diese Ligen bieten uns eine gute Möglichkeit, Kinder für Basketball zu begeistern und über Wettkämpfe auch an die Sportart zu binden. Wichtig ist aber ein rechtzeitig gestalteter Transfer aus der Grundschulliga in die Vereinsmannschaften. Dort wo das gut gelingt, sind die Grundschulligen ein Erfolgsmodell, das sogar von Sponsoren nach und nach stärker entdeckt wird.

Online-Redaktion: Die Profivereine sind verpflichtet, einen Ganztagskoordinator zu beschäftigen. Was sind seine konkreten Aufgaben?

Schaake: Die Vereine der ersten Basketball-Bundesliga müssen neben zwei hauptamtlichen Jugendtrainern einen dritten beschäftigen, der sich um die Themen Schule und Minibasketball kümmert. In der zweiten Bundesliga und in der Damen-Basketball-Bundesliga gibt es auf freiwilliger Basis auch einige hauptamtliche Stellen in diesem Bereich, weil wir die Bedeutung dieser Position erkannt haben. Diese Regelung ist noch recht neu und somit entwickelt sich auch das Profil dieser Position aktuell noch weiter.

Online-Redaktion: Erhält der Koordinator oder die Koordinatorin eine spezielle Ausbildung?

Basketballspiel
© Birte Schaake

Schaake: Bislang nicht, aber etliche dieser Trainer und Trainerinnen haben die sogenannte Minitrainer-Offensive absolviert. Dieses gemeinsame Ausbildungsprogramm von DBB und Deutschem Basketball-Ausbildungsfonds behandelt genau die beiden Tätigkeitsfelder. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit dem Ausbildungsfonds und unseren Landesverbänden verschiedene Austausch- und Fortbildungsformate wie Regionalworkshops angeboten, um Akteure auf allen Ebenen im Haupt- und Ehrenamt zu unterstützen und zu vernetzen.

Hervorzuheben sind dabei sicherlich unsere beiden Schulsportsymposien 2013 und 2018 mit jeweils über 100 Akteuren. Wir werden uns auch weiterhin an Qualifizierungsmaßnahmen beteiligen und solche Maßnahmen mitkonzipieren. Auf dieser Ebene funktioniert die Zusammenarbeit mit den Bundesligen hervorragend. Und von den Ergebnissen können auch die Vereine in der Breite profitieren.

Online-Redaktion: Wie reagieren die Vereine auf das Engagement des Verbandes in Ganztagsschulen?

Schaake: Die Notwendigkeit dort zu handeln und sich zu engagieren, haben die meisten erkannt. Sie nehmen unsere Angebote und Unterstützung gerne an. An vielen Stellen bräuchte es aber mehr Personal, das ab mittags an Schulen aktiv werden kann. Konzepte zur Personalentwicklung werden für den organisierten Sport auf allen Ebenen eine wichtige Aufgabe sein, um zukunftsfähiger zu werden.

Online-Redaktion: Sie bieten Schulen ein ausgefeiltes Unterrichtsmaterial an. Was beinhaltet es, und wie wird es genutzt?

Schaake: Wir versuchen, für alle Schulformen etwas bereitzustellen. Das sind auf der einen Seite Materialien mit möglichst vielen verschiedenen Spiel- und Übungsformen, die in unserer Schulsportdatenbank kostenfrei genutzt werden können. Zum anderen stellen wir Stundenbilder für fertig konzipierte Basketballunterrichts- oder AG-Stunden zur Verfügung. Gemeinsam mit der Deutschen Sportjugend bieten wir in der Reihe „Persönlichkeits- und Teamentwicklung“ die Arbeitshilfe „Förderung psychosozialer Ressourcen im Basketball“ an.

Darin sind Spiel- und Übungsformen ausgewählten Kompetenzen zugeordnet, die bei den Schülerinnen und Schülern damit entwickelt oder gefördert werden. Das ist für Lehrkräfte bei kompetenzorientierten Lehrplänen sehr hilfreich. Die Nachfrage nach den Materialien ist groß, zumal gerade im Grundschulbereich die Zahl der Lehrkräfte, die Sport ohne eine Facultas für Sport unterrichten, steigt. Eine weitere große Nutzergruppe sind die Studienseminare der Sportlehrkräfteausbildung. Alle Materialien können natürlich auch im außerunterrichtlichen Sport eingesetzt werden.

Mädchenbasketball
© Birte Schaake

Online-Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft von Basketball und Ganztagsschule?

Schaake: Basketball ist traditionell eine der beliebtesten Schulsportarten und erfreut sich großer Nachfrage bei den Kindern und Jugendlichen. Besonders mit der neuen Spielform 3x3, aber auch im 5 gegen 5 hat Basketball einen hochintegrativen und partizipativen Charakter. Unsere Sportart steht für Fairplay und Teamwork. Gerade über diese Werte bleibt Basketball für die Schulen attraktiv. Vereine und Verbände müssen nun ihre Hausaufgaben machen und weiter Strukturen schaffen, dann können wir in jedem Fall weiter vom Basketball in den Ganztagsschulen profitieren.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Birte Schaake, Jg. 1960, ist Vorsitzende der Schulsportkommission des Deutschen Basketball-Bundes. Als ehemalige Basketballspielerin trainierte sie Mannschaften der Damen-Basketball-Bundesligen und der Nachwuchs-Basketball-Bundesliga. Seit vielen Jahren ist sie Lehrerin und Sportfachleiterin an der Theo-Koch-Schule Grünberg und u. a. Mitorganisatorin der „Grünberger Grundschulliga“ und des Projekts „Come on Girls – Let’s play Basketball“. Im TSV Grünberg ist sie Ansprechpartnerin für das FSJ Sport. Seit 2014 ist sie Vizepräsidentin des Hessischen Basketball-Verbandes.

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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