Alle in einem Boot: Ganztags zum Drachenbootrennen : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Wassersportarten spielen in vielen Hamburger Schulen eine Rolle. Die Stadtteilschule Oldenfelde, eine offene Ganztagsschule, bietet seit 15 Jahren Kanufahren als Wahlpflichtkurs an. Derzeit laufen die Vorbereitungen auf das traditionelle Drachenbootrennen.

Schülerinnen und Schüler beim Drachenboot-Training
Schülerinnen und Schüler beim Drachenboot-Training © Stadtteilschule Oldenfelde

Hamburger betonen gerne, dass ihre Stadt mehr Brücken hat als Venedig. Und wo viele Brücken sind, da gibt es auch viel Wasser: Neben den Flüssen Elbe, Alster und Bille durchziehen über 30 Kanäle die Hansestadt. Kein Wunder also, dass Wassersport nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Schulalltag oft eine große Rolle spielt. Rudern oder Kanufahren wird an vielen Schulen im Wahlpflichtbereich oder im Ganztag angeboten. Die Stadtteilschule Oldenfelde im Osten der Stadt bietet seit rund 15 Jahren Kanufahren als Unterrichtsfach an. Nachdem die Schule vor vier Jahren in eine offene Ganztagsschule umgewandelt wurde, gibt es Kanufahren dort auch als Ganztagsangebot.

Sozialpädagoge Sebastian Brost hat den Ganztagskurs vor zweieinhalb Jahren aufgebaut – und das, obwohl gar kein Wasser in unmittelbarer Nähe der Schule ist. Die Schülerinnen und Schüler der 5. bis 7. Klassen müssen deshalb mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Boothaus an der Alster fahren und von da aus später alleine nach Hause finden. Brost: „Die Kinder lernen auf diese Weise gleich, sich mit Bus und Bahn in der Stadt zurecht zu finden.“ Das gehöre quasi mit zum Unterricht. „Für die Kinder ist das sehr aufregend, und bis jetzt ist noch niemand verloren gegangen“, versichert der Kursleiter. Immer nachmittags um 14.30 Uhr, direkt nach der Lernzeit, geht es los aufs Wasser.

Bereits seit April trainiert Brost seine Nachwuchs-Kanuten für den Kanu-Wettkampf der Hamburger Schulen, der jedes Jahr kurz vor den Sommerferien stattfindet. Teilnehmen dürfen alle Hamburger Schüler, vom Grundschüler bis zum Berufsschüler. Dabei wird im Einer-Kajak ein Slalomwettkampf ausgefahren und im Wandermannschafts-Canadier ein 300-Meter-Sprint. „Mit einer Wende um die Boje herum“, erläutert Brost.

Drachenbootrennen: Es geht richtig zur Sache

Gestartet wird nach Klassenstufen. Alle Teilnehmer erhalten Urkunden und – falls sie es bis auf die ersten drei Plätze geschafft haben – zusätzlich Medaillen. In diesem Jahr haben die Kanuten der Stadtteilschule Oldenfelde elf Medaillen geholt: zwei Gold, sieben Silber und zwei Bronze. Doch nach dem Wettkampf ist bekanntlich vor dem Wettkampf: Ende September steht das jährliche Drachenbootrennen an. „Das ist eine riesige Veranstaltung mit Event-Charakter“, so Brost.

Nachwuchs-Kanuten Bennett (10) und Raphael (11)
Nachwuchs-Kanuten Bennett (10) und Raphael (11) © Claudia Pittelkow

In großen Booten sitzen 20 Schülerinnen und Schüler auf zehn Bänken hintereinander, Brost steht hinten als Steuermann, ein Lehrer trommelt vorne den Takt. Vorne rechts sitzt der „Schlagmann“, ein Schüler, der gleichmäßig paddeln können muss. Zwei Mannschaften der Stadtteilschule Oldenfelde werden diesmal teilnehmen: Fünft- und Siebtklässler. „Dafür suche ich mir 20 Schüler aus, darunter auch welche, die nicht im Ganztagskurs sind, dafür aber gut paddeln können“, erklärt er. Denn: Beim Drachenbootrennen geht es richtig zur Sache. Brost: „Die Schwierigkeit ist, das Boot zunächst auf Geschwindigkeit zu bringen und dann diese sogenannte Gleitgeschwindigkeit auch zu halten.“ Doch noch wichtiger sei, dass die Jungen und Mädchen im Boot alle mitpaddeln. „Teambildung und Zusammenhalt sind das A und O beim Paddeln“, betont der Trainer.

Das kann Christiane Weber nur bestätigen. Die Vorsitzende des Fachausschusses Kanu der Hamburger Schulbehörde und zweifache Ruderweltmeisterin organisiert seit Jahren Schulsportveranstaltungen auf dem Wasser, darunter das traditionsreiche Drachenbootrennen auf der Bille. Am 28. September wird die Schulkanu-Saison mit den 8. Offenen Hamburger Schulmeisterschaften im Drachenboot beendet. Die Veranstaltung ist beliebt, rund 750 Schülerinnen und Schüler gingen im letzten Jahr an den Start, ebenso viele im Jahr davor. Die Anmeldefrist beginnt in Kürze, wer dabei sein will, sollte sich sputen.

Schulleiter ist begeisterter Paddler

Christiane Weber erläutert: „Bei 30 angemeldeten Mannschaften müssen wir Schluss machen.“ Auch sie betont die gemeinschaftsfördernde Wirkung des Paddelns. Denn nur wenn alle gemeinsam paddeln, kommt das Boot zügig ans Ziel. „Der Erfolg hängt vor allem von der guten Zusammenarbeit im Boot und nicht von Einzelleistungen ab. Am Ende haben immer die Mannschaften die Nase vorne, die in diesem Sinne zusammenarbeiten“, so Weber.

Boot
© Claudia Pittelkow

Die Leistungssportlerin weiß, dass es von der Unterstützung der Schulen und Schulleitungen abhängt, ob Kanufahren als Unterrichts- oder Ganztagsangebot im Stundenplan steht. In der Stadtteilschule Oldenfelde ist diese Unterstützung gewährleistet. „Wir waren froh, damals Sebastian Brost gefunden zu haben, für uns ist er ein Juwel“, sagt Claudia Mende, Ganztagskoordinatorin und Abteilungsleiterin der 5. - 7. Klassen. Denn während Kanufahren als Wahlpflichtfach im nächsten Schuljahr nicht mehr angeboten werden kann, da ein entsprechender Sportlehrer fehlt, bleibt das Angebot im Ganztag bestehen – dank Brost. Der Sozialpädagoge hat über 30 Jahre Paddelerfahrung. „Ich bin damals selbst auch in der Schule zum Paddeln gekommen“, erzählt er.
Praktischerweise ist Norman Kliefoth nicht nur stellvertretender Schulleiter, sondern selber begeisterter Paddler.

Er schätzt das Wassersportangebot an seiner Schule. „Familien haben hier im Stadtteil wenig Berührungspunkte mit dem Paddeln, die Kursteilnehmer sind fast alle Anfänger, nur wenige sind Mitglied in einem Ruderverein“, so Kliefoth. Insofern macht die Schule den umgekehrten Schritt: In der Stadtteilschule Oldenfelde kommen die Kinder vom Ganztagsangebot Kanu in die (Kanu-)Vereine. Ein Glücksgriff ist auch die langjährige Kooperation mit dem benachbarten Gymnasium, mit dem sich die Stadtteilschule einen Kanuschuppen teilt. Kliefoth: „Auf diese Weise haben wir zwölf Kajaks und zehn Canadier zur Verfügung.“

Lehrkräfte bringen ihre Leidenschaften ein

Kanufahren war in den letzten Jahren beliebt als Wahlpflichtkurs der 8. bis 10. Klassen und läuft seit zweieinhalb Jahren genauso gut als Nachmittagsangebot im Ganztag. Der Kurs ist beschränkt auf maximal zehn Schülerinnen und Schüler aus den 5. und 6. Klassen. Voraussetzung für die Teilnehmer: Sie müssen mindestens das Schwimmabzeichen Bronze besitzen. Da der Kurs nur in den Frühjahrs- und Sommermonaten angeboten werden kann, gibt es im Herbst und Winter Alternativen: den Mädchen- und den Jungenclub.

Die Stadtteilschule ist eine offene Ganztagsschule, die Schülerinnen und Schüler entscheiden am Schuljahresanfang, an welchen Kursen sie teilnehmen möchten. „Wir nutzen den Ganztag für Dinge, die man in der Stundentafel nicht unterbringen kann“, so Ganztagskoordinatorin Mende. Viele Lehrkräfte brächten im Ganztag ihre Passionen ein, so sei beispielsweise eine Lehrerin europäische HipHop-Meisterin.

Zu den beliebtesten Angeboten zählen Sportkurse, an erster Stelle steht – natürlich – Fußball. Nach Einführung des Ganztags im Jahr 2014 sei die Teilnehmerzahl ziemlich schnell gestiegen, erinnert sich Claudia Mende. „Im ersten Jahr haben wir etwas kämpfen müssen und erst mal Erfahrungen gesammelt, was läuft und was nicht“, so Norman Kliefoth. Den anfänglichen, von Müttern geleiteten Yogakurs habe man beispielsweise schnell durch Sport- und Spielangebote ersetzt, die entweder von Honorarkräften oder Vereinen geleitet würden. Mende: „Heute liegt die Teilnehmerquote der Jahrgänge 5 und 6 bei rund 80 Prozent.“

Sägen, raspeln und schleifen

Neben dem Kanukurs bietet Sebastian Brost übrigens noch einen weiteren besonderen Kurs an: Das Bankbau-Projekt. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Projekt für ältere Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht nicht mehr so motiviert sind. Sechs bis acht Wochen sägen, raspeln und schleifen die Jugendlichen, bis die Holzbank fertig ist. Neun solcher Bänke stehen bereits auf dem Schulgelände. Brost: „Den Schülern tut es gut, und die Akzeptanz unter den Mitschülern ist groß.“ Der zehnjährige Bennett und der elf Jahre alte Raphael sitzen auf einer dieser Bänke.

Ganztagskoordinatorin Claudia Mende
Ganztagskoordinatorin Claudia Mende © Claudia Pittelkow

Von fehlender Motivation kann bei den beiden Fünftklässlern jedoch keine Rede sein: Die Schüler gehören zum Drachenboot-Team und freuen sich auf das Rennen im September. „Beim Kanu-Ausflug habe ich gerade schon einen 7er gesteuert“, erzählt Bennett. Und beim Training ins Wasser gefallen seien beide noch nie, versichern die Jungen. Na, dann kann ja am 28. September nichts mehr schiefgehen!

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