ALBA und Ganztagsschulen: mehr als „nur“ Basketball : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

„ALBAs tägliche Sportstunde“ hat deutschlandweit Kinder und Jugendliche begeistert. Doch der Basketball-Bundesligist engagiert sich schon anderthalb Jahrzehnte in Ganztagsschulen. Jugendtrainer Marius Huth im Interview.

Online-Redaktion: ALBA Berlin kennt jeder in der Bundeshauptstadt. Großverein. Mehrfacher Deutscher Meister. Riesenhalle. Mitglieder zu gewinnen, sollte da doch ein Selbstläufer sein. Warum engagiert sich der Verein dennoch so in den Ganztagsschulen?

Marius Huth: ALBA ist nicht nur Basketball. Wir wollen uns sozial einbringen, etwas für die Kinder und Jugendlichen tun. Wir möchten dazu beitragen, dass sie Freude an Sport und Bewegung haben, dass sie motorisch ausgebildet werden. Das ist schon seit mehr als anderthalb Jahrzehnten unser Credo, besonders auch das unseres Vizepräsidenten Henning Harnisch. Wir alle sind davon überzeugt, dass die früher übliche Trennung von Schule und Verein unnötig, man kann auch sagen schädlich ist. Warum soll man sich nicht gegenseitig befruchten, voneinander profitieren?
 
Online-Redaktion: Dem wird sicher auch der kleine Verein um die Ecke zustimmen. Zumindest in der Theorie. Denn von dort würden Sie hören: Prima, ein großer Verein kann sich das leisten. Wir als Amateure mit ehrenamtlichen Kräften eben nicht…

Huth: Der Argumentation kann ich in Teilen gar nicht widersprechen. Auch wenn ich glaube, dass mit Kreativität einiges zu bewegen ist. Aber natürlich: Wir als so großer Profiverein haben sicher eine günstigere Ausgangsposition.
 
Online-Redaktion: Die konkret wie aussieht?

"Dreieck" mit hockendem Mädchen
Mit Engagement, Improvisation und Energie gestartet ... © ALBA Berlin

Huth: Bei ALBA arbeiten 40 hauptamtliche Trainer und rund 80 Übungsleiter auf Honorarbasis. Das macht es uns natürlich leichter, auch am Vormittag in den Schulen aktiv sein zu können. So können wir sowohl Arbeitsgemeinschaften anbieten als uns auch im Sportunterricht beteiligen. Aber: Auch wir haben einmal mit zwei Trainern begonnen, und inzwischen sind 40 Hauptamtliche, die wir durch unser Engagement an den Schulen finanzieren.

Online-Redaktion: Wie gelingt die Finanzierung der Hauptamtlichen?

Huth: Sie steht auf drei Säulen. Da sind zum einen unsere jungen Mitglieder und ihre Beiträge. ALBA gehören rund 2.000 Kinder und Jugendliche an. Diese Säule ist die kleinste, da wir versuchen, die Beiträge für Jüngere möglichst klein und sozial gerecht zu gestalten. Das zweite Standbein sind Fördergelder vom Senat, die wir für unsere Projekte, wie beispielsweise „Profivereine machen Schule“, an dem sich ja auch Fußball, Handball, Volleyball und Eishockey beteiligen, erhalten. Säule drei sind Sponsoren, die uns speziell im Jugendbereich unterstützen. Sie haben wir gewonnen, nachdem wir eine Grundschulliga mit etwa 160 Mannschaften und eine Oberschulliga mit circa 170 beteiligten Mannschaften aus jeweils rund 90 Schulen aufgebaut hatten.

Online-Redaktion: Können Sie einschätzen, wie viele der Kinder dank Ihres Engagements in den Schulen zu ALBA gefunden haben?

Huth: Wir haben dazu keine Daten erhoben. Aus meiner eigenen Erfahrung als langjähriger Trainer in den Schulen und aufgrund der Rückmeldungen meiner Kolleginnen und Kollegen gehe ich aber davon aus, dass der Großteil des Nachwuchses tatsächlich zu uns gekommen ist, weil er Basketball in der Schule kennengelernt hat. Aber: Uns geht es nicht in erster Linie um Mitgliedergewinnung. Es geht um Bewegung der Kinder und Jugendlichen.

Online-Redaktion: Wie arbeitet ALBA mit den Schulen im Alltag zusammen?

Huth: Dank der Fördergelder können wir den Schulen Übungsleiterinnen und Übungsleiter mit bis zu 16 Stunden pro Woche zur Verfügung stellen. Das ist nicht an jeder Schule gleich gestaltet. In manchen gibt es nur Arbeitsgemeinschaften, meistens aber bieten wir eine AG am Nachmittag im Rahmen des Ganztags an. Die übrigen zwölf Stunden bringt sich die Trainerin oder der Trainer im Sportunterricht ein.

Online-Redaktion: Wie reagieren die Schulen auf das Kooperationsangebot eines Externen im Unterricht?

Spielfeld
Zur Grundschulliga gehören fast 160 Mannschaften. © ALBA Berlin

Huth: Am Anfang herrschte natürlich eine Portion Skepsis. Es wurde schon einmal die Sorge geäußert, der Verein wolle sich zu sehr einmischen und der Schule etwas wegnehmen. Wir haben ganz klein mit sechs Schulen begonnen und uns sozusagen unseren guten Ruf erworben. Unsere Trainerinnen und Trainer drängen sich nicht in den Vordergrund, sie ermöglichen einfach, dass die Sportstunde von zwei Fachkräften, hier die Lehrkräfte, dort die Übungsleiter, durchgeführt werden kann. Das macht vieles leichter. Vier Augen sehen halt mehr als zwei. Die anfängliche Skepsis ist verflogen. Heute fragen uns mehr Schulen an, als wir Trainer haben. Dann müssen wir leider nein sagen. Denn wir wollen auch die für Schulen, die Schülerinnen und Schüler so wichtige Verlässlichkeit garantieren. Das dürfen die Schulen erwarten, wenn jemand mit dem ALBA-Logo auf dem Shirt zu ihnen kommt.

Online-Redaktion: Öffnen sich für Trainerinnen und Trainer auch die Türen zu den Lehrerkonferenzen?

Huth: An den meisten Schulen ja. Da sitzen wir in der Fachkonferenz mit am Tisch. Aber wir drängen uns nicht auf. Wir sind keine Lehrerinnen und Lehrer. Ich habe schon eng mit einer Lehrerin zusammengearbeitet. Wir haben jede Stunde gemeinsam geplant und durchgeführt. Ging es um Ballsport, lag der Schwerpunkt eher bei mir, in allen anderen Bereichen habe ich sie unterstützt und entlastet. Eine wunderbare Kombination, die es möglich machte, beide Professionen zu nutzen.

Online-Redaktion: Sie schließen Kooperationsverträge mit den Schulen ab?

Huth: In der Regel handelt es sich um Jahresverträge, die sich automatisch verlängern, wenn nicht einer der Partner die Kooperation kündigt. Mit vielen Schulen arbeiten wir gefühlt schon ewig zusammen. Nur in ganz seltenen Fällen wurde die Kooperation wieder beendet.

Online-Redaktion: Verfügen alle beteiligten Schulen über eine Turnhalle und Basketballkörbe?

Huth: Die Turnhallen sind tatsächlich nicht das Problem. Und wo keine existiert, muss halt kreativ reagiert werden, etwa durch den Aufbau mobiler Körbe. Mehr beschäftigt uns aktuell, wie wir der vor zwei Jahren eingeführten Regel gerecht werden, dass Kinder bis 12 Jahre auf Körbe in 2,60 Meter Höhe werfen. Da müssen alte Anlagen umgerüstet oder neue gebaut werden. Übrigens: In Spanien und anderen führenden Basketballnationen hat man uns ausgelacht, weil hier Kinder solange auf die hohen Körbe gespielt haben. Im Fußball gibt es ja auch schon ewig kleinere Tore. Alle haben eigentlich gewusst, dass es Unsinn ist. Da fragt man sich, warum wir so spät reagiert haben.

Online-Redaktion:  Apropos „spät“. Musste erst die Corona-Krise kommen, damit sich Sportvereine an Online-Trainingsauftritte gewagt haben?

Rollis
Sportstunde: Move und Challenge für Rollis. © ALBA Berlin

Huth: Ja, irgendwie schon. Uns war allen schon länger bewusst, dass wir da mit der Zeit gehen müssten. Aber neben ein paar Blogs gab es auch bei uns noch nichts. Als dann am Freitag, dem 13. März, feststand, dass die Schulen wenige Tage später schließen würden, haben wir ruckzuck gehandelt. Mit viel Engagement, Improvisationskünsten und Energie haben wir unser erstes Video erstellt und bei YouTube eingestellt. Inzwischen strahlen wir wöchentlich fünf Videos für die Kita-Kinder, drei für die Grundschulen und zwei für die Oberschulen aus.

Online-Redaktion: Mit welchen Inhalten?

Huth: Es dreht sich auch hier nicht alles nur um Basketball. Es geht sehr viel um Bewegungsübungen. Ein Trainer oder eine Trainerin erklärt, zwei machen es nach und werden gegebenenfalls korrigiert. Den beiden erwachsenen „Schülern“ unterlaufen dabei immer mal wieder automatisch Fehler, manchmal streuen sie diese aber als Lerneffekt auch bewusst ein. Für die Kinder und Jugendlichen haben wir es kreativ gestaltet. Wer das Video schaut, aber beispielsweise keinen Ball zu Hause besitzt, kann einfach eine Socke nutzen.

Online-Redaktion: Das Echo war, wie wir alle mitbekommen haben, auch aus Ganztagsschulen bundesweit, überwältigend.

Huth: Wir kriegen Fanpost aus ganz Deutschland. Seit Mitte März haben wir rund 1,6 Millionen Klicks aus Grundschulen und sogar noch etwas mehr von Kitas registriert. Zuvor kam ALBA in zwölf Jahren insgesamt auf im Vergleich dazu gerade einmal magere drei Millionen Klicks. Das ist unglaublich. Soviel positive Publicity hätten wir wahrscheinlich nur noch, wenn wir Deutscher Meister werden.

Online-Redaktion: Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zukunft?

Huth: Wir werden das sicher weitermachen, aber die Zahl der Videos verringern. Das können unsere Trainerinnen und Trainer sonst nicht leisten. Denn: Wir freuen uns alle wahnsinnig auf die Rückkehr in die Hallen, zu den Kindern und Jugendlichen und allen, die wir in den Schulen schätzen gelernt haben.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:
 
Marius Huth ist seit 2019 Sportlicher Leiter des Berliner Basketballverbandes. Der langjährige Nachwuchstrainer startete seine Trainerkarriere 2004 beim TuS Lichterfelde. Er war selbst Spieler und zeitweise Kapitän der Junioren-Nationalmannschaft. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr 2006/2007 bei ALBA Berlin absolvierte er von 2008 bis 2010 die vereinseigene Trainerausbildung und war seit 2007 Leitender Trainer der U14 sowie Mini- und Schulkoordinator. 2008 führte er die U16 des TuS Lichterfelde zur Deutschen Meisterschaft. Seit 2013 ist er Assistenz-Trainer in den Jugendnationalmannschaften, seit 2019 verantwortlich für die U15. Seit 2015 engagiert er sich als langjähriger Trainer-Ausbilder auch bei der vom Deutschen Basketball Bund (DBB) und vom Deutschen Basketball Ausbildungsfonds gestarteten Minitrainer-Offensive, für die er auch verschiedene Trainingsmodule entwickelt hat. 2019 wurde er für seine herausragende Jugendarbeit vom Deutschen Basketball Ausbildungsfonds als erster Trainer mit dem Matthias-Grothe-Award ausgezeichnet.

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