Teutschenthal: „Ganztag ist für uns selbstverständlich“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten. Teutschenthal im Saalekreis wird mit Gemeinschaftsschule und neuer Grundschule bald einen Schul- und Sportcampus haben. Bürgermeister Tilo Eigendorf im Interview.
Online-Redaktion: Auf dem Internetauftritt Ihrer Gemeinde entdeckt man schnell die bürgernahe Rubrik „Hier spricht der Bürgermeister“. Reagieren Sie als junger Bürgermeister damit auf die Medienaffinität jüngerer Generationen?
Tilo Eigendorf: Danke für das Kompliment. So jung bin ich aber tatsächlich gar nicht. Gerade bin ich 46 Jahre alt geworden. Als ich 2019 gewählt wurde, habe ich mir vorgenommen, die Menschen in allen Fragen „mitzunehmen“, wie man so sagt. Das heißt, ich möchte dazu beitragen, Verständnis für Entscheidungen zu wecken. Ich möchte aufzeigen, was eine Kommune macht, was sie darf und was sie kann. Politikmüdigkeit resultiert meines Erachtens häufig aus Unwissenheit, manchmal aus einem gefährlichen Halbwissen. Viel zu oft hört man Sätze wie „Die tun ja nichts“.
Wenn ich auch vermitteln kann, warum uns mitunter die Hände gebunden sind, ist das hilfreich. Beispiel Lehrermangel: Weniger Menschen, als wir vielleicht glauben, wissen, dass wir als Kommune keinen Einfluss darauf haben, sondern dass dies eine Sache des Landes als Arbeitgeber von Lehrkräften ist. Aber ich nutze die Gelegenheit auch, um über den Stand von Entwicklungen in der Gemeinde zu berichten. Beispielsweise, wie es um den geplanten Neubau unserer Grundschule neben der Gemeinschaftsschule steht, die hoffentlich zum Schuljahr 2027/2028 eröffnet werden kann.
Online-Redaktion: Dann wird es bundesweit den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter geben, den Sachsen-Anhalt jetzt schon hat…
Eigendorf: Ja, in unsere Planung der neuen Grundschule fließen deswegen die Überlegungen für die Ganztagsbetreuung mit ein. Wobei wir, vor allem die Familien, in Sachsen-Anhalt nichts anderes kennen. Darum ist es für uns selbstverständlich, den Hort in alle Überlegungen einzubeziehen. Die Kooperation zwischen Lehrkräften und dem im Hort tätigen Personal in unseren Grundschulen „Am Talkessel“ und in der Grundschule Holleben, in der wir gerade mit einem hohen sechsstelligen Betrag das historische Hortgebäude erneuern, ist schon heute gut. Der gemeinsame Blick orientiert sich am Kind.
Online-Redaktion: Sie haben selbst als Schüler die hiesige Sekundarschule besucht, die in diesem Jahr zur Gemeinschaftsschule umgewandelt wurde. Hätten Sie sich damals eine Ganztagsschule gewünscht?
Eigendorf: Ich glaube, als Schüler hatte ich wie andere auch andere Sorgen. Aber für unsere Eltern wäre es hilfreich und eine gute Wahlmöglichkeit gewesen. Ich bin froh, dass der Kreis die Gemeinschaftsschule etabliert hat. So können alle Kinder nach der Grundschule in ihrer vertrauten Umgebung weiterlernen und das auf allen Bildungsniveaus. Ich schätze den Vorteil, nicht bereits nach dem 4. Schuljahr eine Schulform wählen zu müssen.
Die Gemeinschaftsschule ermöglicht die Förderung jedes Einzelnen in unterschiedlichem Tempo. Die frühe Selektion bleibt aus. Um ihre Freunde zu treffen, wären die Kinder und Jugendlichen sonst auf den öffentlichen Nahverkehr oder das Elterntaxi angewiesen. „Ich geh mal eben rüber“ klappt dann häufig nicht mehr. Eine Folge ist die sinkende Identifikation mit Teutschenthal. Das wirkt sich später bei vielen Dingen aus, bis hin zur dauerhaften Abwanderung.
Online-Redaktion: Die Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt hat beim Ganztagskongress 2023 in Berlin Ihren „Regionaldialog“ als gutes Beispiel genannt. Was verbirgt sich dahinter?
Eigendorf: Der Saalekreis zählt zu den wirtschaftsstärksten Landkreisen in Sachsen-Anhalt. Das bedeutet, dass gute Firmen gute Mitarbeitende suchen. Unser Regionaldialog, der im Februar erstmals stattfand, bringt die Unternehmen mit den Schülerinnen und Schülern zusammen. Hier können sich die Schülerinnen und Schüler ein gutes Bild von Berufsfeldern und Berufsmöglichkeiten machen. Sie lernen die dort Handelnden kennen. Das baut Hemmschwellen ab und ermöglicht ihnen eine gezieltere Berufswahl. Und die Unternehmen hoffen, junge Menschen hier halten zu können. Denn uns geht es nicht anders als allen und überall: Es mangelt an qualifiziertem Fachpersonal.
Online-Redaktion: Was macht Teutschenthal so attraktiv, dass man hierherziehen oder aber eben nicht wegziehen sollte?
Eigendorf: Unsere Betreuungs- und Bildungsangebote spielen ebenso wie die Landschaft des Saalekreises sicher eine Rolle, auch wenn wir selbst kein Tourismus-Ort sind. Hierher ziehen Menschen, die die Ruhe und zugleich eine gute Angebundenheit an Städte wie Leipzig und Halle suchen. Ich bin mir bewusst, dass sich manche eine Ausweitung des Schulbustaktes und häufigere Fahrten der Busse im Nahverkehr wünschen. Aber gemessen an dem, was in einer ländlich geprägten Region möglich ist, sind wir gut aufgestellt. Hier kann man es sich auch noch leisten, ein Grundstück zu kaufen und zu bauen.
In der Gesamtgemeinde haben wir zwar einen leichten Bevölkerungsrückgang. Doch der Kernort Teutschenthal erlebt einen Zuwachs. Wir verfügen über eine gute Infrastruktur im ländlichen Raum, haben Ärzte und Fachärzte, Einkaufsmöglichkeiten. Ich verschweige nicht, dass dies nicht für alle Ortschaften gilt, einige vermissen insbesondere die Geschäfte. Das ist wohl die Kehrseite der Medaille, die da Ruhe und Abgeschiedenheit heißt.
Wenn dann unsere neue Grundschule neben dem Gelände der Gemeinschaftsschule fertig ist, dürfen wir uns über einen besonderen Schul- und Sportcampus freuen. Das erhöht natürlich die Attraktivität unseres Standortes. Auch deshalb investieren wir 15 bis 20 Millionen Euro in die neue Grundschule. Der Ganztag der Gemeinschaftsschule bietet schon jetzt, im ersten Jahr, zahlreiche außerunterrichtliche Angebote, die von unseren hiesigen Vereinen auf die Beine gestellt werden. Ich halte das für eine sehr gute gegenseitige Ergänzung. Die Horte leisten Betreuung, der Ganztag bietet Bildung und Betreuung über die Unterrichtszeit hinaus.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Forschung - Internationale Entwicklungen
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