Stadt Hilden: „OGS 2020“ oder: „Qualität spricht sich herum“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die Stadt Hilden denkt weit voraus: Schon 2015 hat sie das Konzept „OGS 2020“ entwickelt: „Für unsere Zukunft!“. Bernd Eichmann vom Amt für Schule, Jugend und Sport erläutert im Interview, welche Herausforderungen vor Ort zu meistern sind.
Online-Redaktion: Herr Eichmann, wie ist es aktuell um das Ganztagsschulangebot in der Stadt Hilden bestellt?
Bernd Eichmann: Bis vor wenigen Jahren gab es in unserer Stadt zehn Grundschulen. Durch Zusammenlegungen sind jetzt noch sieben vorhanden, darunter drei Verbundschulen und zwei mit konfessioneller Ausrichtung. Bei allen sieben Grundschulen handelt es sich um Offene Ganztagsschulen, kurz: OGS.
Online-Redaktion: Wie haben sich die Schülerzahlen im Ganztag entwickelt?
Eichmann: Wir sind im Schuljahr 2004/2005 mit sechs OGS-Gruppen mit je 25 Plätzen gestartet, also mit 150 Kindern. Insgesamt hatten wir damals rund 2.000 Schülerinnen und Schüler in Hilden. Der Ganztagserlass des Schulministeriums ging damals noch von einer in ferner Zukunft zu erreichenden Quote von 25 Prozent OGS-Plätzen aus, was etwa 500 Plätzen entsprochen hätte. Wir haben jährlich versucht bedarfsgerecht nachzusteuern und haben nun 46 Gruppen mit je 25 Plätzen erreicht. Das sind 1.150 Plätze. Die Gesamtschülerzahl liegt inzwischen bei 1.780 Kindern. Das übersteigt die ursprüngliche Zielsetzung gemäß dem Erlass natürlich deutlich.
Darüber hinaus halten wir rund 400 Plätze in der VGS, der Verlässlichen Grundschule, vor, bei der eine Betreuung bis 14 Uhr besteht. Ab dem kommenden Schuljahr 2018/2019 wird es drei weitere Gruppen der Betreuungsform VGS-Plus geben. Diese beinhaltet eine ganz flexible Betreuung bis 14.30 Uhr inklusive Mittagessen. Jede VGS-Form bietet 20 Plätze, in der Summe wären das dann 460 Plätze.
Insgesamt haben wir also 1.610 Betreuungsplätze in unseren Schulen. Eine Elternbefragung im Herbst 2017 hat gezeigt, dass etwa 5 bis 10 Prozent aller Eltern keine Betreuung neben der Unterrichtszeit wünschen. Insofern sind wird von einer Bedarfsdeckung nicht weit entfernt. Ob immer die gewünschte Betreuungsform geboten werden kann, ist eine andere Frage – und bleibt eine Herausforderung.
Online-Redaktion: Wie erklären Sie sich diese über die Erwartungen hinaus gewachsene Nachfrage?
Eichmann: Wir wissen nicht genau, warum Eltern für ihre Kinder den offenen Ganztag wählen. Es kann sicherlich nicht daran liegen, dass das Angebot der Schulen und der außerschulischen Träger so schlecht ist. Aus Umfragen unter den Eltern wissen wir, dass die Qualität des offenen Ganztags positiv beurteilt wird. Und ich nehme an, dies wird sich rumgesprochen haben und hat wiederum andere Eltern überzeugt.
Online-Redaktion: Das nordrhein-westfälische Modell der Offenen Ganztagsschule sieht vielfach Träger der Kinder- und Jugendhilfe für den Ganztag vor. Wie ist das in Hilden?
Eichmann: Das gibt es bei uns nicht. Wir tragen die Ganztagsschule komplett selbst, und ich bin für diesen Bereich verantwortlich. Diese Entscheidung stand zum Start des offenen Ganztags in der Tradition der Bildungsorganisation in Hilden. Bereits die Horte und die Verlässlichen Grundschulen sind von uns verantwortet worden, und es war städtisches Personal vorhanden.
Online-Redaktion: Das Amt für Jugend, Schule und Sport hat 2015 das Rahmenkonzept „OGS 2020‟ beschlossen. Gab es einen speziellen Anlass?
Eichmann: Das damals bestehende Rahmenkonzept aus dem Jahr 2003 trug lange sehr gut, bedurfte aber natürlich irgendwann der Anpassung aufgrund der stark gestiegenen Zahlen. Beispielsweise hatten wir anfangs festgelegt, dass der offene Ganztag keine Leitungsstelle benötigte. Die Gruppenzahlen waren so überschaubar, dass da informelle Absprachen reichen sollten. Und es gab ja auch keine Notwendigkeit der Absprache mit außerschulischen Trägern. Inzwischen sind die OGS-Zahlen so gewachsen, dass es ohne Koordination gar nicht mehr geht. Die Stadt gibt deshalb in jede offene Ganztagsgrundschule zusätzliches Personal in Form einer eigenen Ganztagskoordinatoren-Stelle.
Online-Redaktion: Wer hat am Konzept „OGS 2020“ mitgewirkt?
Eichmann: Die Federführung lag bei der Jugendhilfeplanerin und bei mir. Beteiligt waren das gesamte Amt für Jugend, Schule und Sport, die Schulleitungen und die Erzieherinnen und Erzieher. Der Landschaftsverband Rheinland hat uns beraten und unterstützt. Die Eltern haben wir über eine Umfrage beteiligt, um den Bedarf zu ermitteln. Für Familien mit Kindern im letzten Kindergartenjahr wurde ein Fragebogen zu Bildungs- und Betreuungswünschen an der künftigen Grundschule entwickelt. Die Beteiligungsquote an der Fragebogenaktion lag mit 187 Bögen bei rund 40 Prozent.
Angelehnt an unsere OGS-Befragung aus dem Jahre 2008 wurden außerdem Familien mit Kindern im offenen Ganztag der Grundschulen erneut nach ihrer Zufriedenheit mit dem Angebot, nach Wünschen und Verbesserungsvorschlägen befragt. Von 904 möglichen Rückmeldungen kamen 404 bei uns an – das macht eine Beteiligungsquote von rund 45 Prozent.
Wir haben auch qualitativ nachgefragt, zum Beispiel, ob die Eltern ein Mittagessen in Bio-Qualität haben möchten. Da gab es klare Zustimmung, und wir haben das inzwischen auch umgesetzt. Der Essenspreis ist dadurch gestiegen, aber eben für ein Essen mit einem hohen Bio-Anteil.
Online-Redaktion: Mussten Sie mit dem neuen Konzept „OGS 2020‟ starke Veränderungen vornehmen, oder gibt es eine Kontinuität zum bisherigen Vorgehen?
Eichmann: Die Grundstruktur unseres OGS-Konzeptes stimmt. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass es richtig ist, dass wir den Ganztag selbst tragen. Das zeigt sich auch in Fortbildungen und in den Qualitätszirkeln, dass wir uns dadurch bestimmte Probleme überhaupt gar nicht erst eingehandelt haben, insbesondere die manchmal anfangs schwierige Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Trägern. Wir ermöglichen, dass in vielen der Grundschulen das Nachmittagspersonal auch am Vormittag eingesetzt wird – und umgekehrt. Es ist also eine klare Verzahnung da, die dazu führt, dass die verschiedenen Professionen deutlich besser pädagogisch arbeiten können. So kann zum Beispiel schneller erkannt werden, warum ein Schüler mal traurig im Nachmittag ankommt oder eine Schülerin nicht so gut drauf ist.
Personell haben neben den Koordinationsstellen noch mehr Stunden für die Erzieherinnen aufgrund der Inklusion und mehr Stunden für die Küchenkräfte hineingegeben. Und wir haben mit einer halben Stelle eine Fachberatung eingerichtet. Das halte ich für eine große Bereicherung. Ich bin kein Pädagoge, sondern Verwaltungsfachkraft, und daher ist es toll, eine Fachberaterin an der Seite zu haben, die pädagogisch geschult ist und beispielsweise Fortbildungen gezielter organisieren kann. Wir wollen dabei mit unserem Konzept den Rahmen setzen und die Pädagogik in der Schule gemeinsam auf Augenhöhe weiterentwickeln.
Online-Redaktion: Welche qualitativen Ziele enthält das Konzept?
Eichmann: Es schreibt unter anderem einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen dem Lehrerkollegium und den pädagogischen Fachkräften vor, der zwar an vielen, aber noch nicht an allen Schulen vollständig etabliert ist. An Konferenzen soll das gesamte pädagogische Personal teilnehmen. Elternsprechtage und Veranstaltungen sollen die Professionen gemeinsam durchführen, sich gegenseitig fachlich unterstützen. Es soll gemeinsame Teamzeiten, Fortbildungen und Klassenfahrten geben. Einmal jährlich sollte ein Konzeptionstag aller Erzieherinnen und Erzieher der Schule stattfinden.
Online-Redaktion: Welche Herausforderung stellt sich Ihnen aktuell in Hilden noch?
Eichmann: Wir arbeiten gerade an einem Schulentwicklungsplan nur für die Grundschulen. Der ist zwar laut Schulgesetz ständig fortzuschreiben, aber wir möchten flexiblere Planungsansätze entwickeln. Das heißt, wir wollen nur mit den Kindern planen, die bereits geboren sind, und dafür Jahr für Jahr aufs Neue schauen, wie sich die Umzüge innerhalb Hildens gestalten und wie viele Familien mit Kindern hier wirklich wohnen.
Dazu gehört dann auch, vor dem wirtschaftlichen Hintergrund konzeptionelle Inhalte in der offenen Ganztagsschule zu betrachten.
Das beinhaltet zum Beispiel räumliche Mindeststandards über ganz Hilden verteilt. Für jede gebildete OGS-Gruppe wollen wir 1,5 Klassenräume einrichten. Haben wir also vier Gruppen, wären das sechs zusätzliche Räume, mit denen die Schulen rechnen und die sie nach ihrem eigenen Ermessen nutzen können. Eine Klasse zu teilen oder einzelne Schülerinnen und Schüler herauszunehmen, um differenziert zu arbeiten, wäre dann leichter möglich. In einer Schule haben wir diesen Faktor 1,5 bereits ausprobiert, und das hat sich dort bewährt.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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