Stadt Fürth: Ganztagsbildung mit Struktur : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Für ihre erste Bildungskonferenz hat die Stadt Fürth das Thema „Bildung im Ganztag“ gewählt. Die Michael-Ende-Grundschule Nürnberg und die Realschule Zusmarshausen stellten sich vor.
In Fürth hat sich in den vergangenen Jahren in Sachen Bildung eine ganze Menge bewegt. 2015 erhielt die fränkische Stadt das Siegel „Bildungsregion in Bayern“. Das Staatsministerium für Kultus verleiht diese Auszeichnung an Städte und Gemeinden, in denen Schulen, Kommunen, Jugendhilfe, Arbeitsverwaltung, Wirtschaft und weitere außerschulische Organisationen zusammenarbeiten, um die Bildungsqualität in ihrer Region zu verbessern.
Im vergangenen Jahr brachte das Projektbüro für Schule und Bildung einen 164 Seiten starken Bildungsbericht heraus, der als Grundlage für das Bildungsmanagement der Stadt dient. Für den Aufbau der Bildungsberichterstattung erhält Fürth für drei Jahre Bundesmittel aus dem Programm „Bildung integriert“. Ziel ist es, eine Planung für das Bildungsgeschehen vor Ort unter Anregung einer breiten öffentlichen Diskussion zu ermöglichen, um langfristig die Chancengleichheit und die Teilhabechancen aller Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. „Wir müssen das komplexe Thema Bildung in Fürth strukturieren“, so der Bürgermeister für Schule, Bildung und Sport, Markus Braun, „und mit dem Bildungsmanagement eine Klammer um die bisher oft nur punktuellen Bemühungen setzen.“
Ganztag heißt Vernetzung
Dazu hat die Stadt ihre erste Bildungskonferenz organisiert, die unter dem Titel „Bildung im Ganztag“ am 23. Februar 2017 in der Musikschule Fürth stattfand.
„Wir haben das Ganztagsthema als erstes unserer Konferenzreihe gewählt, weil es durch die Vernetzung wie kein zweites ganz viele Partner betrifft“, erklärt Kora Maresch-Kern vom Projektbüro. Die Veranstaltung diente dem Austausch zwischen Schulen, Horten, Kultur, Jugendarbeit und Sport, aber auch dem Austausch mit Eltern, um qualitativ hochwertige Ganztagsangebote zu fördern. Auch einen wissenschaftlichen Impuls gab es: Dazu waren die beiden Wissenschaftlerinnen Prof. Sibylle Rahm von der Universität Bamberg mit einem Vortrag über „Ganztagsbildung“ und Bettina Arnoldt vom Deutschen Jugendinstitut München eingeladen, die Ergebnisse der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen – StEG“ vorstellte.
Im aktuellen Schuljahr 2016/2017 nutzen fast 40 Prozent der Fürther Schülerinnen und Schüler Nachmittagsangebote. Das Angebotsspektrum ist dabei weitgefächert. „Ich muss fast ein Wochenendseminar halten, wenn ich Eltern die verschiedenen Modelle erkläre“, sagt Bürgermeister Braun auf der Konferenz. Neben der gebundenen und der offenen Ganztagsschule bis 14 oder bis 16 Uhr gibt es die Möglichkeit, den Hort oder die Mittagsbetreuung zu wählen. Im Schuljahr 2015/2016 besuchten 973 Schülerinnen und Schüler die gebundene sowie 591 Schülerinnen und Schüler die offene Ganztagsschule.
In der Mittagsbetreuung, die bis 14.30 Uhr dauern kann und in der kein pädagogisches Angebot gemacht wird, waren 426 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Für den Hort liegen nur Zahlen von 2013/2014 vor, damals besuchten rund 960 Schulkinder einen Hort. „Wir befinden uns in einem Zwischenstadium“, führte Markus Braun aus. „Langfristig müssen wir diese verschiedenen Modelle konzeptionell zusammenführen und den Dualismus Hort und Schule überwinden. Es schlummert viel Potential in der Kooperation von Hort und Schule.“
Michael-Ende-Grundschule Nürnberg
Mit der Michael-Ende-Grundschule aus der Nachbarstadt Nürnberg präsentierte sich denn auch eine Ganztagsschule, in der die Idee einer solchen integrativen Zusammenarbeit bereits weitgehend verwirklicht ist. Zum Schuljahresbeginn ist die Grundschule in einen Neubau gezogen. Die Räume des Horts liegen nun mitten im Schulgebäude. Für die Schülerinnen und Schüler geht beides fließend ineinander über, wie Hortleiterin Birgit Schubert und Rektorin Tanja Klieber berichteten. „Wir sind erst seit September dabei, aber die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler sind schon gewaltig. So habe ich mir das seit Jahrzehnten gewünscht, und nun haben wir das nach fünf Monaten erreicht“, freute sich die Hortleiterin.
Von den 430 Schülerinnen und Schülern der der Michael-Ende-Schule haben sich 212 für den gebundenen Ganztag entschieden. 40 Lehrerinnen und Lehrer, darunter Lehrkräfte für Sonderpädagogik, und 22 weitere pädagogische Fachkräfte – Erzieherinnen und Erzieher, zwei Sozialarbeiterinnen, eine Schulpsychologin – wirken bis 16 Uhr zusammen. Der Schultag ist ganztägig rhythmisiert. Die Erzieherinnen und Erzieher sind bei den Erst- und Zweitklässlern zwei Stunden pro Tag mit im Unterricht und unterstützen sie auch in den täglichen einstündigen Studierzeiten. In der dritten und vierten Klasse sind die Erzieher eine Stunde pro Tag in den Klassen.
„Unsere Kolleginnen und Kollegen sehen das als Bereicherung, dass die Erzieherinnen und Erzieher im Unterricht und bei den Lernentwicklungsgesprächen dabei sind“, betonte die Schulleiterin. Hort- und Schulleitung sitzen räumlich zusammen. „Das ist auch notwendig, denn was wir kommunizieren müssen, kann nicht getoppt werden“, berichtete Tanja Klieber. Alle Mitarbeiter haben Schlüssel für alle Räume. Die meisten, wie zum Beispiel das Lernatelier und der Kreativraum, können von allen genutzt werden.
„So schön kann Leben sein“
Zu den vielen Arbeitsgemeinschaften, die von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch von Eltern angeboten werden, gehören Theater und Sport, aber auch eine Fecht-AG und eine Mischpult-AG, die AG Anatolin mit dem gleichnamigen Leseprogramm, eine AG Museum, die mit dem Kindermuseum Nürnberg zusammenarbeitet, oder die AG Kochen. Apropos Kochen: Die Ganztagsgrundschule zeichnet sich dadurch aus, dass das das Mittagessen von einer Köchin frisch zubereitet wird und die Schülerinnen und Schüler sich die Komponenten selbst zusammenstellen können. Laut Tanja Klieber ließ sich eine Schülerin, die mit ihrem Tablett in der Mensa unterwegs war, vernehmen: „So schön kann Leben sein.“
Selbst in einer Schule, die so zufrieden und glücklich mit ihren Bedingungen ist, bleiben Verbesserungswünsche: „Wir müssen noch feste Zeiten in der Woche für gemeinsame Teamabsprachen finden“, verriet die Schulleiterin. „Wir möchten die Elternbildungsangebote verstetigen und neben den Kinderkonferenzen die Partizipation der Kinder noch mehr stärken.“
Realschule Zusmarshausen
Als zweites Schulbeispiel der Bildungskonferenz stellte Sabine Pausch, Mitglied der Schulleitung, ihre Realschule Zusmarshausen im Landkreis Augsburg vor. Dort gibt es seit 2011 fünf gebundene Ganztagsklassen in den Jahrgangsstufen 5 bis 8. An vier Tagen der Woche ist der Schultag von acht bis 15.30 Uhr rhythmisiert, Lern- und Übungsphasen finden am Vor- und Nachmittag statt. Im Ganztag wird verstärkt auf Doppelstunden Wert gelegt.
Die Realschule arbeitet seit diesem Schuljahr mit einem neuen Konzept, das statt Hausaufgaben und Studierzeiten in den Hauptfächern mehr Unterricht vorsieht. Dafür werden die zusätzlichen acht Lehrerwochenstunden für Ganztagsgruppen genutzt. Die recht unterschiedliche Handhabung der Studierzeiten habe zu Unzufriedenheit bei den Lehrkräften und zu „Schlendrian“ bei den Schülerinnen und Schüler geführt, so Sabine Pausch. Mit dem neuen Konzept würde die Zeit effektiver genutzt. „Um sich Anregungen zu holen, können wir Hospitationen an anderen Schulen sehr empfehlen“, meinte die Lehrerin. „Wir haben zum Beispiel zwei Jahre lang im Netzwerk Ganztagsschule im Programm 'Ideen für mehr' teilgenommen.“
Entscheidend ist die Arbeit vor Ort
Nach einer Workshop-Runde, unter anderem zu den Themen Kooperation, Partizipation und Bildungspartnerschaft mit Eltern, machte die abschließende Podiumsdiskussion deutlich, dass auch in Fürth das Thema „Flexibilität versus Verbindlichkeit“ diskutiert wird. Die von Bürgermeister Markus Braun angesprochene Zusammenführung der verschiedenen Ganztagsmodelle stieß bei manchen Müttern im Plenum auf Ablehnung. Sie wünschten sich möglichst große Freiheiten bei der Wahrnehmung der Ganztagsangebote, um Freizeitangebote am Nachmittag mit ihren Kindern selbst gestalten zu können.
Robert Wagner, der Leiter der Musikschule, meinte wiederum: „Wir müssen die Kinder auch mal Kinder sein lassen. Ein Kind will auch mal einfach sinnfrei spielen.“ Hermann Schnitzer, Leiter des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien, pochte darauf, dass die Horte als selbstständige Einheiten bestehen bleiben. Dieses Thema wird, das zeigten sowohl die Podiumsdiskussion als auch die abschließende Fragerunde, die Diskussion in Fürth sicherlich weiter bestimmen. Für Bürgermeister Braun steht indes fest: „Die Arbeit vor Ort ist entscheidend, nicht die Form der Einrichtung.“
Kategorien: Forschung - Internationale Entwicklungen
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