Saarbrücken: „Wir legen Wert auf Qualität“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Stadt Saarbrücken wird kontinuierlich ihre Bildungs- und Betreuungsangebote verbessern. Welche Schwerpunkte gesetzt werden, erläutert Oberbürgermeisterin Charlotte Britz im Gespräch mit www.ganztagsschulen.org.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung messen Sie Bildung und Betreuung zu?

Charlotte Britz: Bildung und Bildungserfolg im Sinne einer erworbenen Qualifikation haben für den Einzelnen und für die Gesellschaft zentralen Stellenwert. Bildung ist das entscheidende Zugangskriterium des Einzelnen zur Partizipation am Erwerbsleben - mit allen Folgen der wirtschaftlichen Selbstständigkeit, der sozialen Anerkennung und der persönlichen Zufriedenheit. Für die Gesellschaft stellt Bildung einen Wert an sich dar, der insbesondere die Basis einer gelebten Demokratie ausmacht.
 
Alle Kommunen, alle Regionen konkurrieren um sogenannte weiche Standortvorteile, die sich gerade auch an Bildungseinrichtungen festmachen, um dadurch in der Region qualifizierte Fachkräfte vorweisen zu können, die dann für die Wirtschaft als Arbeitgeber den Anreiz auslösen, hier eine Standortwahl zu treffen und Arbeitsplätze vorzuhalten. Solch eine Entwicklung bewirkt dann Stabilität und Wachstum. Daher ist es mein oberstes politisches Ziel, von der Krippe bis zur Ganztagsschule hochwertige Bildungseinrichtungen zu schaffen.
 
Online-Redaktion: Wie sehen die Angebote in Saarbrücken derzeit aus, und gibt es Ausbaubedarf?

Britz: Saarbrücken war landesweit Vorreiter beim Ausbau von Bildungseinrichtungen. Hier entstand 1988 die erste gebundene Ganztagsgrundschule. Mit zahlreichen Modellen kann Saarbrücken auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen verweisen. Das war stets mit dem Ziel verbunden, die Zahl der Ganztagsplätze im Bereich der Krippen, des Kindergartens und der Grundschulen auszubauen. Hierbei geht es natürlich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier geht es aber auch grundsätzlich um den positiven Ausbau des infrastrukturellen Angebotes der Landeshauptstadt für ihre Familien, darunter für Alleinerziehende, sowie für Studentinnen und Studenten oder für Neubürger, die vielleicht auch eben aufgrund dieses Angebotes nach Saarbrücken ziehen, um hier ihren Lebens-, Arbeits- und Freizeitmittelpunkt zu finden.
 
Wir befinden uns in Saarbrücken in einem stetigen Prozess, unsere Angebote zu verbessern. Wir schaffen gerade zwei neue Ganztagsschulen in gebundener Form - an der Kirchbergschule im Stadtteil Malstatt und an der Dellengartenschule im Stadtteil Alt Saarbrücken. Damit werden in Kürze zusätzlich 600 Ganztagschulplätze vorhanden sein. Wir investieren mit Hochdruck in den Krippenausbau, als Maßnahmeträger wie auch als Zuschussgeber an freie Träger. Unser Ziel ist nicht nur die Erreichung der bundesweit avisierten 35-Prozent-Quote. Wir möchten im Verbund der öffentlichen Krippeneinrichtungen plus der Kindertagespflege (Tagesmütter) allen, die einen Platz brauchen, einen solchen anbieten. Dazu sind wir aber auch auf die Unterstützung von Kreis und Land angewiesen. Es ist ein richtiges politisches Ziel, den Ausbau der Kindertagesstätten wie auch der Ganztagsschulen einzufordern und voranzutreiben. Dazu müssen jedoch die erforderlichen Finanzmittel eingeplant werden. Ich schließe mich dem saarländischen Bildungsminister an, der eine Lockerung des Kooperationsverbots fordert, sodass der Bund sich beim Ausbau der Ganztagsschule finanziell einbringen kann.

Online-Redaktion: Wie wichtig sind Ganztagsschulen für die Eltern und Kinder in Saarbrücken?

Britz: Die Eltern sind es, die für ihre Kinder eine Schule und eine Schulform auswählen. Sicher kommt dem sogenannten Betreuungsaspekt hier eine relativ große Bedeutung zu. Aus der Perspektive der Bildungsplanung wird dieser relativiert und um die entscheidende Komponente der quantitativ erweiterten und qualitativ verbesserten Bildungsinhalte einer Ganztagsschule ergänzt. In ihr leben und lernen Kinder länger zusammen. Hier erfahren sie mehr soziales Lernen, Kommunikation und Interaktion. Hier finden Kinder Kinder. All dies wird um erweiterte Bildungsangebote ergänzt. Das heißt: Hier gelingt ein Mehr an Förderung. Einmal in Form direkter Förderung, beispielsweise dadurch, dass in der Ganztagschule Hausaufgaben zu Schulaufgaben werden. Die Lehrkräfte haben dadurch unmittelbaren, täglichen Einblick in den Leistungsstand ihrer Schülerinnen und Schüler. Daneben findet auch die häufig nicht direkt wahrnehmbare indirekte Förderung statt: Die Kinder stehen in der Ganztagsschule in direktem Austausch, sie sprechen und handeln miteinander.
 
Online-Redaktion: Wie zufrieden sind Sie mit der derzeitigen Situation?
 

Foto Ortsschild Saarbrücken
© Landeshauptstadt Saarbrücken

Britz: Saarbrücken kann stolz sein auf das bisherige kommunale Engagement im Bildungswesen. Die Stadt nimmt Geld in die Hand für eine Konzeptweiterentwicklung und als Maßnahmeträger mit der Finanzierung von Personal- und Sachkosten, gerade in Ganztagsschulen. Wir legen Wert auf Qualität. Wir investieren damit in unsere Kinder und damit auch in die Zukunft der Region. Wir möchten eine noch höhere Quote an gebundenen Ganztagsschulen erreichen. Wir zielen auch auf eine dichtere und engere Kooperation mit Vereinen und Verbänden, die zur Mitgestaltung des Ganztagsangebotes eingeladen sind. Eine sich zum Stadtteil hin öffnende Ganztagsschule soll somit durch eine Vielzahl von kulturellen und sportiven Auswahlmöglichkeiten erweitert werden.
 
Online-Redaktion: Welche Bedeutung haben dabei Lokale Bildungslandschaften?

Britz: In Saarbrücken Malstatt machen wir aktuell beste Erfahrungen mit der Initiierung Lokaler Bildungslandschaften. Vor einigen Jahren hatten wir die Idee, formelle und informelle Bildungsinhalte durch eine Verbindung von schulischem und außerschulischem Lernen modellhaft zu kombinieren. Mit der Einrichtung des „Kinderbildungszentrum Malstatt" hat die Stadt Saarbrücken diese Idee in die Tat umgesetzt. Wir konnten einen freien Träger, das Diakonische Werk an der Saar, dafür gewinnen, seinen Ansatz aus Gemeinwesenarbeit, Kinder- und Jugendarbeit sowie Frühen Hilfen in die Grundschule hinein zu tragen.
 
Spätestens seit der Aachener Erklärung des Deutschen Städtetages müsste allen Bildungsplanern klar sein, dass die Zukunft gelingender Bildungsprozesse auf der Basis eines Netzwerkes, also Lokaler Bildungslandschaften, bessere Erfolgsaussichten hat. Kooperation ist das Zauberwort, nicht Konkurrenz. Schulische und außerschulische Angebote sollen sich ergänzen und im besten Falle in eine unmittelbare Abstimmung eintreten.
 
Vom Zusammenwirken verschiedener Professionen profitieren alle Beteiligten. Gerade darin wird der ganzheitliche Bildungsprozess abgebildet. Das Kind wird in seiner Rolle als Schüler bzw. Schülerin und in seiner Person, in seiner Persönlichkeit wahrgenommen. Wenn sich die unterschiedlichen Bildungsakteure in direktem Austausch befinden und wenn alle die bestmögliche Förderung und das Wohl des Kindes zum Ziel haben, dann sind optimale Voraussetzungen geschaffen. Eine Herausforderung für die Professionen ist hierbei, das gemeinsame Zeitfenster für den direkten Austausch zu finden.
 
Wichtig ist und bleibt die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schule und Eltern. Eine sich dem Kind zuwendende Schule erweitert ihren Blick auf das Kind als Schüler um den Blick auf die Person.

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