Ludwigshafen: Ganztagsbildung durch Kooperation : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten. Wir stellen 16 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor. Heute: Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse (Ludwigshafen).
Online-Redaktion: Welche Bedeutung messen Sie Bildung und Betreuung in Ludwigshafen zu?
Dr. Eva Lohse: Bildung, Erziehung und Betreuung sind wesentliche Aufgaben für die lebendige Entwicklung einer Stadt. Junge Menschen brauchen zur Entfaltung ihrer Potenziale eine Umgebung, die das Lernen fördert. Wir möchten, dass alle Kinder faire Chancen für Bildung erhalten, unterstützen sie in ihrer individuellen Entwicklung und ihrer Gemeinschaftsfähigkeit und wünschen uns, dass sie als aktive Bürgerinnen und Bürger an der Gesellschaft teilhaben. Für die Zukunft der Stadt Ludwigshafen ist deshalb eine gute Infrastruktur für Bildung, Erziehung und Betreuung eine wichtige Grundlage. Mit einem bedarfsgerechten und qualitativ ansprechenden Angebot sind wir gerade auch für junge Familien attraktiv.
Online-Redaktion: Wie sehen die Angebote in Ludwigshafen aus?
Lohse: Unser Angebotsspektrum für Bildung, Erziehung und Betreuung in Ludwigshafen ist breit gefächert und bietet viele Möglichkeiten. Wir wollen das Angebot auf unterschiedliche Bedürfnisse ausrichten, gerade auch den Bedarfen junger Familien entsprechen und vielfältige Bildungswege ermöglichen. Als Kommune sind wir im Rahmen der Jugendhilfe für Bildung, Erziehung und Betreuung im frühkindlichen und im außerschulischen Bereich zuständig. Zunehmend werden Kooperationsformen mit den Schulen entwickelt, die den Kindern und Jugendlichen eine stabile Begleitung in einem kontinuierlichen Bildungsprozess sichern. Von besonderer Bedeutung ist hier die Gestaltung von Übergängen, wie z.B. von der Kita in die Grundschule. Kooperationen gibt es auch zwischen Schulen und Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, schwerpunktmäßig im Bereich Soziales Lernen. Sozio-Kultur-Projekte entstehen in der Kooperation mit Kultureinrichtungen. Diese Ressourcen aus gelingenden Kooperationsinitiativen wollen wir weiter entwickeln.
Online-Redaktion: Gibt es Ausbaubedarf?
Lohse: Ganz deutlich steigt die Nachfrage nach Ganztagsangeboten, insbesondere im Kita- und Grundschulbereich. Wir bauen deshalb gemeinsam mit den Schulen die „Betreuende Grundschule“ nachfrageorientiert aus. Eine weitere verlässliche Einrichtung für Schulkinder im Alter von sechs bis 14 Jahren ist der Hort, der auch in Ferienzeiten Angebote für die Kinder macht. Unbedingt wünschenswert ist aus Sicht der Stadt ein weiterer Ausbau der Ganztagsschulen, um das Angebotsspektrum weiter zu differenzieren. Bislang ist das Ganztagsschulangebot in Ludwigshafen sehr unterschiedlich entwickelt: Bei Integrierten Gesamtschulen und Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen bieten jeweils zwei von drei Schulen die Ganztagsform an. Von sechs Gymnasien laufen zwei als Ganztagsschule, je einmal in Form von G8 und G9. Für diese Schularten kann gegenwärtig ein ausreichendes Angebot festgestellt werden. Handlungsbedarf besteht hingegen im Bereich der Grundschule, wo bislang zwei von 23 Schulen die Ganztagsform anbieten, und bei der Realschule plus mit bislang einer Ganztagsschule. Wir begrüßen und unterstützen weitere Initiativen von Grund- und Realschulen plus, sich zu einer Ganztagsschule weiterzuentwickeln.
Online-Redaktion: Sicher ist das für die Kommunen alleine nicht einfach?
Lohse: Um dem wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Angeboten für Bildung, Erziehung und Betreuung für mehr junge Menschen nachkommen zu können, braucht es das Zusammenwirken von Stadt und Land. Die Initiative zur Errichtung eines Ganztagsbetriebes obliegt der jeweiligen Schule, die Zustimmung erteilt das Bildungsministerium. Wenn nun vor Ort eine Schule sich zur Ganztagsschule weiterentwickeln möchte, dann vernetzt sie sich mit außerschulischen Angeboten im Kultur- und Freizeitbereich, um ein ansprechendes Angebot für Lern- und Entwicklungsprozesse für die Kinder anbieten zu können. Vorhandene Ressourcen von z.B. Jugendhilfe, Sport, Gesundheit, Kultur und Schule werden also im Sinne einer Kommunalen Bildungslandschaft zusammengeführt und in kooperativer Weise genutzt. Wir würden uns freuen, wenn wir noch mehr Schulen dafür gewinnen könnten, sich mit Unterstützung durch die Schulbehörde im Rahmen einer Kommunalen Bildungslandschaft in Kooperation mit anderen vorhandenen Einrichtungen zu Ganztagsbildungseinrichtungen weiterzuentwickeln.
Von Vorteil könnte es sein, wenn das Bildungsministerium interessierte Ganztagsschulen auch in verpflichtender Form zulassen und unterstützen würde. Vor allem in dieser Form können die Vorteile der Ganztagsschule voll ausgeschöpft werden, da alle Kinder beteiligt wären. Vorteile sehe ich im rhythmisierten Unterricht mit einer lernförderlichen Verteilung von Anforderungen und Entspannungsphasen. Daraus kann ein ansprechendes Gesamtkonzept entstehen, das mit neuen Elementen ein ganzheitliches Konzept von Lernen mit allen Sinnen ermöglicht. .
Online-Redaktion: Welche Bedeutung haben Ganztagsschulen für die Eltern?
Lohse: Für Eltern ist es wichtig, ihre Kinder in einer verlässlichen Form von Bildung und Erziehung gut betreut zu wissen. Dabei kann es ganz unterschiedliche Formen geben, je nach Bedarf der einzelnen Familien. Die Nachfrage für Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr ist seit Jahren steigend, gerade auch im Grundschulbereich. In Ludwigshafen gibt es bereits an jeder Grundschule ein Angebot der sog. Betreuenden Grundschule und dieses aktuell mit verlängertem Angebotsrahmen. Viele Eltern wünschen sich darüber hinaus ein attraktives Angebot zur Förderung ihrer Kinder am Nachmittag und auch in den Ferien.
Zusammen erreichen Horte, Betreuende Grundschulen und Ganztagsschulen in Ludwigshafen derzeit etwas mehr als jedes dritte Kind in dieser Altersstufe.
Online-Redaktion: Wie zufrieden sind Sie mit der derzeitigen Bildungs- und Betreuungssituation?
Lohse: Insgesamt ist die Bildungs- und Betreuungssituation in Ludwigshafen gut, und ich bin sehr zufrieden, dass es uns trotz überaus angespannter Haushaltslage gelingt, ein umfassendes und attraktives Angebot für die Familien, aber auch ein qualitativ hochwertiges Angebot für die Kinder vorzuhalten. Wir versuchen bestmöglich den Bedürfnissen der Familien entgegenzukommen. Sich verändernde Bedarfe erfordern auch zukünftig weitere Entwicklungen in der Bildungs- und Erziehungslandschaft. Wir können diesen Bedarfen aber nur schrittweise nachkommen, weil wir die Angebote in guter Qualität und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel umsetzen wollen und müssen. Hier setzen wir auf das Verständnis und die Unterstützung unserer Bürgerinnen und Bürger. „Bildung für alle“ ist ein hoher Anspruch, den wir immer besser einlösen möchten, aber nicht alles auf einmal schaffen können. Das gelingt uns nur gemeinsam mit den Schulen und in Kooperation mit den entsprechenden Landesbehörden.
Online-Redaktion: Und wo sehen Sie noch Herausforderungen?
Lohse: Nehmen wir den Kita-Bereich: Hier wird mit Hochdruck daran gearbeitet das erforderliche Platzangebot realisieren zu können. Als dringendstes Problem stellt sich nun der akute Personalmangel immer deutlicher heraus. Trotz vieler Ansätze zu dualen Ausbildungsgängen und der zielgruppenorientierten Werbung gelingt es uns nicht immer zeitnah, das erforderliche Personal für die Eröffnung neuer Gruppen zu finden. Das bedrückt mich wirklich sehr. Auch die gestiegenen Erwartungen an frühkindliche Bildung und Erziehung erfordern entsprechend qualifizierte Fachkräfte. Unsere „Offensive Bildung“, eine gemeinsame Initiative mit der BASF SE und den Trägern der Kindertagesstätten, hat gezeigt, dass Fortbildung auf der Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und fachliche Begleitung gute Wege sind, die Fachkräfte in ihrer pädagogischen Arbeit zu unterstützen. Aus- und Weiterbildung nehmen somit einen ganz wichtigen Stellenwert ein.
Wir wollen Familien entlasten, Beruf mit Familie vereinbar machen, und wir wollen unseren Kindern gute Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Im Rahmen des Bündnisses für Familie in der Metropolregion Rhein-Neckar entwickeln Betriebe Überlegungen und Konzepte zu familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen. Auch das finde ich sehr wichtig, dass jungen Familien verschiedene Möglichkeiten und Beschäftigungsmodelle offen stehen, die ihrer familiären Situation entsprechen. Das ist eine gute Unterstützung für eine familienfreundliche Entwicklung. So sehr wir alle Initiativen zu guter Bildung und Erziehung und gesundem Aufwachsen der jungen Menschen unterstützen, wir tragen schwer an den hohen finanziellen Lasten, die aus Bundes- und Landesgesetzen entstehen und zu großen Teilen von den umsetzenden Kommunen aufgebracht werden müssen. Ob Erweiterung des Kita-Angebotes und beitragsfreie Nutzung, ob Schulstrukturreform, Reduzierung des Klassenteilers, Schulbuchausleihe und Ganztagsschule, Gestaltung der Übergänge – überall ist die Kommune sowohl mit der Umsetzung als auch mit hohen Kosten beteiligt. Wir versuchen aber nach besten Möglichkeiten ein breites und gutes Angebot zu sichern.
Online-Redaktion: Sie sprachen von der Kooperation der Bildungseinrichtungen in Ludwigshafen. Welche Bedeutung haben Lokale Bildungslandschaften?
Lohse: Bildung und Erziehung lassen sich nicht segmentieren. Menschen lernen ständig, in allen möglichen Situationen, in unterschiedlichsten Kontexten und vor allem mit allen Sinnen. Deshalb ist es absolut sinnvoll, die verschiedenen Lernorte, ob Schule, Kita, Offene Jugendeinrichtung, Angebote von Verbänden und Vereinen, Kultureinrichtungen und Kulturinitiativen sowie die Familien mehr zusammenzudenken und teilweise auch konzeptionell zusammenzuführen. Jeder und jede Einzelne muss und kann in der Bildungslandschaft mit seinen Stärken und seinen Möglichkeiten an der wichtigen Aufgabe der Erziehung und Bildung unserer Kinder beteiligt sein. Diese Idee der Vernetzung der Akteure ist eine gute Orientierung. Sie gibt außerdem die Chance, ein vielfältiges Angebot aufrechtzuerhalten, auch bei begrenzten Ressourcen. Es entsteht Raum für Beteiligung von Bürgern und Eltern, ein wichtiges Prinzip einer demokratischen Gesellschaft.
Ganz wichtig ist mir an dieser Stelle: Eine Bildungslandschaft entsteht in einem Prozess, der Zeit braucht und jemanden, der diesen Prozess begleitet. Wir können nicht davon ausgehen, dass eine Bildungs- und Erziehungslandschaft von alleine entsteht. Somit bilden Zeit und Personal auch an dieser Stelle die notwendigen Voraussetzungen für einen gelingenden Prozess. Die Lokale Bildungslandschaft muss eine Verantwortungsgemeinschaft sein, in der sich die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche auf gemeinsame Wege verständigen, über Zuständigkeitsressorts hinweg. Für uns bedeutet das, dass es regelmäßige Gespräche mit der Schulbehörde gibt, denn die Schulen sind wichtige Partner in der Bildungslandschaft, stehen aber nicht in kommunaler Verantwortung. Schrittweise können wir gemeinsam die Bildungslandschaften weiter ausgestalten. In Ludwigshafen erproben wir das derzeit im Stadtteil Gartenstadt.
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