Lebensqualität und Ganztagsangebote: Stadt Passau : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten. Passau wurde vom Magazin „Kommunal“ sogar zur familienfreundlichsten Stadt Deutschlands gekürt. Dr. Bernhard Forster, Referent für Kultur, Schulen und Sport, im Interview.
Online-Redaktion: Herr Dr. Forster, Passau gilt als „familienfreundlichste Stadt Deutschlands“. Als gebürtiger Passauer und Referent für Kultur, Schulen und Sport kennen Sie die Stadt wie Ihre Westentasche. Was hat zu der Auszeichnung beigetragen?
Bernhard Forster: Zunächst einmal freuen wir uns sehr über die Auszeichnung, weil sie uns bestätigt, dass wir die Weichen richtig gestellt haben. Ich denke, dass ein ganzes Maßnahmenbündel dahintersteckt, von der Kinderbetreuung bis zum wirtschaftlichen Umfeld. Unsere Stadt wächst. 2011 hatten wir 48.623 Einwohner, 2019 waren es 52.540. Und auch die Geburtenrate steigt. Das zeigt uns: Familien fühlen sich wohl in Passau.
Ganz wesentlich dazu beigetragen hat sicherlich der Ausbau des Kinderbetreuungsangebots. Die Betreuungsquote der Drei- bis unter Sechsjährigen betrug zuletzt 99,8 Prozent, was uns – nicht zum ersten Mal – einen 1. Platz im bayernweiten Vergleich beschert hat. Auch haben wir die Zahl der Krippenplätze über das gesetzlich vorgegebene Ziel ausgebaut, genauso wie der Bereich der Kindertagespflege durch Tagesmütter oder -väter.
Außerdem hat die Stadt Passau eine koordinierende Kinderschutzstelle eingerichtet, die Familien und Alleinerziehende mit Kindern unterstützt und auch die Zusammenarbeit von Fachstellen und Einrichtungen verbessern soll. Insgesamt zwei Streetworker stehen mittlerweile zur Verfügung, um die Arbeit mit Jugendlichen in den Stadtteilen zu verstärken.
Online-Redaktion: Und wie sieht es im Bereich der Schulbildung aus?
Forster: Die Schulinfrastruktur ist für uns ganz zentral, und wir haben hier einen hohen finanziellen Aufwand: Stichwort Modernisierung der Schulgebäude, Ausbau einer digitalen Infrastruktur an den Schulen und natürlich die Unterstützung bei Ganztagsschulangeboten und Angeboten zur Mittagsbetreuung. Was man aber auch nicht vergessen darf, ist natürlich das Freizeitangebot, das die Familien stark in den Blick nimmt. Das gilt für attraktive Spiel- und Sportmöglichkeiten genauso wie für das große Kulturangebot in unserer Stadt.
Nicht zuletzt setzen wir einen großen Schwerpunkt auf die Wohnraumentwicklung, zum Beispiel mit günstigem Bauland in neuen Baugebieten, mit Maßnahmen, die in Neubaugebieten bestimmte Quoten für günstigen Wohnraum vorschreiben und der finanziellen Förderung für Familien bei Neubauten oder beim Erwerb von Immobilien. Und das wirtschaftliche Umfeld passt ebenfalls. Passau als Universitätsstadt ist Mittelpunkt einer starken, innovativen Wirtschaftsregion.
Online-Redaktion: Wie entwickeln sich die Schulstandorte in Passau?
Forster: Wir hatten im Schuljahr 2018/2019 insgesamt 6.439 Schülerinnen und Schüler, und im aktuellen Schuljahr 2019/2020 sind es 6.340. Der minimale Rückgang ist aber eine Momentaufnahme. Insgesamt gehen wir von gleichbleibenden Schülerzahlen mit steigender Tendenz aus. Stabil ist auch die Entwicklung der Schulen insgesamt. Seit 2004 haben wir hier bis auf die Schließung einer privaten Wirtschaftsschule keine Veränderung.
Online-Redaktion: Ist die Nachfrage nach Ganztagsschulangeboten bereits gedeckt?
Forster: Generell kann man sagen, dass die Nachfrage nach Betreuungsformen deutlich steigt. Gerade jetzt im Herbst wird an einer Grundschule wieder ein offenes Ganztagsangebot starten. Aktuell haben wir im Bereich der Schulen, für die wir Sachaufwandsträger sind, den gebundenen Ganztag an fünf Schulen und den offenen Ganztag an insgesamt sieben Schulen. Und schließlich gibt es noch an drei Schulen Mittagsbetreuung.
Als Sachaufwandsträger sind wir natürlich in erster Linie finanziell gefordert, und zwar über den kommunalen Mitfinanzierungsanteil. Der beläuft sich für die gebundenen Ganztagsschulklassen und für die offenen Ganztagsschulgruppen auf insgesamt rund 300.000 Euro, was gar keine so geringe Summe ist.
Die bisherige Vorgehensweise hat sich bewährt: Die Initiative geht immer von den Schulen aus, da hier der Bedarf natürlich unmittelbar eingeschätzt werden kann. Die Schule nimmt dann Kontakt mit uns auf, wir geben eine Stellungnahme ab, schließlich wird die Förderung im Schul- und Sportausschuss des Stadtrats beschlossen. Über die Einführung des Ganztagsangebots an einer Schule entscheidet dann schließlich die Regierung von Niederbayern.
Die Ganztagsbetreuung reißt aber noch viele andere Themen bei uns an, zum Beispiel die Raumsituation und die Raumausstattung. Aber wir sind hier in sehr gutem Kontakt mit den Schulen selbst und auch mit den staatlichen Stellen, insbesondere mit den Staatlichen Schulämtern in der Stadt und im Landkreis und mit der Regierung von Niederbayern.
Online-Redaktion: Gibt es für die Stadt Passau auch größere Herausforderungen?
Forster: Die größte Herausforderung für uns ist im Moment – das wird Sie nicht überraschen –alles, was mit Corona zu tun hat, und das betrifft alle Bereiche des Gemeinwesens, inklusive der Schulen und der Betreuungsangebote. Wir wollen das, was wir erreicht haben, auch unter den veränderten, schwierigeren Bedingungen weiterführen. Das werden wir wie bisher ruhig und besonnen angehen. Gerade jetzt sehen wir, wie gut es war, dass wir laufend in unsere Schulen investiert haben und investieren, so dass sich bei uns kein Investitionsstau aufgebaut hat. Natürlich kann man immer mehr machen. Aber insgesamt stehen wir gut da.
Online-Redaktion: Welche Schwerpunkte und Entwicklungen der Ganztagsbetreuung sehen Sie für die Zukunft?
Forster: Ich denke, dass das Thema Ganztagsschule und überhaupt die Kinderbetreuung eine ganz große Zukunftsaufgabe ist. Auch das wurde ja in verschärfter Form durch Corona sichtbar. Die Eltern sind im Beruf immer mehr gefordert, traditionelle Betreuungsformen in der Familie kommen durch die Veränderungen in der Arbeitswelt immer mehr unter Druck. Die Kinderbetreuung durch die Großeltern am selben Wohnort ist ja nicht mehr selbstverständlich. Eine Herausforderung ist sicherlich auch, die verschiedenen Formen der Ganztagsbetreuung aufeinander abzustimmen, so dass es ein in sich schlüssiges Konzept wird.
Das betrifft zum Beispiel die Frage nach dem offenen und dem gebundenen Ganztag, aber auch zunehmend die Frage, wie der schulische Ganztag mit vorschulischen Betreuungsformen oder einem Kinderhort mit vielleicht unterschiedlichen Trägern in Einklang gebracht werden kann. Wichtig ist, dass es jeweils passgenaue Lösungen gibt, die den Bedürfnissen der Eltern und der Kinder gerecht werden. Hier sind alle Beteiligten im Bereich Schule gefordert: die Eltern, die Schule über den pädagogischen Einsatz vor Ort und natürlich auch wir Kommunen als die Sachaufwandsträger. Aber ich denke, dass wir als Stadt Passau auf einem guten Weg sind!
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Kinder- und Jugendhilfe
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