Ganztagsschule in Seevetal: „Bei uns sind die Wege halt kurz“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
25 Kilometer südlich von Hamburg liegt die Gemeinde Seevetal. Immer mehr Familien zieht es hierhin, auch wegen der Ganztagsgrundschulen und Betreuungsangebote für Kinder. Manja Theuerkauff und Mike Wille im Gespräch.
Online-Redaktion: Was gab zum Schuljahr 2011/2012 den Ausschlag, an der Grund- und Hauptschule Meckelfeld den ersten Offenen Ganztag einzuführen?
Manja Theuerkauff: Die Initiative ging, kurz bevor wir als Gemeinde aktiv werden wollten, von der Schule selbst aus. Wir mussten alle feststellen, dass unsere Hortmöglichkeiten einfach nicht mehr ausreichten und die Hortgruppenräume für den Ausbau des Krippenangebotes benötigt werden.
Mike Wille: Man muss auch dazu sagen, dass sich das Empfinden und Verhalten der Eltern inzwischen erheblich verändert hat. Sie kennen die Ganztagsbetreuung aus der Kita und wünschen sich das auch für die Schule.
Online-Redaktion: Horte in Ganztagsschulen umzuwandeln, läuft zumeist nicht reibungslos ab…
Theuerkauff: Das war bei uns nicht anders. Es gab Widerstände von den Eltern, die einen Qualitätsverlust fürchteten. Die Befürchtungen konnten zerstreut werden, weil die Gemeinde durch hohe Zuschüsse dafür sorgt, dass eben nicht weniger Personal zur Verfügung steht und die Betreuungszeiten wie im Hort beibehalten wurden.
Wille: Die Vorbehalte gibt es nicht mehr. Das liegt tatsächlich im Wesentlichen an dem zeitlichen Umfang, aber eben auch dem inhaltlichen Angebot der Offenen Ganztagsschulen. Das aber ist nur möglich, weil sich die Gemeinde dieses Angebot einiges kosten lässt. Im aktuellen Schuljahr flossen rund 1,1 Millionen Euro in den Offenen Ganztag, nahezu dreimal so viel, wie die Landeszuschüsse ausmachen. Wir können uns das angesichts eines ausgeglichenen Haushalts erlauben, und es herrschte stets politischer Konsens, dass es sich hierbei um eine äußerst sinnvolle Investition handelt. Schließlich ist Seevetal eine wachsende und prosperierende Gemeinde. Viele Familien, die beruflich in Hamburg engagiert sind, suchen hier ihren Wohnort. Und jede freie Gewerbefläche ist im Handumdrehen weg. Dem tragen wir Rechnung.
Online-Redaktion: Glauben oder wissen Sie, dass das Bildungs- und Betreuungsangebot ein Grund für Familien ist, sich in Seevetal niederzulassen?
Theuerkauff: Wir wissen und hören das. Immer wieder kommen in unser Familienservicebüro Eltern, die sich vorstellen können, hierherzuziehen. Wenn sie hören, was wir auf diesem Gebiet anbieten, sind die Würfel manchmal schon gefallen.
Online-Redaktion: Solche Familienfreundlichkeit will geplant sein. Sind die Möglichkeiten der Gemeinde, ausreichend Plätze im Ganztag anbieten zu können, unerschöpflich?
Wille: Oh nein. Auch wir stoßen manchmal an unsere Grenzen. Wir haben die Schulentwicklung zwar bei allen Veränderungen der Gemeinde mit im Blick, doch auch wir sind vor Überraschungen nicht gefeit. So, wenn beispielsweise plötzlich eine Familie mit vier Kindern nach Seevetal zieht, zwei Kita- und zwei OGS-Plätze benötigt. Angesichts des Wachstums der Gemeinde, in der aktuell etwas mehr als 43.000 Menschen leben, wissen wir heute schon, dass wir mehr Plätze benötigen. Wir werden sie schaffen. Manchmal werden wir uns dann zwar zunächst einmal mit Übergangsbauten und Pavillons zufriedengeben müssen, aber die Festbauten werden schnell folgen.
Online-Redaktion: Vier der sieben Grundschulen, für die Sie als Gemeinde verantwortlich sind, bieten den Ganztag an, drei nicht. Eine Konkurrenzsituation?
Wille: Nein. Ich würde eher sagen, dass sich die beiden Möglichkeiten ergänzen. Unsere Familien schätzen die Wahlmöglichkeit, die sich ihnen bietet. Und die Schulen spüren, dass wir als Schulträger keine der beiden Formen bevorzugen. Als umfangreiche Umbaumaßnahmen an den OGS-Standorten erforderlich waren, hat die Gemeinde dort stärker investiert. Nun haben Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an den Schulen ohne Ganztag Priorität. Ich kann an dieser Stelle garantieren: Unsere Schulen ohne Ganztag bluten nicht aus, zumal sie nach wie vor über eigene Betreuungsangebote verfügen.
Theuerkauff: Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass wir es Eltern trotz fester Schulbezirksgrenzen auch ermöglichen, in begründeten Fällen eine Grundschule außerhalb ihres Wohnbezirks auszuwählen. Der ausdrückliche Wunsch, dass ein Kind in den Offenen Ganztag soll oder eben umgekehrt, wären derart begründete Fälle. Wenn die jeweilige Schule dann auch einverstanden ist, steht der Wahl der Lieblingsschule nichts mehr im Wege.
Online-Redaktion: Was zeichnet die vier Offenen Ganztagsgrundschulen in Hittfeld, Maschen, Meckelfeld und Ramelsloh Ihrer Meinung nach aus?
Theuerkauff: Ein guter Personalschlüssel, die Qualität des Unterrichts, die Nachmittagsangebote mit zahlreichen Arbeitsgemeinschaften und der zeitliche Umfang von circa 7.30 Uhr bis 17 Uhr dürften Gründe dafür sein, dass von den 976 Schülerinnen und Schülern derzeit 860 und damit rund 90 Prozent den Offenen Ganztag auch nutzen.
Wille: Ich glaube darüber hinaus, dass es alle Beteiligten zu schätzen wissen, wie eng und vertrauensvoll Schulen, der Träger des Ganztags und wir als Gemeinde zusammenarbeiten. Das gilt zum einen, wenn es darum geht, durchaus auftretende Probleme zu lösen oder Anschaffungen zu ermöglichen. Ich glaube, es ist kein Standard, dass mit Frau Theuerkauff die in der Gemeinde für Schule und Kita Verantwortliche bei allen Sitzungen der Schulleiterrunde mit am Tisch sitzt. Das gilt aber eben auch für den intensiven Austausch der in den OGS-Schulen tätigen unterschiedlichen Professionen. Das ermöglicht unterm Strich einen guten individuellen Blick auf jedes einzelne Kind. Bei uns sind die Wege halt kurz. Man kennt sich.
Online-Redaktion: Nicht nur die OGS ist stark nachgefragt, sondern auch die Ferienangebote. Die Info „Ausgebucht“ blinkt Interessierten schnell auf der Homepage der Gemeinde entgegen…
Wille: Die Nachfrage ist riesig. Das Ferienprogramm wird von etwa 800 Kindern in Anspruch genommen. Seit Einführung der ersten Ganztagsschule in Seevetal vor sieben Jahren wird zudem auch eine Ferienbetreuung angeboten. Begonnen haben wir mit einer Sommerferienbetreuung für etwa 50 Kinder. Die Teilnahmerzahlen sind jährlich gestiegen. So hatten wir im Jahr 2017 insgesamt 185 Kinder in der Sommerferienbetreuung und erwarten in diesem Jahr 218 Kinder. Tatsächlich können wir allen, die insbesondere eine mehrwöchige Betreuung wünschen, nur raten, ihr Kind möglichst schnell anzumelden. Für die Sommerferien 2018, die ja in Niedersachsen schon in dieser Woche beginnen, sind wir allerdings schon ausgebucht.
Aktuell bieten wir in Kooperation mit Vereinen und unseren beiden Jugendzentren viele ein- und mehrtägige Aktionen – Ausflüge, Tage in einer Lern- und Erlebniswelt, Eltern-Kind-Touren, aber auch eine Väter-Kind-Wanderung durchs Watt und sogar Reit- und Golfkurse an. Außerdem werden drei Wochen Betreuung in den Sommerferien durch unsere Fachabteilung Jugend an mehreren OGS-Standorten organisiert. Ab 2019 wird es wohl aus Organisationsgründen eine Zentralisierung am Standort der großen Grundschule Meckelfeld geben.
Online-Redaktion: Nach welchen Kriterien wählen Sie aus, wer teilnehmen kann, wenn nicht ausreichend Plätze vorhanden sind?
Wille: Wir müssen dann nach dem Zeitpunkt der Anmeldung und dem konkreten Bedarf priorisieren. Hierfür lassen wir uns für die Sommerferienbetreuung die Berufstätigkeit der Eltern durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers bestätigen.
Online-Redaktion: Eine Aufstockung der Plätze kommt nicht in Frage?
Wille: Mit den zur Verfügung stehenden Personalressourcen ist eine Aufstockung nicht mehr machbar. Wenn dies politisch gewollt ist, müssten zusätzliche finanzielle Mittel dafür bereitgestellt werden.
Online-Redaktion: Kommen nur OGS-Kinder in den Genuss der Ferienaktivitäten und was kosten diese?
Theuerkauff: Es sind alle willkommen. Kinder aus OGS-Schulen werden nicht bevorzugt. Die Preise für ein- oder mehrtägige Angebote variieren. Für eine mehrwöchige, ganztägige Betreuung zahlen Eltern 10 Euro pro Tag und 3,50 Euro für jedes Mittagessen.
Online-Redaktion: Das Angebot Seevetals für Bildung und Betreuung ist groß. Wenn Sie dennoch einen Wunsch frei hätten für die Zukunft, wie würde er lauten?
Wille: An den Seevetaler Grundschulen, die bisher noch nicht Ganztagsschule sind, kommen wir teilweise an die Kapazitätsgrenzen der Betreuungsangebote des pädagogischen Mittagstisches. Hier würden wir uns eine Erweiterung des Ganztagsschulangebotes wünschen.
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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