Ganztags unterwegs auf dem „Heilbronner Weg“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die Stadt Heilbronn hat beim Ausbau von Ganztagsschulen schon 2006 den „Heilbronner Weg“ eingeschlagen. Bürgermeisterin Agnes Christner erläutert im Interview das Konzept für die Weiterentwicklung bis 2020.
Online-Redaktion: Frau Bürgermeisterin, Heilbronn steht in der Ganztagsschulentwicklung mit an der Spitze in Baden-Württemberg. Was hat diese Entwicklung befördert?
Agnes Christner: Gemeinderat und Verwaltung haben schon früh den Bedarf an Ganztagsschulen und das Potenzial erkannt, das darin steckt. Schon 2006 hat der Gemeinderat den Grundstein zu einem bedarfsorientierten Auf- und Ausbau von ganztägigen Bildungsangeboten für alle Heilbronner Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen und weiterführenden Schulen gelegt. Unser Ziel war damals unter anderem die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Integration von sozial benachteiligten Schulkindern.
Online-Redaktion: Wie hat sich der Ausbau quantitativ entwickelt?
Christner: Bereits im Schuljahr 2008/2009 konnten wir an allen 19 Grundschulen und zwei Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), den ehemaligen Förderschulen, den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern ein bedarfsorientiertes und qualifiziertes Bildungsangebot im Ganztag zur Verfügung stellen. Dadurch hatte Heilbronn eine gute Ausgangssituation, als die Ganztagsschule in Baden-Württemberg im Juli 2014 gesetzlich verankert wurden. Die Weiterentwicklung der Heilbronner Schulen zu Ganztagsschulen nach Paragraf 4a war folglich nur ein weiterer Schritt zur qualitativen Weiterentwicklung unserer Grundschulen im Ganztagsbereich, da die notwendigen Strukturen schon vorhanden waren.
Diese Entwicklung hat sich dann konsequent fortgesetzt: Zum Schuljahr 2014/2015 starteten wir mit der Einrichtung einer verbindlichen Ganztagsschule an der Grundstufe eines SBBZ. Bereits zum Schuljahr 2015/2016, also ein Jahr nach der gesetzlichen Verankerung der Ganztagsschulen, waren 20 Prozent der Heilbronner Grundschulen und der SBBZ genehmigte Ganztagsschulen nach Paragraf 4a. Und zum Schuljahr 2016/2017 waren bereits ein Drittel der Schulen Ganztagsschulen nach dem Landesgesetz. Zum aktuellen Schuljahr 2017/2018 haben wir die 50-Prozent-Marke überschritten. Unser Ziel war und ist es, bis 2020 alle Schulen zu Ganztagsschulen nach Paragraf 4a weiterzuentwickeln.
Online-Redaktion: Wie ist der Bedarf der Eltern?
Christner: Im Schuljahr 2016/2017 nahmen bereits 54 Prozent der Heilbronner Grundschülerinnen und -schüler ein Ganztagsangebot wahr. Der Bedarf von Eltern an einem verlässlichen Bildungsangebot im Ganztag ist hoch, wie uns der stetige Anstieg der Nachfrage zeigt. Wir rechnen mit einem weiteren Wachstum, da in Heilbronn die Schülerzahlen weiter steigen werden.
Online-Redaktion: Welche Ganztagsformen wählen die Schulen?
Christner: Von unseren aktuell 18 Grundschulen und zwei SBBZ bieten zehn Schulen das offene Modell mit dem kommunalen Ganztagsangebot nach dem Heilbronner Weg an. Sechs Schulen haben sich zu Ganztagsschulen nach Paragraf 4a Schulgesetz in Wahlform weiterentwickelt, vier Schulen zu Ganztagsschulen in der verbindlichen Form. Der Ganztagsschulbetrieb bei den Schulen nach Landesgesetz findet an drei Wochentagen mit acht Zeitstunden statt.
In der verbindlichen Form nehmen alle Schülerinnen und Schüler der Schule am ganztägigen Betrieb teil. An Ganztagsschulen in Wahlform besucht ein Teil der Schülerschaft die Schule ganztägig, der andere Teil wählt die Halbtagsklasse. Die Schülerinnen und Schüler der Halbtagsklassen können ebenfalls das Angebot vor dem Unterricht sowie im Mittagsband bis 14 Uhr in Anspruch nehmen.
Online-Redaktion: Was charakterisiert den „Heilbronner Weg“?
Christner: Mit diesem Konzept stellt unsere Stadt die Weichen für ein flächendeckendes Ganztagsangebot an den Heilbronner Grundschulen und den SBBZ, sodass ein ganztägiges Angebot von mindestens 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr möglichst an fünf Tagen gesichert werden kann. Das Angebot steht den Familien ganzjährig, bis auf 32 Schließtage zur Verfügung. Heilbronn ging damit in Vorleistung bis zur Verabschiedung des Ganztagsschulgesetzes im Juli 2014. Der Heilbronner Weg läuft zum Ende des Schuljahres 2019/2020 aus. Bis dahin streben wir eine flächendeckende Weiterentwicklung der Heilbronner Grundschulen und SBBZ zu Ganztagsschulen an.
Die Ganztagsangebote sollen möglichst in Modulen angeboten werden, die eine flexible Inanspruchnahme durch die Eltern zulassen. Sie sollen für ein halbes Schuljahr gebucht werden können. Die Schulen stellen eine Essensversorgung sicher. Die Zusammenführung der verschiedenen Angebote zu einem einheitlichen Bildungskonzept an der Schule ist für uns ein wesentlicher Qualitätsfaktor.
Online-Redaktion: Welche Rolle spielt das Bildungsmanagement Ihrer Stadt in diesem Prozess?
Online-Redaktion: Die Einrichtung eines Büros für kommunales Bildungsmanagement war eine bewusste Entscheidung der Stadt zur qualitätsvollen Umsetzung der Ganztagsschulentwicklung. In diesem Büro wurde eine übergeordnete koordinierende Stelle als Scharnier zwischen Stadt, Schule, Eltern und Trägern der kommunal finanzierten Ganztagsangebote angesiedelt. Eine weitere Aufgabe des Bildungsbüros ist es, die Schulen bei der Gewinnung außerschulischer Bildungspartner zu unterstützen.
Ein Beispiel: Bei der Entwicklung der Schulen zu Ganztagsschule öffnet sich Schule hin zum öffentlichen Raum, das erfordert von den Schulleitungen einen erhöhten organisatorischen Aufwand. An Ganztagsschulen arbeiten zudem verschiedene Professionen, und ehemalige Klassenzimmer wandeln sich zu Multifunktionsräumen. Um die Beteiligten in diesem Prozess zu begleiten, finden an den Schulen regelmäßige Austauschtreffen statt, an denen diese Veränderungen angesprochen und bearbeitet werden. Das Schul-, Kultur- und Sportamt und die koordinierende Stelle beim Bildungsbüro stehen den Beteiligten dabei als vermittelnde Ansprechpartner zur Verfügung.
Online-Redaktion: Welche Bedeutung hat die Qualität der Ganztagsangebote?
Christner: Zur Sicherstellung und Organisation einer verlässlichen Zusammenarbeit haben die Schulen, die Träger der Ganztagsangebote und die Stadt eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben, in dem die wichtigsten Rahmenbedingungen festgeschrieben sind. In dieser Vereinbarung wird auch ein zweimal jährlich stattfindendes Treffen aller am Ganztag beteiligen Personen festgeschrieben. An diesen Terminen tauschen sich Schule, Trägervertreter, Eltern, Schulamt, Schulsozialarbeit und Vertreter des Bildungsbüros über die aktuelle Situation aus. Dieses Treffen ist ein wichtiger Baustein bei der Sicherstellung des Qualitätsstandards an der jeweiligen Schule.
Die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung findet auch durch regelmäßige Berichterstattung in der Lenkungsgruppe „Bildung und Betreuung“ und im Bildungsbeirat statt. Um den Qualitätsstandard an allen Heilbronner Schulen auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu sichern, finden regelmäßige Treffen mit der Amtsleitung und den Trägervertretern statt. Daran nehmen auch die geschäftsführenden Schulleitungen und der oder die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats teilnehmen.
Online-Redaktion: Gab oder gibt es besondere Herausforderungen auf diesem Weg?
Christner: Aktuell stehen wir vor zwei großen Herausforderungen: Eine ist der Mensaausbau, der seitens der Stadt als Schulträger einen hohen Investitionsbedarf erfordert. Die wachsende Zahl der Schülerinnen und Schüler, die das Mittagsband an der Schule verbringen, bedingt die Bereitstellung ausreichender Essensplätze. Die Ausweitung des Ganztagsangebots auf die Sekundarstufe I wird diesen Bedarf noch verstärken. Und zweitens ist die Stadt aktuell dabei, ein neues Konzept, das die Heilbronner Ganztagsschulentwicklung nach 2020 regelt, auszuarbeiten. Ziel ist dabei eine weitere Verzahnung von Schule, Ganztagsangeboten und Jugendhilfemaßnahmen. Wir erhoffen uns durch eine intelligente Verknüpfung von Jugendhilfe und Schulentwicklungsplanung Synergieeffekte, die einen positiven Effekt auf die stetig wachsenden Ausgaben der beiden Systeme haben.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
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