Ganztag in Braunschweig: Qualität und Kontinuität : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten. Für Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum ist Bildung ein Kernthema für die Zukunft. Die Stadt Braunschweig engagiert sich deshalb stark im Ganztagsausbau.
Online-Redaktion: Herr Oberbürgermeister, Sie sind seit 2021 im Amt. Braunschweig liegt nach einer aktuellen Studie auf Platz 4 der deutschen Top-10-Städte bezüglich der Lebensqualität. Was macht die Lebensqualität aus?
Dr. Thorsten Kornblum: Auch unsere eigenen Umfragen, wie zum Beispiel die koordinierte Städteumfrage, die wir in einem Gemeinschaftsprojekt mit anderen deutschen Städten durchführen, zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Braunschweigerinnen und Braunschweiger zufrieden ist, hier zu leben. Die Bürgerinnen und Bürger Braunschweigs sind mit den meisten Infrastrukturangeboten zufriedener als die Befragten im Durchschnitt der Städte.
Braunschweig bietet als Oberzentrum in der Region viele Vorteile einer Großstadt, beispielsweise im Hinblick auf kulturelle Angebote und Einkaufsmöglichkeiten, ist aber gleichzeitig eine Stadt der kurzen Wege. Wir haben einen starken Wirtschaftsstandort und in der Region eine der größten Forschungsdichten in Europa. Alle diese Aspekte machen Braunschweig zu einem attraktiven Arbeits- und Wohnort – insbesondere auch für junge Familien.
Online-Redaktion: Und mit Blick auf die Schullandschaft?
Kornblum: In Braunschweig gibt es ein sehr vielfältiges Bildungsangebot. Wir haben insgesamt 70 Schulen beinahe jeder Schulform in städtischer Trägerschaft, die es nach Niedersächsischem Schulgesetz gibt. Ausnahme ist die Oberschule. Die Schülerzahlen sind steigend. Aktuell gehen 24.872 Kinder und Jugendliche auf allgemeinbildende Schulen in Braunschweig. Rund 10.000 Schülerinnen und Schüler an den Berufsbildenden Schulen kommen dazu.
Online-Redaktion: Braunschweig hat kürzlich umfangreiche Raumprogramme für Schulen beschlossen. Welchen Bedarf sehen Sie beim Schulbau?
Kornblum: In Braunschweig bewegt sich richtig viel im Schulbau. Dabei werden Schulen umfangreich saniert, erweitert, und zum Teil werden neue Schulen gebaut. Aktuell bauen wir gerade gleichzeitig an 47 Schulen mit einem Gesamtvolumen von über 140 Millionen Euro. Schwerpunkt sind dabei vor allem die Grundschulen, die zu Ganztagsschulen ausgebaut werden. Aber auch an allen anderen Schulformen gibt es Bautätigkeiten. Zudem sind viele weitere Projekte in Planung. Bildung ist eines der Kernthemen für die Zukunft. Daher engagiert sich Braunschweig stark im Ganztagsausbau, in der Modernisierung der Gymnasien vor dem Hintergrund der Rückkehr zum Abitur nach 9 Jahren, in der Sanierung und Erweiterung von Schulen. Den steigenden Schülerzahlen begegnen wir auch mit dem Bau von zwei neuen Grundschulen und einer Integrierten Gesamtschule.
Online-Redaktion: Anfang September bilanzierte die „Braunschweiger Zeitung“ die Entwicklung des Ganztags. Danach sollen als „Übergangslösung“ auch Hort und Schulkindbetreuung ausgebaut werden. Was heißt Übergangslösung?
Kornblum: Über die Hälfte der Braunschweiger Grundschulen sind bereits Ganztagsschulen. An Schulen, die noch im Halbtagsbetrieb arbeiten, gibt es die sogenannte Schulkindbetreuung in und an der Schule. Unser Ziel ist es, alle Grundschulen sukzessive zu Ganztagsschulen auszubauen. Da wir dafür – bei allen Anstrengungen – aber mehr Zeit als bis 2026 benötigen, bauen wir auch die Schulkindbetreuung aus. So können wir den Rechtsanspruch gewährleisten, bis alle Grundschulen zu Ganztagsschulen erweitert worden sind.
Online-Redaktion: Was erwarten Eltern in Braunschweig von Ganztagsangeboten, wie ist die Nachfrage?
Kornblum: Die Eltern erwarten von den Ganztagsangeboten an den Braunschweiger Grundschulen Qualität und Kontinuität. Das heißt zum einen, dass die Erwartungen der Eltern an die Angebotsqualität wie in allen schulischen Bereichen hoch ist. Dies gilt für die Lern- und Lehrzeiten, die sich oftmals an den Unterricht anschließen, für die Kurs- und AG-Programme, die im außerunterrichtlichen Ganztag vorgehalten werden sowie für die Ausgestaltung der Betreuungsangebote, die in Braunschweig im Rahmen des Modells der Kooperativen Ganztagsgrundschule von Trägern der Jugendhilfe verantwortet werden.
Gerade die in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so wichtige Kontinuität und Verlässlichkeit des Ganztags finden im Braunschweiger Modell der Kooperativen Ganztagsgrundschule besondere Beachtung. Durch die jugendhilflichen Kooperationspartner werden hier für mindestens 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler verbindliche Betreuungsangebote von 13 Uhr bis 15 Uhr, 16 Uhr oder 17 Uhr sowie ganztägig in den Ferien vorgehalten. Es ist vor allem diese Komponente der Ganztagsgestaltung an den Braunschweiger Grundschulen, die es vielen Eltern ermöglicht, berufstätig zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Nachfrage nach Ganztagsangeboten in Braunschweig sehr hoch ist.
Online-Redaktion: Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel im Bildungsbereich, und wie geht die Stadt damit um?
Kornblum: Der Fachkräftemangel ist eine, wenn nicht die zentrale Herausforderung im Bildungsbereich. Dies gilt im Besonderen auch in der Schulkindbetreuung und somit auch für die Beteiligung der Jugendhilfe am Betrieb der Ganztagsgrundschulen in Braunschweig. Schwierigkeiten bei der Besetzung vakanter Stellen und hohe Krankenstände gehören mittlerweile zum Alltag aller Träger der Betreuungsangebote an den Ganztagsgrundschulen. Die Stadt Braunschweig selbst ist für die Betreuung von rund 1.000 Schulkindern als Anstellungsträger verantwortlich und bemüht sich sehr um eine erfolgreiche Personalakquise. Mit regelmäßigen Teilnahmen an Ausbildungsmessen, einem attraktiven Onlineauftritt sowie kundenorientierten Stellenangeboten wollen wir dem Fachkräftemangel begegnen.
In diesem Zusammenhang wird eine der Stärken unseres Braunschweiger Modells der Kooperativen Ganztagsgrundschule deutlich: Durch die gelebte Zusammenarbeit von Schule, Jugendhilfe und Stadt sind hier die negativen Auswirkungen des Fachkräftemangels deutlich geringer als bei den Bildungsangeboten, die in alleiniger Verantwortung einzelner Bildungsakteure liegen. Die Synergien, die sich aus der Kooperation ergeben, ermöglichen an vielen Ganztagsgrundschulen eine Angebotskontinuität, die gerade aufgrund des Fachkräftemangels andernfalls nicht zu gewährleisten wäre.
Online-Redaktion: Braunschweig hat ein eigenes Bildungsbüro und eine Bildungsberichterstattung. Warum sind beide wichtig?
Kornblum: Die Bildungsberichterstattung ist die Grundlage für die Analyse der Bildungslandschaft und für die Identifikation von Handlungsbedarfen. So können wir zum Beispiel sehen, in welchen Stadtteilen die Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen gestärkt werden muss. Im Bildungsbüro werden dann entsprechende Maßnahmen konzipiert. So ist beispielsweise die Schulbildungsberatung Braunschweig, kurz: SchuBS, entstanden. Hier werden neu nach Braunschweig zugewanderte Familien zu der passenden Schulform für ihr Kind beraten. Diese Beratung wird auch für Familien in den Stadtteilen mit besonderem Handlungsbedarf angeboten.
Online-Redaktion: Welche Schwerpunkte möchten Sie in den nächsten Jahren in der Bildung noch setzen?
Kornblum: Das Thema Schulbau und vor allem der Ganztagsausbau wird auch in den kommenden Jahren zentral sein. Ergänzend dazu werden wir uns noch stärker mit dem Thema Raumpädagogik auseinandersetzen, also mit der Frage, wie Schulräume der Zukunft vor dem Hintergrund neuer pädagogischer Anforderungen aussehen können. Dazu starten wir gerade ein Kooperationsprojekt mit einer Braunschweiger Schule und der TU Braunschweig.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Lokale Bildungslandschaften
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