Bremerhaven stärkt Qualitätssicherung und Vernetzung : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsschulen. Heute im Interview: Michael Frost, Stadtrat für Schule und Kultur in Bremerhaven.

Die Qualität der Bildungsangebote an Ganztagsschulen steht im Mittelpunkt der künftigen Arbeit der Stadt Bremerhaven. Das betont der Stadtrat für Schule und Kultur in Bremerhaven, Michael Frost, im Gespräch mit www.ganztagsschulen.org.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung messen Sie Bildung und Betreuung in Bremerhaven zu?

Michael Frost: Auf der Grundlage der Novellierung des Bremischen Schulgesetzes hat die Stadt Bremerhaven eine umfassende Bildungsreform eingeleitet, mit der sie auf die Ergebnisse verschiedener nationaler und internationaler Vergleichsstudien wie PISA, TIMSS und IGLU reagiert. Ziel unserer Bestrebungen ist es, die Bildungsbeteiligung insgesamt zu erhöhen und Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft der Kinder zu beheben. Hierbei gewinnt der Ausbau der Betreuungsplätze in Krippen und Kindertagesstätten ebenso entscheidende Bedeutung wie die inklusive Beschulung aller Kinder in der neuen Oberschule.

Dazu gehört auch der Ausbau der Ganztagsschulen in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I. Schwerpunkt der Schulreform ist die Durchlässigkeit nach oben, um den Bremerhavener Schülerinnen und Schülern den Weg zum bestmöglichen Schulabschluss zu eröffnen. Wir bemühen uns, die Übergänge zur beruflichen Bildung und Ausbildung zu vereinfachen sowie transparente Unterstützungssysteme zu installieren, damit Jugendliche und Ausbildungsbetriebe passgenau zueinander finden.

Online-Redaktion: Wie sehen die Angebote in Bremerhaven derzeit aus, und gibt es einen Ausbaubedarf?

Frost: Zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung führt Bremerhaven mit Unterstützung des Landes ein umfassendes Ausbauprogramm für zusätzliche Krippen- und Kita-Plätze durch. In den vergangenen Jahren wurden außerdem zahlreiche Grundschulen zu Ganztagsschulen ausgebaut. Darüber hinaus gibt es bereits vier offene Ganztagsschulen in der Sekundarstufe I. 2013 wird eine zweite Oberschule in eine gebundene Ganztagsschule umgewandelt.

Die ganztägige Beschulung ermöglicht eine gezielte Förderung von Talenten und Neigungen der Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen ist der weitere Ausbau von Schulen zu Ganztagsschulen geplant, allerdings gilt das verstärkte Augenmerk der Schulverwaltung derzeit der Qualitätssicherung der bereits eingerichteten Ganztagsschulen. 

Online-Redaktion: Welche Bedeutung haben Ganztagsschulen für die Eltern und Kinder im Bremerhaven?

Frost: Der Idee nach richtet sich das Ganztagsschulangebot in erster Linie an berufstätige Eltern, die auf eine Betreuung ihrer Kinder während des Arbeitstages angewiesen sind. Ebenso wichtig ist das Ganztagsangebot für Kinder, die unter schwierigen sozialen Bedingungen aufwachsen. In der Ganztagsschule erhalten sie neben dem Unterricht auch Angebote zur Entfaltung ihrer Interessen und Neigungen, die in den Familien häufig nicht genügend gefördert werden können. Förder- und Bildungsangebote im Ganztagsbereich erhöhen die Bildungschancen auch für viele Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.

Online-Redaktion: Wie zufrieden sind Sie mit der derzeitigen Bildungs- und Betreuungssituation, und wo hapert es vielleicht noch?

Frost: Nach den hohen Investitionskosten für die Einrichtung der Ganztagsschulen, in denen in der Regel zusätzliche Räume, Mensen usw. geschaffen werden müssen, geht es im nächsten Schritt um die Qualitätssicherung der pädagogischen Angebote. Wenn Ganztagsschulen die Bildungschancen der Kinder verbessern sollen, benötigen sie dafür qualifiziertes Personal und einen Mix aus Lehrkräften, sonder- und sozialpädagogischen Fachkräften, Schulpsychologen, Erziehern und Erzieherinnen. Der weiterhin hohe Anteil an Honorarkräften, den die Schulen zur Absicherung ihres vielseitigen Angebots beschäftigen, ist dabei auch mit Problemen behaftet, da langfristig nur fest eingestelltes Personal zur Qualitätssicherung und zur Kontinuität der pädagogischen Arbeit beiträgt.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung haben Lokale Bildungslandschaften?

Frost: In dem Maße, wie Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, wächst auch der Kooperationsbedarf mit anderen Trägern und Institutionen. In der Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendhilfe, wie zum Beispiel Jugendfreizeiteinrichtungen, mit Sportvereinen und anderen Initiativen sehen wir pädagogische Synergieeffekte. Sportvereine können durch die Beteiligung am Ganztagsangebot nicht zuletzt Nachwuchsförderung betreiben und dabei auch Kinder und Jugendliche erreichen, die sich vom traditionellen Vereinssport nicht angesprochen fühlen. Andererseits tragen sie zu einem abwechslungsreichen und attraktivem Sportangebot in den Schulen bei.

Schulische und außerschulische Beratungs- und Unterstützungssysteme können in gemeinsamen Runden, zum Beispiel auf Stadtteilebene, koordiniert werden. Das 2012 eingerichtete „Regionale Beratungs- und Unterstützungszentrum“ (REBUZ), in dem verschiedene schulische Dienste wie etwa Hilfestellungen für Schulvermeider, sozialpädagogische Angebote und Schulpsychologischer Dienst zusammengefasst wurden, ist für die Sozialen Dienste anderer Ämter (Soziales, Jugend) ein fester Ansprechpartner im Krisenfall. In seiner Arbeit wird es von den an den Schulen direkt tätigen Schulsozialarbeitern und Schulsozialarbeiterinnen unterstützt.

In der Idee der weitergehenden Vernetzung befindet sich die Stadt Bremerhaven im Zusammenhang mit dem Projekt „Lernen vor Ort“ in der Phase der engeren Kooperation auf der Steuerungsebene der Dezernate für Jugend und Schule. Gemeinsames Interesse ist die Schaffung verlässlicher und effizienter Unterstützungssysteme für die Übergänge, zum Beispiel zwischen den Kindertagesstätten und der Primarstufe, aber auch für die Übergänge aus der Schule in die Berufsausbildung oder von der Ausbildung in den Beruf.

Grundvoraussetzung ist ein gemeinsames pädagogisches Leitbild der Akteure, dem wir uns im Jahr 2013 widmen werden. 

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