Bildungsregion Osnabrück: Ganztagsschule braucht Partner : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Mit ihrem ersten Fachtag "Schule den GANZen TAG als Lern- und Lebensort gestalten" am 24. März 2017 setzte die Bildungsregion Osnabrück starke Impulse für die Zukunft.
Der Fachbereich Bildung, Schule und Sport und der Fachbereich Kinder, Jugendliche und Familie der Stadt Osnabrück waren am 24. März 2017 die Gastgeber des Fachtags „Schule den GANzen TAG als Lern- und Lebensort gestalten“ in der Volkshochschule Osnabrück. Thomas Nachtwey, der lange die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Niedersachsen geleitet hat, ist im Fachbereich als Bildungskoordinator zusammen mit Ute Tromp und Beate Seipelt zuständig für die Etablierung der Bildungsregion.
Das Ministerium hat als Teil der „Qualitätsoffensive Bildung“ seit Anfang 2015 mit 32 Kommunen Rahmenvereinbarungen für Bildungsregionen geschlossen, darunter vor zwei Jahren auch mit der Stadt und dem Landkreis Osnabrück. Zur Unterstützung der Kommunen ordnet das Land bis zu 23 Lehrkräfte als Bildungskoordinatoren ab und fördert die Bildungsregionen mit jährlich 2 Millionen Euro. Die Bildungskoordinatorinnen und -koordinatoren bringen unter anderem ihre schulischen Erfahrungen in die Arbeit ein.
Die Bildungsregion widmet sich dem Bildungsangebot für alle Menschen in Stadt und Landkreis. Frank Andreas ist als Mitarbeiter der Niedersächsischen Landesschulbehörde in der Regionalabteilung Osnabrück quasi der Gegenpart von Nachtwey auf Landesseite. Für ihn ist die Bildungsregion „das Zukunftsthema“: „Wir wollen weg von den ganzen Parallelstrukturen, und die Bildungsregion schafft dazu ein nachhaltiges Dach.“
„Bildungsregion bedeutet Beziehungspflege“
In einem kontinuierlichen Prozess wird mit möglichst vielen Partnern ein regionales Bildungsnetzwerk auf- oder weiter ausgebaut. „In Osnabrück hatten wir den Vorteil, dass sowohl Stadt als auch Landkreis bereits Kommunen im BMBF-Förderprogramm 'Lernen vor Ort' gewesen waren und sich viele Akteure bereits kannten“, erzählt Frank Andreas. „In der Bildungsregion vernetzen wir nun gezielt alle Bildungsinstitutionen vertikal und horizontal. Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Beratungsstellen, Wirtschaft, Vereine und Kirchen arbeiten zusammen, um alle Bürgerinnen und Bürger mit einem möglichst breiten, professionellen und bedarfsgerechten Bildungsangebot bestmöglich zu unterstützen. Wir können dabei auf die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium in Person von Angela Reimers und in Osnabrück in Person von Thomas Nachtwey zählen.“
In Osnabrück haben sich Steuergruppen der Fachbereichsleiter und der beteiligten Institutionen gebildet, die viermal jährlich tagen. Arbeitskreise beschäftigen sich thematisch mit dem Übergang Kita – Schule, dem Ganztag oder dem Übergang Schule – Beruf und nutzen dabei die Expertise von Erzieherinnen und Erziehern, Schulleitungen und Lehrkräften. „Wenn es Fragen oder Probleme gibt, können wir von Landesseite auch Experten wie Juristen vermitteln“, so Frank Andreas. „Und es ist wichtig, rauszugehen und Gesicht zu zeigen. Bildungsregion bedeutet auch viel Beziehungspflege, Beratung und Unterstützung. Dazu dienen Veranstaltungen wie dieser Fachtag, aus denen die Schulen sozusagen Honig saugen können.“
Mit ihrem ersten Fachtag wollte die Stadt Osnabrück Impulse zur Entwicklung der Schullandschaft geben. Vor allem will sie Schulen und ihre Kooperationspartner bei der Gestaltung ganztägiger Bildungsangebote unterstützen. Die Teilnehmenden demonstrierten durch viele Fragen an die einzelnen Referentinnen und Referenten ebenso wie in den Diskussionen untereinander, wie hoch der Informationsbedarf ist. Viele Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen und pädagogische Fachkräfte kamen von Schulen, die den Umwandlungsprozess zur Ganztagsschule noch vor sich haben.
Ganztagsschule braucht Partner in der Bildungsregion
Im eröffnenden Podiumsgespräch bildete sich die Zusammenarbeit in der Bildungsregion ab: Angela Reimers vom Referat für Gesamtschulen und Ganztagsschulen im Kultusministerium, Stadtrat Wolfgang Beckermann und Frank Andreas umrissen jeweils aus ihrer Perspektive das Thema Ganztag. Beckermann führte aus, dass in Osnabrück der Ausbau der Ganztagsschulen ein „strategisches Stadtziel“ sei. Noch fehlen rund 1.000 Ganztagsplätze im Grundschulbereich: „Wir hinken dem Bedarf der Eltern hinterher. Das Tempo ist mir nicht schnell genug.“
Angela Reimers erklärte: „Die Ganztagsschule ist ein bildungspolitischer Schwerpunkt der Landesregierung. Uns muss die Frage leiten, was Kinder für ein gelingendes Aufwachsen brauchen, sodass sie später ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Die Ganztagsschule braucht dazu Partner in der Bildungsregion. Eine Gelingensbedingung ist die Transparenz. Nehmen Sie sich die Zeit, sich über Ihre Erwartungen zu verständigen. Und auch die Kinder sollten gefragt werden, was sie sich unter einer guten Ganztagsschule vorstellen.“
Den Impulsvortrag „Schule den ganzen Tag gestalten“ hielt Dr. Ilse Kamski von der Technischen Universität Dortmund. Sie zeigte auf, was bei der Schulentwicklung zum Ganztag berücksichtigt werden sollte.
„Zum Start sind Schulen bemüht, sich für die Eltern und die Schülerinnen und Schüler mit einem möglichst großen Blumenstrauß von AG-Angeboten so attraktiv wie möglich zu machen“, so die Diplom-Pädagogin. „Doch damit können sich Schulen auch verzetteln. Sie sollten stattdessen schauen, welche Angebote zu Ihrem Profil, Ihren Schülern und ihrem Umfeld passen.“ Schließlich müssten die Angebote mit dem Unterricht verknüpft werden, beides soll im konzeptionellen Zusammenhang stehen. Die Ganztagsschule ermögliche die Gestaltung größerer Zeiteinheiten, aber auch beispielsweise individuelle Entwicklungspläne für Schülerinnen und Schüler.
Erzieherinnen und Erzieher sind keine Hilfslehrer
Den von Ilse Kamski als „neuralgisches Element“ bezeichneten Hausaufgaben widmete sich der Workshop „Lern- und Arbeitszeiten statt Hausaufgaben“ von Birgit Schröder, Co-Leiterin der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Nordrhein-Westfalen, und Herbert Boßhammer, frisch pensionierter Serviceagentur- und Schulleiter im Unruhestand. Sie stellten klar, dass in den Hausaufgabenzeiten eingesetzte Erzieherinnen und Erzieher keine Hilfslehrer seien.
„Ihre Aufgabe besteht darin, für die Organisation der Lernzeiten zu sorgen, die Kinder zu unterstützen, wenn sie eine Frage haben, ohne mit ihnen die gesamte Aufgabe durchzugehen. Und sie können gegebenenfalls dem Bewegungsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler nachkommen“, so Birgit Schröder. Lehrerinnen und Lehrer sollten einmal in der Lernzeit beziehungsweise der Hausaufgabenbetreuung hospitieren, umgekehrt die Erzieherinnen und Erzieher auch den Unterricht kennen, um zu sehen, wie und wo Probleme mit den Aufgaben entstehen.
„Was häufig als erstes erkannt wird, ist, dass der Umfang der Aufgaben zu groß ist“, berichtete Herbert Boßhammer. Beachtet werden müsse, dass den Eltern ohne Hausaufgaben ein „Fenster in die Schule“ fehle. Um dieses zu ersetzen und für die Eltern transparent zu sein, können Schulen Lerntagebücher oder Portfolios einsetzen, in die Lerninhalte und -fortschritte eingetragen werden und die die Kinder mit nach Hause nehmen.
Stadtteilbezogenes Ganztagskonzept: „Ideal, kein Kompromiss“
Im Workshop „Schule und Jugendhilfe in gemeinsamer Verantwortung“ zeigten Stephan Maykus, Professor für Methoden und Konzepte der Sozialen Arbeit an der Hochschule Osnabrück, und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anneka Beck am Beispiel einer Schülerin der Grundschule Eversburg die Bedürfnisse von Kindern auf und die Folgerungen, die sich für die Gestaltung einer Ganztagsschule ergeben. „Kinder wie Emma wollen nicht nur tolle AGs, sondern auch freie und ungebundene Zeit zum Spielen und Basteln. Und vor allem Orte, an denen sie sich zurückziehen können“, erklärte Anneka Beck, die Interviews mit den Schülerinnen und Schüler geführt hat. Der Rückzugsort an der Grundschule Eversburg ist ein Gartenlabyrinth.
Stephan Maykus erläuterte: „An der Schule gibt es eine Malwerkstatt, in der einfach nur auf den Tischen Blätter und Malstifte ausliegen und wo die Schüler frei malen können. Die Kinder lieben das.“ Es sei wichtig, vom Kind aus zu denken, so der Erziehungswissenschaftler. „Ein erweitertes Bildungsverständnis sollte ins Konzept der Schule aufgenommen, mit Leben gefüllt und offensiv vor den Eltern vertreten werden. Das soziale Lernen wird den Unterricht beeinflussen.“ Ein stadtteilbezogenes Schulkonzept sei dabei das „Ideal, kein Kompromiss“, betonte Maykus.
Für ihn ist der nächste logische Schritt in Osnabrück, dass die Schulen – ob noch Halbtagsschulen oder schon Ganztagsschulen – miteinander ins Gespräch kommen, wie es in seinem Workshop bereits geschah. Die Fachbereiche Bildung und Kinder wollen den Rahmen dazu schaffen. Zum Abschluss kündigte Thomas Nachtwey an, dass die Tagung ein Auftakt zu Gesprächskreisen ist, die künftig an wechselnden Schulstandorten stattfinden werden.
Kategorien: Kooperationen - Kulturelle Bildung
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