Bildung in der Stadt: Ganztagsangebote in Augsburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten, wie die Stadt Augsburg mit dem Bildungsförderprogramm „300 Millionen für unsere Schulen“. Über den weiter steigenden Bedarf und die Vorhaben bis 2030 spricht Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl im Interview.

Online-Redaktion: Herr Oberbürgermeister, die Stadt Augsburg lag in Bayern früh beim Ganztagsausbau vorne. Was waren die Gründe?

Kurt Gribl: Als Kommune ist es unsere Aufgabe, das Bildungs- und Betreuungsangebot an die Lebensrealität der Familien in Augsburg anzupassen. Und in einer Großstadt ist der Bedarf deutlich höher als etwa in ländlichen Regionen, weil in vielen Familien beide Elternteile berufstätig sind. Ohne eine verlässliche Betreuung wäre das den Eltern nicht möglich. Kurze Wege und die Angebote direkt in der Schule bringen für die Familien viele Vorteile mit sich. Auf diese Entwicklung hat die Stadt frühzeitig reagiert und den Ausbau des schulischen Ganztags angepackt.

Schon bevor wir unser breit angelegtes Bildungsförderprogramm „300 Millionen für unsere Schulen“ im Jahr 2015 gestartet haben, hatten wir rund 32 Millionen Euro in den Bau von Schulmensen sowie Unterrichts- und Aufenthaltsräumen investiert. Die Schulen haben sich diesem Trend nicht verschlossen und unsere Ambitionen des Ausbaus der Ganztagsschulangebote stets aktiv begleitet. Letztendlich kann eine qualitativ hochwertige Bildung und Betreuung nur dann erfolgreich funktionieren, wenn alle Beteiligten dasselbe Ziel vor Augen haben und ihren Beitrag beisteuern.

Rathausplatz Augsburg
Das Augsburger Rathaus © Guido Radig, CC-BY 3.0

Online-Redaktion: Wie hat sich der Bedarf von Eltern in Stadtteilen und Schulen zuletzt entwickelt?

Gribl: Der Betreuungsbedarf steigt bei uns in allen Stadtteilen. Das zeigen die Zahlen ganz deutlich. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der offenen Ganztagsklassen in Augsburg von 35 auf 103 verdreifacht. Noch gravierender ist der Anstieg im gebundenen Ganztag – von 14 auf aktuell 129 Klassen. Und die Nachfrage ist nach wie vor groß. Vor allem in den unteren Jahrgangsstufen steigt der Bedarf nach einer verlässlichen Betreuung. Wir spüren diesen Nachfragedruck bereits enorm im vorschulischen Alter, und dieser Trend wird sich noch weiter in die Grundschule fortsetzen.

Online-Redaktion: Welche Ganztagsformen – offen, teilgebunden, gebunden – wählen die Schulen?

Gribl: Die Wahl der bevorzugten Ganztagsform richtet sich meist nach der Schulart. In den Grundschulen gibt es den offenen Ganztag in Bayern erst seit dem Schuljahr 2015/2016 als Modellversuch. Davor wurde hier nur der gebundene Ganztag angeboten – oder alternative Formen wie die Mittagsbetreuung. Bis dahin hatten wir im Grundschulbereich einen starken Anstieg der Klassen im gebundenen Ganztag zu verzeichnen.

Schülerinnen und Schüler essen in der Mensa
© Grundschule Augsburg-Kriegshaber

Seit dem Schuljahr 2016/2017 wird der offene Ganztag in Grundschulen nun flächendeckend angeboten. Dieses Angebot ist verstärkt im Kommen. Oftmals wird auch ein bestehendes Angebot einer Mittagsbetreuung in den deutlich besser finanzierten offenen Ganztag überführt. Aktuell liegt der Anteil der Grundschüler im offenen Ganztag mit 10 Prozent nur noch knapp unter denen im gebundenen Ganztag mit 12 Prozent. Ab der 5. Jahrgangsstufe bieten in Augsburg nur Mittelschulen sowie unsere beiden städtischen Gymnasien und das Gymnasium bei St. Anna für die unteren Jahrgänge gebundene Ganztagsklassen an. Der offene Ganztag hat in dieser Schulart klar die Nase vorn.

Letztendlich spielt die Form für uns als Sachaufwandsträger aber nur eine untergeordnete Rolle. Für den gebundenen und den offenen Ganztag müssen vergleichbare Voraussetzungen geschaffen werden. Die Schülerinnen und Schüler benötigen zusätzliche Aufenthaltsräume und ein warmes Mittagessen. Ob eine Mensa nur vom gebundenen oder offenen Ganztag genutzt wird, spielt für die Investition kaum eine Rolle.

Online-Redaktion: Was ist das Augsburger Bildungsförderprogramm?

Gribl: Das Bildungsförderprogramm „300 Millionen für unsere Schulen“, das wir 2015 gestartet haben, ist ein groß angelegtes Projekt im Kultur- und Bildungsförderprogramm der Stadt Augsburg. Unser Ziel ist es, durch nachhaltige Investitionen den Sanierungsstau an unseren Schulen aufzulösen und die Schulen gemäß den Anforderungen an eine zeitgemäße und moderne Bildung fortzuentwickeln – zum Beispiel durch den Ausbau der IT-Infrastruktur in den Schulgebäuden oder durch eine zukunftsweisende Ausstattung der naturwissenschaftlichen Fachräume. Der Freistaat Bayern hat für dieses Programm seine besondere Unterstützung in Form höherer FAG-Fördersätze zu Gunsten der Stadt Augsburg zugesichert.

Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl bei einer Rede
© Ruth Plössel/Stadt Augsburg

Derart umfangreiche Investitionen lassen sich natürlich nicht von heute auf morgen stemmen. Das Programm ist langfristig bis mindestens 2030 angelegt. Momentan befinden sich die Maßnahmen der ersten Tranche mit einem Gesamtvolumen von über 100 Millionen Euro in der Umsetzung. Einige Projekte sind bereits abgeschlossen, hier wurden bereits rund 25 Millionen Euro investiert. In Planung sind derzeit fünf weitere Projekte mit einem Volumen von mehr als 35 Millionen Euro – und viele weitere werden folgen.

Online-Redaktion: Wie verlaufen die Planungsprozesse?

Gribl: Der Planungsprozess wird in der Regel von der Schulverwaltung gesteuert. Die sammelt die Bedarfe der Schulen und übersetzt diese dann beispielsweise in ein Raumprogramm für eine Schulhauserweiterung. Im Schulbereich laufen gegenwärtig verschiedene Bauprojekte, vom Mensaneubau bis hin zur grundständigen Sanierung und Modernisierung ganzer Schulhäuser oder Komplexe. Durch die neu eingeführten Förderbandbreiten im Bereich der Grundschulen und der Gymnasien haben die Sachaufwandsträger mittlerweile mehr Spielraum bei der Festlegung eines förderfähigen Raumprogramms. Dies kommt natürlich den zu betreuenden Schulen zugute.

Grafik offener Ganztag: Entwicklung der Schul- und Gruppenzahlen
... oder offener Ganztag „spielt für die Investition kaum eine Rolle“. © Stadt Augsburg

Die gesamte Planung wird selbstverständlich fortlaufend mit dem späteren Nutzer, der jeweiligen Schule, abgestimmt. Gerade hier sind wir auf konstruktive Anregungen aus dem alltäglichen Schulbetrieb angewiesen. Auch die Schulaufsichtsbehörden werden intensiv miteinbezogen, da die schulaufsichtliche Genehmigung als Grundvoraussetzung für eine spätere staatliche Mitfinanzierung nach dem FAG, dem Bayerischen Finanzausgleichgesetz, benötigt wird. Allerdings verspüren auch wir die Auswirkungen der aktuellen Hochkonjunktur vor allem im Baubereich. Unsere Bauverwaltung hat Schwierigkeiten, geeignete Baufirmen zu vertretbaren Preisen zu gewinnen. Dies führt wiederum zu Verzögerungen oder auch zu Kostensteigerungen.

Online-Redaktion: Engagiert sich die Stadt auch in Fragen der Qualität der Ganztagsangebote?

Gribl: Nahezu sämtliche Ganztagsangebote in Augsburg bestehen an Schulen des Freistaats Bayern. Die Stadt Augsburg fungiert lediglich als Sachaufwandsträger und stellt die nötige bauliche und ausstattungstechnische Infrastruktur für den Schulbetrieb und natürlich auch den Ganztag zur Verfügung. Darüber hinaus entrichten die Sachaufwandsträger in Bayern pro Gruppe oder Klasse eine jährliche Mitfinanzierungspauschale in Höhe von 5.500 Euro an den Staat. Die Verantwortung für die Inhalte und die Qualität liegt jedoch bei den staatlichen Schulen beziehungsweise den übergeordneten Stellen der Schulaufsichten.

Neben den staatlichen Schulen unterhält die Stadt Augsburg eine Reihe kommunaler Schulen. So ist fast das ganze Berufsschulwesen in städtischer Trägerschaft. Ferner betreiben wir auch zwei kommunale Gymnasien, die bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich ihre ganztägigen Angebote anbieten. Hier unterstützen wir die Qualität im Ganztag nicht nur mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden durch unser eigenes Lehrpersonal, sondern auch mit extra für den Ganztag eingestellten pädagogischen Hilfskräften. Oftmals können interessierte Lehramtsstudenten für diese Tätigkeiten gewonnen werden.

Dr. Gribl und das Orchester des Rudolf-Diesel-Gymnasiums vor dem Publikum
Das Rudolf-Diesel-Gymnasium wird bis 2030 umfassend saniert. © Ruth Plössel/Stadt Augsburg

Seit geraumer Zeit überprüfen wir zudem die Qualität unserer städtischen Schulen im Rahmen eines umfangreichen Prozesses der externen Evaluation. Unsere städtischen Berufsschulen haben diese externen Begutachtungen fast abgeschlossen und konnten von dem Wissen bundesweiter Experten profitieren. Dieses Instrument der Qualitätssicherung- und  fortentwickelung übertragen wir derzeit auch auf unsere beiden Gymnasien und die städtische Realschule. Dabei sollen auch die jeweiligen Ganztagsangebote überprüft werden.

Online-Redaktion: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Gribl: Im Bereich der Ganztagsschule wird die Nachfrage sicherlich noch weiter zunehmen. Die Entwicklung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen zeigt dies klar. Hier gilt es, die verschiedenen Angebote miteinander in Einklang zu bringen. Viele Familien bevorzugen beispielsweise außerschulische Betreuung, etwa in einem Hort. Die Kommunen und dort die Jugendhilfe- und die Bildungsplanung müssen möglichst passgenaue Ausbaupläne im Betreuungsbereich entwickeln. Hier sind wir in Augsburg auf einem sehr guten Weg.

Einen entsprechenden Beschluss zur Ausbauplanung der Ganztagsbetreuung haben wir im vergangenen Jahr gefasst; hier müssen wir nun die gesteckten Ziele in den Grundschulsprengeln umsetzen. Außerdem wollen wir mit Hilfe des geförderten Programms „Bildung integriert“ ein datenbasiertes Bildungsmanagement aufbauen und fest verankern. So können die vorhandenen Bildungs- und Betreuungsangebote analysiert, gebündelt und bedarfsgerecht fortentwickelt werden.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

 

Zur Person:

Dr. jur. Kurt Gribl, Jg. 1964 ist gebürtiger Augsburger. Er besuchte die Grundschule Augsburg-Kriegshaber und das Justus-von-Liebig-Gymnasium Neusäß im Landkreis Augsburg. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg und der Promotion absolvierte er die Referendarausbildung im Bezirk des Oberlandesgerichtes München bei der Regierung von Schwaben, im Landratsamt Augsburg, bei der Stadt Augsburg und im Landgericht Augsburg. Ab 1993 war er viele Jahre in einer Augsburger Rechtsanwaltskanzlei tätig und erhielt 2005 die Zulassung als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er war unter anderem Mitbegründer der Gesellschaft für Stadtplanung und Urbanistik Augsburg und von 2004 bis 2007 Dozent an der Hochschule Technik und Wirtschaft Dresden und der Hochschule Mittweida. 2008 wurde Gribl zum Oberbürgermeister der Stadt Augsburg gewählt und 2014 wiedergewählt. Seit 2015 gehört er dem Präsidium des Deutschen Städtetags an. 2017 wurde er zum Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags gewählt.

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