Stadt Arendsee: Ganztag und Hort in starker Gemeinschaft : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Kommunen sind Impulsgeber beim Ausbau von Ganztagsangeboten. Arendsee in Sachsen-Anhalt ist mit dem Rechtsanspruch auf Ganztag bisher gut gefahren. „Die Eltern kennen es nicht anders“, sagt Bürgermeister Norman Klebe.
Online-Redaktion: Arendsee wirbt für sich als „Perle der Altmark“. Was macht Ihre Stadt so attraktiv?
Norman Klebe: Die wunderschöne Natur mit dem herrlichen See alleine schon machen die Stadt attraktiv. Wir sind anerkannter Luftkurort mit schönen Ortschaften und einer Kernstadt, in der rund 2.400 Menschen gerne leben. Wir sind natürlich stark ländlich geprägt, verfügen aber über eine ausgesprochen gute Infrastruktur. Zu ihr zählen fünf Kitas, zwei Horte, zwei Grund- und eine Gemeinschaftsschule. Die Schulen sind komplett saniert und digitalisiert. Das Gesamtpaket ist reizvoll für Alteingesessene, lockt aber auch Familien, die gerne ruhig leben, an und führt dazu, dass Menschen, die irgendwann als junge Erwachsene weggezogen sind, wieder heimkehren.
Online-Redaktion: Eine Ihrer Grundschulen trägt den Namen „Auf Zack“. Darf man den Titel auch auf die Bildung in Arendsee übertragen?
Klebe: Ich glaube, dass ich das, ohne zu übertreiben oder durch die rosarote Brille zu sehen, mit „Ja“ beantworten kann. Wir müssen natürlich unterscheiden und berücksichtigen, wo wir zuständig sind und „frei“ handeln können. Da Bildung und das Lehrpersonal Landessache sind, können wir „nur“ die „Hülle“, also die Schulgebäude und deren Ausstattung, aber auch beispielsweise das Personal in unseren zwei Horten stellen.
Der Engpass bei den Lehrkräften ist bekannt und bereitet uns natürlich wie allen anderen Städten Kopfzerbrechen. Doch, was die Arbeit der Grundschulen und der vom Kreis getragenen Gemeinschaftsschule, die bis vor drei Jahren noch eine Sekundarschule war, angeht, kann ich nur sagen: Die sind auf Zack. Jedenfalls sagen uns die weiterführenden Schulen – unsere ganztägig arbeitende Gemeinschaftsschule und das mit ihr kooperierende Gymnasium Salzwedel –, dass die Grundschülerinnen und -schüler gut vorbereitet zu ihnen kommen.
Online-Redaktion: In Ihrer Jahresbilanz 2022 heben Sie für die Grundschulen Arendsee und Fleetmark die Glasfaseranschlüsse, digitale Tafeln und Tablets hervor. Was bedeutet die Digitalisierung der Schulen für die Stadt, aber auch für die Schülerinnen und Schüler?
Klebe: Wir alle wissen, dass die Digitalisierung unser aller Leben und Arbeiten stark beeinflusst. Also ist es unsere Aufgabe, die Voraussetzung zu schaffen, dass die Schülerinnen und Schüler früh einen verantwortungsvollen Umgang damit erfahren und leben. Als der Digitalpakt der Bundesregierung verabschiedet wurde, haben wir uns mit den Lehrkräften über seine Umsetzung ausgetauscht. Es wurden drei Pakete geschnürt und schrittweise umgesetzt: digitale Tafeln für alle Klassenzimmer, WLAN für alle Räume sowie Tablet-Endgeräte für Schülerinnen und Schüler.
Online-Redaktion: In manchen Regionen Deutschlands liegen die Geräte zwar in den Schulen, doch das Internet funktioniert nur unzureichend…
Klebe: Wir wussten und wissen um die Bedeutung eines schnellen Netzes. Darum sind wir als Gemeinde selbst aktiv geworden und haben einen Zweckverband gegründet. Das Ergebnis ist ein starkes Glasfasernetz, das den Schulen, den Privathaushalten, aber auch uns als Gemeinde zu Nutzen kommt. Auch ältere Gebäude mit signalhemmenden dicken Wänden verfügen über ein starkes Netz.
Online-Redaktion: Wo konkret profitiert die Gemeinde davon?
Klebe: Es ist ein wichtiger Standortvorteil, wenn das Homeoffice für alle möglich ist. Wir wissen, dass viele Menschen zu uns nach Arendsee aus Ballungsräumen zurückkommen, weil sie problemlos von zu Hause arbeiten können. Darunter sind Programmierer und Web-Designer, die es genießen, auf einem Bauernhof oder in einem Haus in unseren Neubaugebieten mit toller Weite und guter Luft arbeiten zu können. Wenn dann die Infrastruktur stimmt, Kita- und Schulplätze vorhanden sind, die Kriminalität niedrig ist, sprich die weichen Standortfaktoren passen, kommen sie gerne hierher. Wir spüren das konkret bei unserer Einwohnerzahl. Sie ging in den 1990er Jahren schrittweise immer mehr zurück, jetzt ist sie wieder angestiegen auf 6.850.
Online-Redaktion: Welche Bedeutung hat die Gemeinschaftsschule für den Standort Arendsee?
Klebe: Grundsätzlich befreit sie die Eltern von der sehr frühen Entscheidung, welche Schulform sie für ihr Kind für geeignet halten. Wir sehen, dass immer mehr Eltern die Gelegenheit nutzen, ihr Kind länger im Ort zur Schule zu schicken. Wer nach dem Abschluss der zehnten Klasse nicht zum Abitur tendiert, der findet hier gerade im handwerklichen Bereich gute Ausbildungs- und anschließend Arbeitsmöglichkeiten. Der „Tag der Berufe“, der jährlich von der Gemeinschaftsschule veranstaltet wird, zeigt den jungen Menschen die Möglichkeiten auf. Auch bei uns in der Verwaltung sind Schülerinnen und Schüler, die Spaß am Lernen und Arbeiten haben, herzlich willkommen. Was wir bieten, präsentiere ich am „Tag der Berufe“.
Online-Redaktion: Nutzen die Schulen die technischen Möglichkeiten, um den Unterricht digitaler zu gestalten?
Klebe: Eindeutig ja. Auch bei uns gab es verständlicherweise, insbesondere bei älteren Lehrkräften, durchaus Vorbehalte und Berührungsängste. Darauf haben wir reagiert. Als Gemeinde haben wir Fortbildungen angeboten. Die Hardware-Schulung habe beispielsweise ich selbst übernommen. Eine große Hilfe beim Einsatz der neuen Medien sind auch die Schülerinnen und Schüler. Sie sind oft fitter als wir Erwachsenen und zeigen uns, wie es geht. Bei einem guten Miteinander ist vieles möglich.
Online-Redaktion: Auch dass der Bürgermeister schult …
Klebe: Das Zusammenleben in einer kleinen Gemeinde lebt vom Miteinander, davon, dass man sich kennt und unterstützt. Ich habe schon als Schüler mit meinem Physiklehrer Computer zusammengeschraubt. Das ist ein Hobby von mir. Deshalb kümmern sich mein Stellvertreter und ich auch um die gesamte EDV der Verwaltung. Da lag es auf der Hand, dass ich die Lehrkräfte schule. Es ist wie beim erwähnten Zweckverband. Ich kann darüber jammern, dass etwas von anderen, die vielleicht eher zuständig sind, nicht umgesetzt wird, oder ich kann das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen. Letzteres bevorzugen wir.
Online-Redaktion: Gilt das auch für die Suche nach Kooperationspartnern für den Ganztag?
Klebe: Natürlich versuchen wir, die Schulen dabei mit Kontakten zu unterstützen. In den Horten sind wir auf Externe kaum angewiesen. Das, was nach dem Mittagessen in der Schulmensa und den Hausaufgaben ansteht, erledigen unsere Erzieherinnen und Erzieher. Wenn es für die Schulen darum geht, Arbeitsgemeinschaften auf die Beine zu stellen, ist tatsächlich das Engagement der Leitung und ihrer Teams gefragt.
Sie rennen im wahrsten Sinne des Wortes los, sprechen Menschen mit spannenden Angeboten an. So kommt es dann zur Kooperation mit dem Handwerk, den Vereinen, etwa auch dem Segelsportverein. Wir haben vielleicht aufgrund der Größe von Arendsee weniger Auswahl, doch die starke Gemeinschaft erhöht wiederum die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Online-Redaktion: Was löst der Gedanke an den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 bei Ihnen aus?
Klebe: Jedenfalls keine Panik. Sachsen-Anhalt hat den Rechtsanspruch ja schon und ist damit gut gefahren. Hier hat die Betreuung bekanntlich Tradition. Das, was wir jetzt schon anbieten, hat für mich den Charakter von Ganztag. Die Eltern kennen es nicht anders. Sie wissen, ihre Kinder bekommen in der Schule zu essen, haben die Hausaufgaben erledigt, wenn sie nach Hause kommen. Von daher erwarten wir keinen extrem stark steigenden Bedarf. Die Lehrerversorgung bereitet uns verständlicherweise auch Kopfzerbrechen.
Wobei wir den Schulen dankbar sind. Sie bemühen sich, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst so für die Arbeit an ihren Schulen zu begeistern, dass sie hier bleiben. Aber ich muss auch sagen: Die aktuell vorhandenen 150 Hortplätze in der Grundschule „Auf Zack“ sind auch jedes Jahr ruckzuck belegt. Sollte die Situation eintreten, dass wir die Schulen erweitern müssen, würde es wie in jeder Stadt und Gemeinde schwer. Aber auch dann werden wir die Köpfe zusammenstecken und nach Lösungen suchen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Kooperationen - Kinder- und Jugendhilfe
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