Spielend lernen im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Am 11. und 12. Februar 2016 findet in Remscheid der traditionsreiche Spielmarkt statt. Marietheres Waschk spricht im Interview über die Bedeutung des Spielens.
Online-Redaktion: Frau Waschk, welchen Stellenwert hat das Spielen in der Pädagogik?
Marietheres Waschk: Spielen ist für Kinder allgegenwärtig, und über das Spielen lernen Kinder auch besonders gut. Zum Beispiel treffen sie für die Dauer eines Spiels bestimmte Absprachen, die sie für die Spieldauer auch konsequent einhalten. Merken sie, dass das Spiel keine Freude mehr bringt, verändern sie die Absprachen. Da bringen sie eine soziale Leistung aus sich heraus. Das, was wir uns von Kindern wünschen, Absprachen einzuhalten und sich aufeinander einzulassen, machen sie im Spiel ganz nebenbei. In der Akademie Remscheid vermitteln wir den in der Pädagogik Tätigen das Spiel als kind- und jugendgerechte Methode, um ganzheitliches Lernen zu forcieren. Kinder und Jugendliche sollen lernen, aber nicht nur durch Wissensvermittlung, sondern auch durch Erleben.
Online-Redaktion: Welche Altersgruppen sprechen Sie an?
Waschk: Das geht vom Kindergarten bis zum Abitur. In unseren Kursen sind Kindergärtnerinnen und Tagesmütter, Lehrkräfte aus weiterführenden Schulen und Mitarbeiter aus dem offenen Ganztag. Sie sollen ein pädagogisches Rüstzeug an die Hand bekommen.
Ein kleines Beispiel: Man möchte Gruppen einteilen, will aber nicht immer die gleichen Schülerinnen und Schüler die gleichen Gruppen bilden lassen. Das kann man durch Einteilen erledigen. Oder aber man kann eine Spielsituation herbeiführen, die man plötzlich stoppt, und wer gerade beieinander steht, bildet jeweils eine Gruppe. Dann gibt es kein Gemaule, dass derjenige aber nicht mit jemand anders zusammen lernen will... Sondern die Kinder akzeptieren das aus der Spielsituation heraus.
Es gibt auch immer wieder Momente, in denen ich die Schülerinnen und Schüler auffordern muss, ruhiger zu sein, oder es ihnen ermöglichen will, zwischendurch mal Dampf abzulassen. Natürlich kann ich da versuchen, die Kinder und Jugendlichen zu reglementieren oder sie drei Runden über den Sportplatz laufen lassen. Aber wenn ich eine Spielsituation einsetze, die für sie vielleicht auch neu ist, dann sind sie mit Freude dabei und merken gar nicht, dass sie nebenbei auch lernen. Und danach können sie sich umso besser wieder auf das Lernen konzentrieren.
Online-Redaktion: Der Spielmarkt Remscheid hat eine lange Tradition, es gibt ihn seit 1980. Wer stellt dort aus oder präsentiert sich dort?
Waschk: Es hat sich ein fester Stamm von Ausstellenden herausgebildet, die ihre Erfindungen und Spiele vorstellen. Bekannt ist zum Beispiel Lothar Walschik, der Fadenspiele präsentiert. Fadenspiele sind fast vergessen, dabei sind sie sehr praktisch und kurzweilig – einen Faden kann man immer schnell mitnehmen. Fadenspiele fördern die Motorik und das kreative Denken, und man kann sie auch zu zweit oder zu dritt spielen. Wenn man bei Lothar Walschik einen Workshop besucht hat, hat man mit einem Faden in der Tasche 100 Spielideen dabei.
Oder Carsten Adlung, der einen eigenen Spieleverlag mit ganz vielen kleinen Kartenspielen führt. Da gibt es unterschiedlichste Spielideen, die Spiele können von zehn Minuten bis drei Stunden dauern. Das Interessante ist hier, dass Carsten Adlung früher ADHS, also Aufmerksamkeitsprobleme, hatte und gemerkt hat, dass er die mit dem Kartenspielen besser in den Griff bekam. Das möchte er anderen weitergeben. Insgesamt sind es rund 40 Ausstellende, mit denen ein gezielter Austausch möglich ist und an deren Ständen ich die Spiele auch selbst ausprobieren kann.
Dann gibt es Ausstellende, die zu unserem diesjährigen Sonderthema „grenzenlos“ kommen. Hier steht das Spiel als Brücke zwischen kulturellen Identitäten im Mittelpunkt. Diesmal sind beispielsweise das Deutsche Kinderhilfswerk und der Landschaftsverband Rheinland als Kooperationspartner dabei. Der LVR wird ein Forum anbieten, in dem er zeigt, wie offene Ganztagsschulen als Raum für kulturelle Begegnungen mit Kindern genutzt werden können.
Online-Redaktion: Sie haben gerade ein Forum angesprochen. Es werden also nicht nur Spiele präsentiert?
Waschk: Nein. An einem der beiden Spielmarkt-Tage bieten wir immer den ganzen Tag auch Fortbildungen an. Am Donnerstag gibt es Praxis pur: Jeweils zur vollen Stunde beginnen 45-minütige Workshops von pädagogischen Fachkräften. Es wird ein Planspiel zum Thema Flüchtlinge mit transkulturellen Spielen wie Spielen ohne Worte geben, die dort vorgestellt werden.
Die Besucher können die Praxisbeispiele mit in ihre Einrichtungen nehmen und dort eins zu eins umsetzen. Ich muss mir also nicht mühsam selbst Spielideen aus Büchern anlesen, sondern informiere mich gleichzeitig mit dem praktischen Kennenlernen der Spiele, welche Bildungsinhalte ich damit vermitteln will und welche Methoden ich dabei nutze. Es fällt dann wesentlich leichter, das später selbst praktisch umzusetzen. Das ist ein absolutes Pfund.
Am Freitag gibt es eine Mischung aus Theorie und Praxis. Neben den Workshops finden Fachforen statt, in denen es fachliche Inputs zu bestimmten Themen geben wird. Zum Beispiel wird neben dem Ganztagsschulforum des LVR ein Forum von kultureller Diversität und ihren Auswirkungen gerade in Schule und in Kinder- und Jugendhilfe handeln.
Online-Redaktion: Wie ist zum diesjährigen Motto „grenzenlos“ zu erwarten?
Waschk: Mit dem Sonderthema möchten wir gerade aktuelle Themen, die in der pädagogischen Praxis auftauchen, behandeln und mit der Methode Spiel wirksam verknüpfen. Das Sonderthema wird sich wie ein roter Faden durch die Workshops und die Fachforen ziehen. So gibt es mehrere Veranstaltungen, die sich mit Deutsch als Zweitsprache befassen, wo unter anderem auch Unterrichtsmaterialien vorgestellt werden. Daneben organisiert das Jugendzentrum „Die Welle“ aus Remscheid eine Fotoporträt-Ausstellung „Wir alle sind Remscheid“. Hier haben sich Jugendliche gegenseitig fotografiert.
Online-Redaktion: Es gibt immer mehr Ganztagsschulen. Kommen dementsprechend mehr Schulen zum Spielmarkt?
Waschk: Wir bemühen uns darum, mehr Schulen zu erreichen, und haben deshalb auch die Öffnungszeiten verlängert. Denn leider ist es so, dass die am Donnerstag und Freitag im offenen Ganztag eingesetzten pädagogischen Fachkräfte nicht einfach ersetzt werden können, damit sie uns besuchen kommen können. Insgesamt merken wir , dass die Zahl der Besucherinnen und Besucher aus den Schulen steigt. Die Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schulen und Jugendarbeit NRW wird auch vor Ort sein und gerade für Schulen einen Input geben.
Online-Redaktion: Hat Spielen im Ganztag schon den Stellenwert, den es verdient?
Ich würde mir wünschen, dass das Spiel viel mehr Einzug in die Ganztagsschulen hält. Leider ist es so, dass die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die meine Fortbildungen besuchen, oft für die Betreuung der Lernzeit eingesetzt werden und es gar keine Zeit zum Spielen gibt. Schön ist es, wenn in manchen Ganztagsschulen diese beiden Dinge schon verbunden werden, die Schülerinnen und Schüler also sich ihre Lerninhalte spielerisch erarbeiten und auch interaktiver lernen. Und ermutigend ist es auch, dass an vielen Schulen das freie Spiel schon einen hohen Stellenwert hat. Das ist eine sehr gute Entwicklung.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!
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