MIXED UP: Tür auf für mehr Partizipation : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Sieben stolze Gewinner, sieben Ganztagsschulen. Im 11. MIXED UP-Wettbewerb wurden am 26. Oktober 2015 in Düsseldorf herausragende kulturelle Bildungsprojekte ausgezeichnet.
Ganz so spannend wie bei einer „Oscar“-Verleihung geht es an diesem 26. Oktober 2015 im Düsseldorfer Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (zakk) nicht zu, denn die Gewinner des 11. MIXED UP-Wettbewerbs hat die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) bereits zuvor bekannt gegeben. Das mindert dennoch nicht die Freude der Ausgezeichneten. Jedes Projekt wird auf der Bühne im Gespräch mit Moderatorin Lydia Dimitrow ausführlich gewürdigt und kann sich des Applauses im vollbesetzten Plenum sicher sein.
Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) honoriert die BKJ seit 2005 mit dem MIXED UP-Wettbewerb gelungene Modelle der Zusammenarbeit von Trägern der Kulturellen Bildung mit Schulen im gesamten Bundesgebiet: Sechs Kooperationen erhalten in unterschiedlichen Kategorien Preise, die mit insgesamt 15.000 Euro dotiert sind. Seit 2013 wird zusätzlich ein siebter Preis durch das jeweilige Gastgeber-Bundesland ausgelobt. In diesem Jahr ist das Nordrhein-Westfalen.
Eingebettet war die Preisverleihung in den Fachtag „Kulturelle Bildung in der Schule: Tür auf für mehr Partizipation“ mit einem Vortrag von Prof. Dr. Werner Lindner von der Fachhochschule Jena zum Thema Partizipation, mit einer Gesprächsrunde und mit vier Thementischen, an denen sich Schulen und Kulturinstitutionen mit ihren Angeboten vorstellten.
„Partizipation muss mehr sein als die Klimaanlage, die das Alte reibungslos weiterlaufen lässt“, sagte Lindner zum Auftakt des Tages. Partizipation gehöre zur DNA der Kulturellen Bildung. Sie müsse klug organisiert werden und insbesondere ermöglichen, Bildungslandschaften und Sozialraum einzubeziehen, um die Lebensweltentfernung der Schule zu ergänzen. Kulturelle Bildung als Träger müsse wiederum eine Schule „lesen lernen“ und deren spezifische Bedingungen erkennen. „Partizipation in und mit der Schule ist eine ständige Grenzbearbeitung. Sie ist auch mit Verlust- und Kontrollängsten der Pädagogik belastet. Es ist aber Sinn von Pädagogik, sich irgendwann selbst überflüssig zu machen.“
Kulturelle Teilhabe für alle
In diesem Jahr haben sich 265 Projekte für die MIXED UP-Preise beworben. Eine Fachjury und eine Jugendjury wählten die sechs Preisträgerprojekte aus. Gerd Taube, Vorsitzender der BKJ, sieht die Co-Produktion der kulturellen Bildung als eine zentrale bildungspolitische Herausforderung. Sie könne nur gelingen, wenn die Partner gleichberechtigt beteiligt seien. Die Einrichtung der Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ durch das BMFSFJ mit einem Schwerpunkt auf Projekten kultureller Bildung sei hier ein guter Beitrag.
Bettina Bundszus, Leiterin der Abteilung „Kinder und Jugend“ im BMFSFJ, überreichte die Preise an die Kooperationspartner. Einleitend erklärte sie: „Die aktuelle Shell-Jugendstudie zeigt, dass viele Jugendliche zweifeln, ob sie gehört werden. Hier müssen wir alle Vertrauen zurückgewinnen. Unser Ministerium fördert auch daher nur noch Projekte, die einen partizipativen Ansatz mit den Kindern und Jugendlichen als Experten in eigener Sache haben.“ Mit Blick auf die aktuelle Situation wies sie darauf hin, dass die kulturelle Bildung einen bedeutsamen Beitrag für die soziale und kulturelle Teilhabe von Flüchtlingen, leistet.
Zwei der sechs Bundespreisträger hatten die Teilhabe von Flüchtlingen direkt zum Thema. „Orte in der Fremde – Vernetzungen“, ein Kooperationsprojekt der Hauptschule Bad Zwischenahn mit slap – social land art project e. V. und dem Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg, wurde von 26 Schülerinnen und Schülern der Sprachlernklasse durchgeführt. In der neuen Umgebung des niedersächsischen Ammerlandes bot das Projekt ihnen nicht nur ein abwechslungsreiches Kulturprogramm, sondern brachte sie auch mit Land und Leuten in Kontakt.
Im Ammerland erkundeten die Kinder und Jugendlichen in einer Projektwoche zu Fuß die Region. Zur Dokumentation entstanden anschließend Linolschnitte in verschiedenen Druckverfahren, die im Rahmen der Sonderausstellung „Ein Leben in Netzen – Warum wir ohne nicht sein können“ im Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg zu sehen waren. „Kulturelle Bildung bietet Methoden an, die keine Sprache braucht“, erklärte Schulleiter Peter Röben zur Preisverleihung in der Kategorie „Ländlicher Raum“.
„Ich hatte Tränen in den Augen“
„Weiß Gott wann“, heißt das Kooperationsprojekt der SchlaU-Schule für Flüchtlinge mit Jugendliche ohne Grenzen (JOG), den Münchner Kammerspielen und dem Schulprojekt Integration durch Sofortbeschulung und Stabilisierung (ISuS). Ein Kernstück des Vormittags- und Nachmittagsunterrichts an der SchlaU-Schule ist es, den Jugendlichen über das Medium Theater den Austausch über soziale Gegebenheiten hinaus zu ermöglichen. Aus biografischem Material und Recherchen erarbeiten sie gemeinsam eine Inszenierung.
Mit dem an „Romeo und Julia“ angelehnten „Weiß Gott wann“ entstand ein Theaterstück, das in den Münchner Kammerspielen seine Aufführung fand und Antworten auf die Fragen sucht: Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, dass Flüchtlingen viele Bereiche verschlossen bleiben? Wie kann eine interkulturelle Gesellschaft aussehen?
15 Schülerinnen und Schüler einer 8. Klasse der Staatlichen Regelschule Menteroda in Thüringen erkundeten auf einer einwöchigen Fahrradtour das Zeitalter der Romantik, das sie zusammen mit dem Jugend-Musik-Netzwerk CLARA des MDR, dem Novalis-Museum Schloss Oberwiederstedt, dem Literaturkreis Novalis e. V. und anderen künstlerisch aufbereiteten. Schülerin Lea ist begeistert: „Es war toll, weil wir alles selbst erfahren konnten.“ Und die Lehrerin Heike Cott berichtete: „Ich habe meine Schülerinnen und Schüler erlebt wie noch nie. Ich hatte Tränen in den Augen, als sie ihre Texte vorlasen – so erwachsen für 14-Jährige, dass ich es gar nicht glauben konnte.“ Das Projekt „Romantische Zeitreise“ gewann in der Kategorie „Start up“.
Dauerbrenner und Generationen-Werkstatt
Bereits 2005 war die Kooperation der Berliner Erika-Mann-Grundschule mit dem MACHmit! Museum für Kinder ausgezeichnet worden. Nachdem Marie Lorbeer vom MACHit! auf der letztjährigen MIXED UP-Jubiläumsveranstaltung den Wunsch geäußert hatte, dass auch langfristige Kooperationen bedacht werden sollten, schuf die BKJ die Kategorie „Dauerbrenner“. Und prompt gewannen die Erika-Mann-Grundschule und das MACHmit! Museum mit ihrem Projekt „zündeln und lodern“. Wir sind über die Jahre immer enger zusammengewachsen“, bilanzierte Rektorin Birgit Habermann. So sind inzwischen das gesamte Lehrerkollegium sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums an der Themenplanung beteiligt.
Die Jugend- und die Fachjury hatten jeweils einen Preis in der Kategorie „Partizipation“ ausgelobt. Den der Jugendjury gewann die „Generationen-Werkstatt Flingern-Süd“ in Düsseldorf, eine Kooperation der Katholischen Grundschule Mettmanner Straße und Keywork – Soziale Plastik im Quartier e. V. mit Künstlerinnen und Künstlern. Die Ganztagsschule bietet den Schülerinnen und Schülern offene, frei wählbare Lernfelder, in denen sie handwerklich partizipativ und selbstorganisiert arbeiten und lernen können.
„Alle Kinder auf die Bühne!“, ein Projekt der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule und der Theaterwerkstatt Staatstheater in Wiesbaden mit dem tanzlabor 21, gewann ebenfalls einen Partizipationspreis. Wie der Name des Projekts sagt, haben sich alle Schülerinnen und Schüler der Förderschule ungeachtet ihrer körperlichen Beeinträchtigungen an der Umsetzung des selbst geschriebenen Theaterstückes beteiligt, das am 11. März 2015 im Staatstheater zur Aufführung kam. Michael Töpler, Jury-Mitglied und Vorsitzender des Bundeselternrats, erklärte zur Auswahl der Fachjury: „Der Ganztag bietet Freiräume, von denen man dachte, dass es sie so in der Schule nicht mehr gibt.“
MIXED UP: Ausweitung auf die frühkindliche Bildung
Den Gewinner des nordrhein-westfälischen Landespreises, das Projekt „Kulturdonnerstag der Gemeinschaftsgrundschule Schönforst in Aachen, zeichnete Schulministerin Sylvia Löhrmann aus. „Die Querschnittsaufgabe, hier ab der 1. Klasse Kunst in die Schule zu bringen, findet nicht nur donnerstags statt“, lobte die Ministerin. Die Streicherklasse, die zum Schluss der Veranstaltung auch spielte, der Rhythmik-Kurs mit Samba-Instrumenten, der Brückenbau aus Holz, die Töpferwerkstatt, Theater oder Zirkus – die Kunst ist auch dank Partnern wie der Musikschule der Stadt Aachen, der Bleiberger Fabrik und des Ludwig-Forums in der offenen Ganztagsschule allgegenwärtig.
Zum Abschluss gab Abteilungsleiterin Bettina Bundszus noch eine gute Nachricht bekannt: „Das BMFSFJ wird MIXED UP auch weiterhin fördern, und wir werden den Wettbewerb um die frühkindliche Bildung erweitern.“
Kategorien: Ganztag vor Ort - Schulporträts
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