Mit Musik ins Ganztagsangebot : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Kirchenmusik, Chöre, Musikschulen oder Blasorchester – in Hessen bringt eine neue Rahmenvereinbarung noch mehr Musik in Ganztagsangebote. Beate Sondermann vom Landesmusikrat im Interview.

Online-Redaktion: Frau Sondermann, welche Aufgaben hat der Landesmusikrat?

Beate Sondermann: Wie in jedem Bundesland gibt es auch in Hessen einen Landesmusikrat, also einen Dachverband der Verbände und Institutionen des Musiklebens. Wir sind als eingetragener Verein mit einem ehrenamtlichen Vorstand organisiert, und dieser Vorstand hat mich als hauptamtliche Geschäftsführerin eingesetzt. Wir vertreten die professionellen Musikverbände, die Kirchenmusik, aber auch die Amateurmusik, ebenso die Musikerziehung und alle Verbände, die in der Aus- und Weiterbildung tätig sind.

Wir wirken als Interessenvertretung unserer Mitglieder gegenüber der Politik, sozusagen als Lobby, die die Themen ins Blickfeld der Öffentlichkeit und Politik bringt. Es gibt Ausschüsse, die Themen bearbeiten, die bei uns in Hessen wichtig sind. Das sind beispielsweise Ausschüsse für das instrumentale Amateurmusizieren oder für musikalische Bildung. Wir treffen uns auch regelmäßig mit den Chorverbänden zum Austausch und zur Vernetzung. Und diese Vernetzungsarbeit organisieren wir als Dachverband.

Orchester mit Dirigent
© Landesmusikrat Hessen

Online-Redaktion: Ist jeder Musikverein automatisch bei Ihnen Mitglied?

Sondermann: Nein, man muss sich bewerben, und über die Aufnahme bestimmt dann die Mitgliederversammlung. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Einzelpersonen Mitglied werden. Momentan umfasst der Landesmusikrat 54 Mitgliedsverbände, die wiederum rund 1 Million Musikerinnen und Musiker vertreten.

Online-Redaktion: Was war Anlass für die Rahmenvereinbarung mit dem Kultusministerium zur Kooperation mit Ganztagsschulen, die am 7. Februar 2020 unterzeichnet wurde?

Sondermann: Auf unseren jährlichen Mitgliederversammlungen besprechen wir die Themen, die den Mitgliedern unter den Nägeln brennen. Aus einzelnen Verbänden kam sehr stark die Frage nach einer Struktur in der musikalischen Bildung und in der Zusammenarbeit mit den Schulen auf, letztlich nach einer Rahmenvereinbarung, wie man sie schon aus dem Sportbereich kannte. Wir sind dann auf das Kultusministerium zugegangen und hatten dabei auch Unterstützung durch die Verbände.

Online-Redaktion: Was beinhaltet die Vereinbarung?

Sondermann: Wir haben den hohen Anspruch, dass in Hessen möglichst allen Kindern und Jugendlichen Zugänge zur musikalischen Praxis ermöglicht werden. Durch die Ganztagsschulen wird das erleichtert, denn hier erreichen wir alle Schülerinnen und Schüler. Die Teilhabe an musikalischer Bildung wird gerechter, weil eben nicht nur einer Gruppe aufgrund ihres sozialen Hintergrundes partizipiert. Der vereinbarte Rahmen sichert und fördert eine breitgefächerte musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Jetzt wird es für die Schulen leichter und vor allem rechtlich abgesichert möglich, dass sie mit Musikschulen und Musikvereinen zusammenarbeiten. Die Vereinbarung betont, dass es um mehr als nur um die Kooperation mit Musikschulen gehen soll. Sondern alle Verbände, Orchester und Chöre und auch kirchenmusikalische Angebote vor Ort sind angesprochen. Es gibt viele Möglichkeiten, selbst Feuerwehren haben zum Beispiel Spielmannszüge.

SchülerInnen spielen Saxophon
© Landesmusikrat Hessen

Online-Redaktion: In den Städten ist die Kooperation erfahrungsgemäß leichter möglich, wie sieht es auf dem Land aus?

Sondermann: Wir nehmen kein Stadt-Land-Gefälle wahr, sondern können von flächendeckenden Kooperationsmöglichkeiten in ganz Hessen sprechen. Es gibt gerade im ländlichen Bereich so viele Verbände und Vereine, die Kirchenmusik, die Chöre und auch viele Musikschulen, dass sich um jede Ganztagsschule herum ein Angebot finden lassen dürfte, aus dem die Schule den für sie passenden und qualitativ angemessenen Partner auswählen kann.

Online-Redaktion: Gibt es Befürchtungen, dass die in der Schule mit Musik verbrachte Zeit den Kindern und Jugendlichen dann fehlt, privat im Verein zu musizieren?

Sondermann: Wir wollen, dass in dieser zusätzlichen Zeit, die Ganztagsschulen bieten, musikalische Bildung stattfindet. Und wir hoffen, dass die Zusammenarbeit von den Verbänden und Vereinen als Chance gesehen wird. In der Schule erreichen wir die Kinder, und wenn die Vereine Nachwuchs haben wollen, müssen sie sich dort engagieren. Die Ganztagsschulen haben einen Einfluss auf die Freizeit der Kinder, wenn sich Freizeitangebote und Schule so vermischen, und das sollten wir nutzen. Wie sich die Kooperationen dann genau ausgestalten, welche Projekte sich ergeben haben, wollen wir nach einem Jahr evaluieren. Bei den Musikschulen gibt es bereits über 600 Kooperationen mit Ganztagsschulen. Diese Beispiele können jetzt schon ermutigen, und man kann von ihnen lernen.

Online-Redaktion: Wie würde eine aus Ihrer Sicht positive Bilanz aussehen?

Schüler mit Kontrabass
© Landesmusikrat Hessen

Sondermann: Wenn sich die Partner in den Regionen gegenseitig stärken würden. Die Ganztagsschulen schärfen ihr Profil und werben vielleicht auch mit diesem besonderen musikalischen Angebot. Und die Vereine zeigen sich. Sie sind kompetent, offen und zukunftsgewandt. Sie verbarrikadieren sich nicht aus Angst um ihren Nachwuchs, sondern öffnen sich im Gegenteil und begeistern noch mehr Kinder und Jugendliche für die Musik und gewinnen sie dadurch für sich.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Beate Sondermann ist seit 2014 im Landesmusikrat tätig und seit 2016 Geschäftsführerin des Landesmusikrats Hessen. Sie leitet auch die Organisation des Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“ in Hessen. Vorher war sie freiberuflich als systemische Organisationsberaterin tätig. Beate Sondermann ist selbst Kirchenmusikerin, Organistin, Sängerin und Chorleiterin.

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Kategorien: Bundesländer - Berlin

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