Menschen und Musik: Banda Internationale in Sachsen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
20 Jahre gibt es Banda Internationale aus Dresden. Die Musiker engagieren sich mit ihrer Weltmusik auch in Sachsens Schulen. „Musik verbindet einfach“, meint Band-Mitglied Arystan Petzold im Interview.
Online-Redaktion: Herr Petzold, welche Gründungsgeschichte steht hinter „Banda Internationale“?
Arystan Petzold: Ganz am Anfang war das eine reine Blaskapelle, die als Demo-Kapelle begann, in der aber auch schon Menschen aus unterschiedlichen Nationen spielten. Die Musiker kamen aus der Dresdner Neustadt, einem alternativen Stadtteil, und beschlossen, die Gegendemonstration am 13. Februar 2001 zu unterstützen. An dem Tag versammelten sich wie immer die Rechtsradikalen Europas anlässlich der Bombardierung Dresdens zu einer Demonstration. Außerhalb des Demokontextes haben die Musiker gemerkt, dass ihre Musik ankam, die Leute tanzten, und es machte Spaß. So ging es los.
Über die Jahre hat sich die Band, damals noch als Banda Communale, in Dresden etabliert und bei Partys, Hochzeiten und Konzerten gespielt. Einen zweiten Schub für die Band brachten dann 2014 die Pegida-Demonstrationen, wo die Band sehr aktiv die Gegenproteste mitorganisierte. Die Band war schon immer politisch aktiv gewesen und hatte Initiativen unterstützt, zum Beispiel, wenn es Demonstrationen gegen die Gentrifizierung der Neustadt gab. Nun engagierte sich Banda auch hier für eine offene Gesellschaft und gegen menschenverachtende, rassistische Sichtweisen.
Als 2015 viele Menschen aus Kriegsgebieten nach Deutschland kamen, brachte es nochmal eine andere Dynamik rein. Nun ging es nicht mehr nur darum, gegen etwas zu sein, sondern Menschen zu helfen und sie willkommen zu heißen. Und daraus entstand die Idee, Musiker einzuladen, bei uns mitzuspielen. Wir haben Flyer gedruckt, sind in die Erstaufnahmeeinrichtungen gegangen und haben für donnerstags, wenn wir proben, eingeladen vorbeizukommen. So wurde aus Banda Communale dann Banda Internationale.
Online-Redaktion: Wie war die Resonanz?
Petzold: Viele Menschen waren dankbar, einen Raum zu haben, in dem man sich treffen, kennenlernen und Musik machen kann. Einige sind fest in der Band geblieben, viele sind natürlich auch nur vorübergehend dabei gewesen. Aus diesem „Projekt“ Banda Internationale ist inzwischen eine feste Formation geworden. Der Sound hat sich dabei von einer Blaskapelle zu einer Art Weltmusik-Orchester verändert. Inzwischen bestehen wir aus einem harten Kern von rund 15 Musikern. Und noch jeden Donnerstag ist die Probe.
Online-Redaktion: Wie finden Sie Ihren Sound?
Petzold: Wir sind eine basisdemokratisch-chaotische Truppe. Einen richtigen Plan gibt es nicht, auch keinen Komponisten oder Texter, sondern die Ideen für neue Stücke kommen aus der Mitte der Band. Da hat einer eine Idee, bringt das mit, und es wird geprobt. Andere Ideen entstehen in einem Jam-Moment, ein anderes Mal möchte jemand ein Stück für ein bestimmtes Musikinstrument wie die Oud, die arabische Laute, ausprobieren. Die Stücke auf unserem letzten Album sind aus so einem Proben-Projekt-Charakter entstanden. Das aktuelle Album hingegen, welches demnächst erscheint, entstand als Konzeptalbum, mit internationalen und in Deutschland lebenden Gästen, mit denen wir – coronabedingt über die Distanz – ein gemeinsames Album geschaffen haben.
Online-Redaktion: Der Sound hat sich verändert, das Anliegen ist geblieben?
Petzold: Wir unterstützen weiterhin lokale Initiativen in Sachsen und vermitteln Menschen, dass sie nicht alleine stehen mit ihrem Einsatz für andere Menschen. Zugleich transportieren wir auf eine positive Weise Normalität, wenn Leute mit so vielen diversen Hintergründen zusammenspielen.
Online-Redaktion: Dies vermitteln Sie auch schon Schülerinnen und Schülern in Sachsen?
Petzold: Ein Kollege hatte 2016 die Idee, Musikprojekte mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu machen. Ein anderer wollte Initiativen im ländlichen Raum stärker unterstützen, so ist die Idee der Sachsenkonzerte entstanden. Ich machte den Vorschlag, Workshops mit der Band in Schulen anzubieten. Aus diesen Ideen ist 2017 das Projekt „The Kids Are Allright“ entstanden, welches aktuell unter dem Namen „Come As You Are“ weiterläuft. Und das läuft super. Wir sind in der tollen Lage, dass wir beispielsweise keine Schulen suchen müssen, sondern die Schulen uns anfragen, ob wir mit unserem „Interkulturellen Musiktag“ zu ihnen kommen. Wir decken mit Grundschule, Oberschule und Gymnasium das komplette Spektrum ab.
Online-Redaktion: Wie sieht ein „Interkultureller Musiktag“ aus?
Petzold: Wir richten uns nach der Größe der Gruppe, mit der wir arbeiten. Wenn es zum Beispiel eine Klasse ist, dann kommen zwei Musiker. Sind es vier Klassen, sind wir auch schon mal zu acht. Los geht es mit einem kleinen Anfangskonzert, mit dem wir die Schülerinnen und Schüler sozusagen wecken. Bei den Kleineren geht das am besten – die sind immer gleich dabei, hüpfen und springen. Dann stellen wir uns und die Instrumente vor, erzählen wo wir und die Instrumente herkommen.
Dann beginnt die Rotation mit verschiedenen Workshops à 45 Minuten, die die Kinder und Jugendlichen nacheinander besuchen. In einem singen wir zusammen Lieder, im nächsten wird getanzt, in einem anderen spielen die Schülerinnen und Schüler Percussions und im letzten bauen sie Instrumente aus Recycling-Materialien. In allen Workshops ist auch Zeit, zusammenzusitzen, zu erzählen und zu fragen. Zum Schluss gibt es ein kleines Abschlusskonzert, in dem wir alle vier Workshops zusammenführen. Bei den letzten Liedern wird dann nochmal richtig auf den Putz gehauen und abgetanzt, dass die Turnhalle wackelt oder der Schulhof bebt.
Online-Redaktion: Wichtig ist Ihnen die aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler?
Petzold: So ist es. Bei einer kleineren Gruppe können die Schülerinnen und Schüler auch mal einen Song schreiben. Wir setzen an diesem Tag keine Themen oder sprechen über Diskriminierung oder Rassismus. Es geht um die Menschen, die bei uns in der Band spielen. Was sind deren persönliche Geschichten? Warum machen sie Musik? Was hat die Musik in ihr Leben gebracht? Und was machen wir als Band? Und ansonsten macht Musik einfach Spaß und öffnet den Horizont. Und immer ist auch ein Moment der Improvisation beim Tanzen und Musizieren eingeplant.
Online-Redaktion: Würden Sie Ihren interkulturellen Musiktag auch als längerfristiges Ganztagsangebot anbieten?
Petzold: Wir haben schon Projekte mit längerfristigen Charakter durchgeführt, wie zum Beispiel in einer Dresdner Schule „Vom Beat zum Lied“, wo Schülerinnen und Schüler einen Rap-Song entwickelt und den Song schließlich in einem Studio aufgenommen und ein Video gedreht haben. Wir können so etwas auch auf die Arbeit mit einer festen Gruppe oder Klasse über einen längeren Zeitraum in einem Ganztagsangebot übertragen. Dazu würden immer wieder verschiedene Künstlerinnen und Künstler in die AG kommen. Und man könnte die Musik auch mit Theater verbinden. Ein solches Projekt ist mit einer 7. Klasse einer Oberschule in Leipzig geplant und beginnt ab September.
Online-Redaktion: Was kann Musik erreichen? Was hinterlassen Sie in einer Schule, nachdem Sie Ihre Sachen gepackt haben und abgereist sind?
Petzold: Diese Fragen beschäftigen uns natürlich auch. Was bringt so ein Workshop? Ich kann als Beispiel aus meiner eigenen Biografie berichten: In der 7. oder 8. Klasse ist einmal ein Ex-Junkie in unsere Schule im Vogtland gekommen und hat über seine Erfahrungen berichtet. Das ist bis heute bei mir hängengeblieben – dieser eine Tag. Ebenso kann ich mich erinnern, dass so um jene Zeit rum auch eine Tanzgruppe zu uns in die Schule kam, um mit uns eine Choreografie einzustudieren. Wir hatten bis dahin noch nie in der Schule eine Choreografie getanzt, das gab es einfach nicht. Und das hat damals bei mir auch etwas angestoßen. Und ich glaube, darum geht’s: einen Impuls setzen, eine Idee vermitteln – das kann etwas auslösen.
Bisher haben wir keine Fragebögen ausgeteilt, ob und welche Effekte unsere Projekte in den Schulen haben. Wir überlegen gerade, ob wir demnächst da empirisch einsteigen wollen. So kann ich nur von einzelnen Anekdoten berichten. Lehrerinnen und Lehrer einer Schule im Erzgebirge haben uns zum Beispiel berichtet, dass nach unserem Besuch ein afghanisches Mädchen nicht mehr gemobbt wurde. Wir werden mit unserer Musik nicht die Welt retten, aber wir können kleine Impulse setzen. Musik verbindet einfach.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Ein herzliches Dankeschön an Banda Internationale und den Montessoriverein Chemnitz (www.montessori-chemnitz.de), dass sie freundlicherweise Fotos für den Beitrag zur Verfügung gestellt haben!
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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