Kommunen stärken Bildung im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Kommunen in Bayern unterstützen die Kooperationen von Ganztagsschulen, wie die Tagung „Bildung stärken im Ganztag mit Kunst, Sport und Musik“ in München zeigte.

Zum dritten Mal nach 2015 und 2016 befasste sich am 7. März 2018 eine Tagung in München mit dem Thema „Bildung stärken im Ganztag mit Kunst, Sport und Musik“, und das Interesse von Schulleitungen, Lehrkräften, Elternverbänden, Verwaltung, Politik und Kooperationspartnern in den Bereichen Kunst, Kultur, Musik und Sport bleibt hoch. „Ich bin erstaunt, froh und glücklich, dass der Saal wieder so voll ist“, meinte Günther Lommer, Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbandes in der moderierten Begrüßungsrunde vor den rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Saal des Museums Fünf Kontinente.

Bemerkenswert: „Heute sind mehr Landtagsabgeordnete hier als bei unseren ersten beiden Veranstaltungen im Landtag“, stellte Reinhard Kapfhammer, Vorsitzender des Landesverbands der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen (LJKE), fest. Sein Verband war diesmal zusammen mit dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern federführend in der Organisation der Tagung, die sich als Forum für den Austausch guter Ideen, aber auch das Sichtbarmachen und Formulieren von Bedarfen gegenüber der Politik versteht.

Foto Michael Rißmann
Ministerialrat Michael Rißmann leitet im Kultusministerium das Referat „Ganztagsschulen, Mittagsbetreuung“ © Redaktion www.ganztagsschulen.org

So wartete die Tagung mit drei Austauschrunden auf. Ministerialrat Michael Rißmann, Leiter des Referats „Ganztagsschulen, Mittagsbetreuung“ im Bayerischen Kultusministerium, und seine Mitarbeiter verteilten sich auf die insgesamt sechs Runden Tische, um direkt zu erfahren, wie die unterschiedlichen Akteure die aktuelle Entwicklung einschätzen und wo der Schuh drückt.

Bunte und vielfältige Ganztagsschule durch Kooperationen

„Für Kunst, Musik und Sport stecken Chancen in dem beabsichtigen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz im Grundschulbereich“, betonte Rißmann. „Der Rechtsanspruch wird uns in den kommenden Jahren beschäftigen und den Ganztag verändern. Die Eltern werden womöglich weiteren Einfluss auf diese Entwicklung nehmen und noch mehr als jetzt schon flexible Anmelde- und Abholzeiten einfordern. Das ist dann aber nicht unser Ganztag. Das Ministerium wünscht sich einen hohen Bildungsanspruch für die Ganztagsschule. Sicherlich ein Spannungsfeld.“

Schon jetzt stoße die Ganztagsnachfrage aufgrund des „enormen Nachfragedrucks der Eltern“ an räumliche Grenzen. „Es kann sein, dass wir in den ersten Jahren der Umsetzung des Rechtsanspruchs Kompromisse machen müssen bei Raum, Personal und Konzept“, kündigte der Referatsleiter an.

Herbert Püls, Ministerialdirektor für Bildung und Kultus des Staatsministeriums, hatte zur Begrüßung bereits hervorgehoben: „Das Schlimmste wäre eine Verschulung des Ganztags. Für die Staatsregierung ist wichtig, dass die Ganztagsschule bunt und vielfältig ist, was sich nur mit Kooperationspartnern gestalten lässt.“ Auch Reinhard Kapfhammer hält es für „wichtig, andere Lernformen durchzuführen“. Eine echte Ganztagsbildung lasse sich nur verwirklichen, wenn Externe systematisch mit der Schule zusammenarbeiteten. „Dazu braucht es feste Strukturen“, so der LKJE-Vorsitzende. „Bisher ist zu vieles dem Zufall überlassen.“ Kapfhammer gab zu, dass es auf dem Land zum Beispiel mitunter schwierig ist, Künstlerinnen und Künstler zu finden, die im Ganztag mitarbeiten können.

Prof. Eckart Liebau von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen führte in seinem Impulsreferat „Kulturelle Ganztagsbildung geht nicht ohne externe Experten“ aus, dass die Schule auf die „Lebensführung“ vorbereiten und einen Raum zur kulturellen Bildung öffnen müsse. „Das ist der pädagogische Grund, warum wir Ganztagsschulen brauchen, und dazu bedarf es qualifizierter externer Experten. Schon heute gibt es dank dieser Kooperationen erstaunliche Ergebnisse in den Ganztagsschulen zu sehen.“

„Kulturelle Bildung ist Aufgabe von Schule“

Auch die Kommunen haben laut Dr. Dieter Rossmeissl vom Kulturausschuss des Deutschen Städtetags längst verstanden, „dass die kulturelle Bildung unbestritten eine Aufgabe von Schule ist“. Die Kommunen unterstützen deshalb die Kooperationen mit kultureller Bildung auch finanziell. „Die Lehrer sollen in den Angeboten aber nicht Künstlerinnen und Künstler ersetzen und Letztere nicht zu Hilfslehrern gemacht werden“, stellte Rossmeissl klar. Kritisch sieht er, dass nicht überall klar sei, wie Betreuung und Bildung in der Ganztagsschule zu gewichten seien. „Der Bildungsauftrag der Schule kann nicht vom Betreuungswillen der Eltern übertrumpft werden“, befand Rossmeissl.

Schülerinnen und Schüler beim Schachspiel
Frei gestaltbare Zeit ist Schülerinnen und Schülern wichtig. © Britta Hüning

Beispiele für das Engagement von Kommunen präsentierten am Runden Tisch „Die Rolle der Kommune im Ganztag“ Andrea Büchler und Anita Henselmann vom Referat für Bildung und Sport München und Dr. Christian Büttner, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Schule und Sport der Stadt Nürnberg.

In München finanziert die Stadt in sechs Stadtteilen BildungsLokale (BiLoks). Die BildungsLokale sind Orte für Information, Beratung und fachlichen Austausch rund um das Thema Bildung. Die Angebote richten sich an alle Bürgerinnen und Bürger und an die Bildungsakteure im Stadtteil. „Wir wollen herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligung abbauen und mehr Bildungsgerechtigkeit herstellen“, begründete Andrea Büchler das Engagement der Stadt in den Stadtteilen, denen der Münchner Bildungsbericht eine besonders gravierende Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom familiär-sozialen Hintergrund attestiert.

Foto Anita Henselmann und Andrea Büchler
Anita Henselmann (l.) und Andrea Büchler stellen die BildungsLokale in München vor © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Um Chancengerechtigkeit geht es auch bei der „Bedarfsorientierten Budgetierung“ (BOB). Städtische weiterführende Schulen erhalten zusätzliche Mittel nach einem Stufenplan, der sich am Sozialindex orientiert. „Wir weiten individuelle Fördermaßnahmen auf alle städtischen Realschulen, städtischen Gymnasien aus“, berichtete Anita Henselmann. „Die Schulen können mit dem zusätzlichen Budget passgenaue Maßnahmen zum besseren Ausgleich von gruppenspezifischer oder herkunftsbedingter Benachteiligung finanzieren, wie zum Beispiel Schulsozialarbeit, individuelle Förderung oder Sprachfördermaßnahmen.“ Zusätzlich stelle München den Schulen 100.000 Euro jährlich zur Verfügung, die auch für Honorare genutzt werden können.

Kommunen wachsen neue Rollen zu

„Nürnberg versteht sich als Bildungsstadt.“ Christian Büttner erläuterte das Selbstverständnis und die Vorhaben seiner Stadt. „Wir wollen unsere Bildungslandschaft selbst gestalten. Bis 2025 werden wir rund eine Milliarde Euro in den Schulbau investieren.“ Die Kommune werde von den Schulen und den Eltern immer weniger nur in ihrer Rolle als Sachaufwandsträger gesehen, sondern als ein Akteur, der nahe am Lebensraum Schule dran ist. „Und so wird die Kommune auch als Dienstleister gesehen, von dem man sich wünscht, dass sie Hilfe beim Zusammensuchen von Formularen leistet oder Rechtsberatung gibt. Große Kommunen verfügen über Netzwerke. Bei kleineren Kommunen können die Bildungsregionen, die es inzwischen in ganz Bayern gibt, als Ansprechpartner dienen“, erklärte Büttner.

Abschlusspräsentation mit allen Moderatorinnen und Moderatoren
Abschlusspräsentation mit den Moderatorinnen und Moderatoren © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Nürnberg investiert unter anderem in das Programm „MUBIKIN – Musikalische Bildung für Kinder und Jugendliche in Nürnberg“ und ermöglicht damit eine Verdoppelung der Musikstunden an Grundschulen. Mit dem Programm „MSRG – Mehr Schulerfolg an den Realschulen und Gymnasien der Stadt Nürnberg“ können Schülerinnen und Schüler noch mehr individuell gefördert werden. Die Stadt finanziert dazu jeweils zehn zusätzliche Lehrerstunden im Ganztag. Diese werden beispielsweise für Förderkurse für spezielle Zielgruppen, die Verstärkung der Elternarbeit oder zur Leseförderung genutzt.

Auch am „Nürnberger Museumscurriculum für Grundschulen“ beteiligt sich die Stadt finanziell. Dieses Programm des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen ermöglicht Grundschulklassen, im Laufe eines Schuljahres an fünf lehrplanbezogenen und museumspädagogischen Veranstaltungen teilzunehmen. Dabei werden die Klassen stets von Museumspädagoginnen und -pädagogen betreut und begleitet. „Wer solche Projekte durchführen will, der sollte durchaus auch mal den Bürgermeister ansprechen“, empfahl Bittner. „Wenn der sich dahinter stellt, hat das sofort ein anderes Gewicht und kann Türen und Taschen öffnen.“

Langfristige Projekte statt kurzem Feuerwerk

Welche Argumente gibt es für mehr Kunst, Musik und Sport im Ganztag? Am Runden Tisch berichtete Christian Marek, ehemaliger Schulleiter der Münchner Grundschule an der Oselstraße, von seinen Erfahrungen. Als Rektor öffnete Marek einst seine Schule für außerschulische Expertinnen und Experten: mit Schuljahresprojekten wie „Kinder treffen Künstler“, „Kinder treffen Sportler“ oder „Kinder treffen Leute von Presse, Rundfunk und Fernsehen“.

„Es geht nicht darum, ein kurzes Feuerwerk abzubrennen, sondern die Experten über ein ganzes Schuljahr verteilt immer wieder in die Schule kommen zu lassen. Das hat super funktioniert“, erzählte Marek. Wenn man die Neugier der Kinder spüre, müsse man als Schule dafür sorgen, „dass sie auch das Eigene aus dem Kopf loswerden und nicht nur rezipieren.“

Schülerinnen und Schüler musizieren im Streichquartett
© Britta Hüning

Ein Schulleiter vom Ammersee pflichtete ihm bei: „Als Schulleiter ist es meine Aufgabe, Kolleginnen und Kollegen dafür zu gewinnen, sich auf kulturelle Kooperationen einzulassen, was nicht einfach ist, denn auch sie stehen unter einem großen Leistungsdruck. Ich muss eine Zelle im Kollegium finden und Eltern für die Ideen gewinnen.“ Christian Marek ergänzte: „Wenn man beobachtet, wie stolz die Eltern sind, wenn ihr Kind etwas vorgeführt, gemalt, gebastelt oder an einem Wettkampf teilgenommen hat, dann sieht man alleine schon an dieser Stelle, dass sich eine solche Zusammenarbeit lohnt.“

 

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