"Hammer, Geige, Bühne – Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Forschungsergebnisse einmal anders: Prof. Andreas Lehmann-Wermser von der Universität Bremen berichtet im Interview über die Dreharbeiten zu „Hammer, Geige, Bühne“, die den Stand und die Möglichkeiten der kulturellen Bildung an Ganztagsschulen ausleuchten.
Online-Redaktion: Prof. Lehmann-Wermser, am 6. und 7. Juni 2013 findet in Berlin die Fachtagung „Perspektiven der Forschung zur kulturellen Bildung“ des BMBF statt. Was erhoffen Sie sich von dieser Veranstaltung?
Andreas Lehmann-Wermser: Nachdem sich lange Zeit das öffentliche Interesse fast ausschließlich auf die Kernfächer und die Naturwissenschaften gerichtet hat, tritt die kulturelle Bildung derzeit in einem Maße in den Vordergrund, wie das in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie der Fall gewesen ist. Meine Hoffnung ist, dass die Tagung einem breiteren Publikum vor Augen führt, was es im Bereich der kulturellen Bildung alles gibt – sowohl den Praktikern als auch den Wissenschaftlern.
Online-Redaktion: Pünktlich zur Tagung ist Ihr Film mit Begleitbuch „Hammer, Geige, Bühne – Kulturelle Bildung an Ganztagsschulen“ erschienen. Was verbirgt sich hinter dem prägnanten Titel?
Lehmann-Wermser: Von 2007 bis 2010 habe ich an der Universität Bremen das Forschungsprojekt „MUKUS – Musisch-kulturelle Bildung in der Ganztagsschule“ geleitet, bei dem wir an 22 Ganztagsschulen untersucht haben, wie kulturelle Bildung etabliert wird. Das Begleitbuch zu unserem Film teilt sich in zwei inhaltliche Bereiche. Zunächst rekapituliert es in einfacher Sprache nochmal die Ergebnisse unserer Forschung für die Ganztagsschulen. Der zweite Teil stellt die vier Schulen ausführlich vor, die im Film präsentiert werden.
Online-Redaktion: Wie ist die Idee zu der filmischen Dokumentation entstanden?
Lehmann-Wermser: Uns reizte die Idee, Forschungsergebnisse einmal auch auf andere Art zu verbreiten als lediglich in einem wissenschaftlichen Berichtsband. Neu war hierbei, dass der Film nicht von der Medienstelle an der Universität realisiert wurde, sondern von professionellen Filmemachern – der Firma fact+film aus Bremen, die bereits für die ARD und Arte produziert hatten.
Online-Redaktion: Wie haben Sie entschieden, was und wo Sie drehten?
Lehmann-Wermser: Wir wollten in zwei Schulen filmen, die bereits an der MUKUS-Studie beteiligt waren und von denen wir nach unseren Besuchen wussten, dass dort spannende kulturelle Projekte verwirklicht wurden. Zusätzlich kannte ich eine Schule, die im Bereich Bildende Kunst sehr stark ist. Und bei einer vierten Beispielschule war mir wichtig, dass es eine Grundschule sein würde. Denn aufgrund der Förderrichtlinien waren vor sechs Jahren in der MUKUS-Studie überhaupt keine Grundschulen vertreten gewesen.
Wir filmten also an der Integrierten Gesamtschule Querum in Braunschweig, der Grundschule auf den Heuen in Bremen, dem Gymnasium Salzgitter-Bad sowie der Helene-Lange-Gesamtschule in Oldenburg und betteten die Schulbesuche in die Rahmenhandlung einer Reise: Ich unternehme als Forschender diese Reise durch vier Schulen, die auf ganz unterschiedliche Weise spannende Sachen in der kulturellen Bildung auf die Beine stellen.
Online-Redaktion: Gab es eine Art Drehbuch, oder haben Sie die Dinge auf sich zukommen lassen?
Lehmann-Wermser: Der Regisseur Thomas Greh und ich haben zuerst ein Konzept entwickelt. Dann diskutierten wir mit den Schulen, was diese vorführen könnten und was sie selbst interessierte. Die Dreharbeiten dauerten jeweils zwei Tage an jeder Schule an. Dort bemühten wir uns dann auch spontan um Interviewpartner.
Online-Redaktion: Wie groß war das Filmteam?
Lehmann-Wermser: Neben mir waren der Autor, der Kameramann und der Tontechniker vor Ort. Den Schulalltag hat unsere kleine Gruppe somit nicht durcheinander gebracht, zumal wir ja nicht wollten, dass irgendetwas extra für uns inszeniert werden sollte – wir filmten reguläre Proben und reguläre Veranstaltungen. Eine Ausnahme fand allerdings statt: An der IGS Querum gibt es eine Bildhauer-AG mit einer spannenden Genese, die ich unbedingt dabei haben wollte. Diese Arbeitsgemeinschaft werkelt allerdings draußen, und bei unserem Besuch im Januar 2013 hatte es minus sieben Grad. Um die Arbeit doch zu ermöglichen, hat die Schule Kohlebecken besorgt, an denen sich die Schülerinnen und Schüler zwischendurch aufwärmen konnten.
Online-Redaktion: Welches künstlerische Spektrum deckt Ihr Film ab?
Lehmann-Wermser: Neben den eben erwähnten Bildhauerinnen und Bildhauern gibt es Theater zu sehen, Schul-Bands sind dabei, welche die zusätzliche Zeit der Ganztagsschule zum Beispiel nutzen, um selbst Stücke zu komponieren. Daneben sind Kleinkunstabende und ein Kunstmuseum als Lernort dokumentiert.
Online-Redaktion: Gab es während der Dreharbeiten Momente, bei denen Sie sich gesagt haben: Genau das will ich mit diesem Film zeigen?
Lehmann-Wermser: Definitiv. Und zwar immer dann, wenn Lehrerinnen und Lehrer erzählten, was die Jugendlichen aus den Angeboten mitnehmen. Am plakativsten – und das ist auch im Trailer zum Film zu sehen – in der Aussage eines Lehrers, der erklärt, die Schülerinnen und Schüler hätten in seiner AG endlich mal Zeit, die ihnen sonst fehle.
Auch von Grundschulkindern bis zu Abiturienten haben wir viele Aussagen eingefangen. So berichtet ein Mädchen beispielsweise, dass ihr die Theater-AG auch helfe, Konflikte in der Klasse zu bewältigen. Dabei verspricht sie sich so schön: „Was ich im Theater mache, kann ich auch in der richtigen…in der anderen Welt, also in dieser Welt nutzen.“ Daneben machen die Schülerinnen und Schüler auch Aussagen zu den sozialen Aspekten der kulturellen Bildung, dass sie beispielsweise ohne die Schul-Band manche Freunde nicht kennengelernt hätten. Und ein Schüler meint schlicht: „Es ist total toll, es bringt mir was und macht mir Spaß!“
Online-Redaktion: Nun entsteht ein Film immer zweimal: Einmal in der Kamera, dann noch einmal am Schneidetisch. Wie viele Minuten des gedrehten Materials haben Sie schlussendlich verwendet?
Lehmann-Wermser: Das Filmteam hat rund zehn Stunden aufgezeichnet, die auf die Filmlänge von 43 Minuten geschnitten worden sind. Diese Dauer eignet sich sehr gut, um den Film in einer Konferenz oder auf einer Informationsveranstaltung zu zeigen. Zum Glück kann man auf einer DVD neben dem Hauptfilm auch noch Bonusmaterial unterbringen. Insbesondere die ausführlichen Interviews gehen auf diese Weise nicht verloren. Ein Schulleiter schildert hier beispielsweise sehr prägnant die wichtige Erfahrung, dass man in der kulturellen Bildung auch scheitern darf – und wie man anschließend weiter macht und etwas verbessert. Im Hauptfilm würde das im Detail zu weit führen, bei den Extras ist das genau richtig.
Online-Redaktion: Sie sagen, dass man „Hammer, Geige, Bühne“ in einer Konferenz zeigen könne. Welches Publikum erhoffen Sie sich für Ihren Film?
Lehmann-Wermser: Der Film wendet sich hauptsächlich an Lehrerinnen und Lehrer. Im Buch habe ich geschrieben, dass wir hier keine „Treibhäuser der Zukunft“ und auch keine Leuchttürme vorstellen, sondern Straßenlaternen, die auch Stolpersteine auf dem Weg beleuchten. Die Beispiele sollen Lust machen, an der eigenen Schule etwas zu entwickeln. Sie zeigen die verschiedenen Möglichkeiten und Lösungen für Probleme, die auftreten können. Interessant dürfte der Film auch für Künstlerinnen und Künstler sein, die mit Jugendlichen Projekte an Ganztagsschulen durchführen wollen.
Kategorien: Kooperationen - Lokale Bildungslandschaften
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