„denkmal aktiv“ – Kulturerbe macht Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Das Programm „denkmal aktiv“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz begleitet seit 20 Jahren das forschende Lernen in Schulen, Projekten und AGs. Die Leiterin des Programms Dr. Susanne Braun im Interview über Denkmale als Lernort.

Online-Redaktion: Was ist „denkmal aktiv“?

Dr. Susanne Braun: „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ ist das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, das unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission steht. Mit dem Programm fördern wir als Stiftung gemeinsam mit unseren Partnern seit 2002 Projekte an Schulen, in deren Mittelpunkt ein Denkmal steht. Gefördert werden Projekte, die ein ganzes Schuljahr den Unterricht ergänzen oder auch das Nachmittagsangebot im Ganztag und seit 2022 auch Projektwochen. Es richtet sich bundesweit an weiterführende Schulen aller Schulformen. Neben den beiden Förderlinien gehören auch Unterrichtsmaterialien zum Lernen am Denkmal zu den Angeboten, die die Stiftung mit denkmal aktiv unterbreitet.

Online-Redaktion: Was bewirkt das Programm?

Braun: In den rund 20 Jahren, die das Programm existiert, ist das Interesse am Lernort Denkmal kontinuierlich gewachsen. In den Corona-Jahren war die Resonanz auf die Ausschreibungen verständlicherweise nicht so groß, auch wenn wir auch in diesen Jahren Schulprojekte im Wechsel- und Distanzunterricht fördern konnten. Seit dem 6. März können sich Schulen nun wieder mit Ideen zu Schuljahresprojekten bewerben und wir sind gespannt auf die Bewerbungen, die uns bis zum 2. Mai erreichen werden. Alle Informationen rund um die Ausschreibung und die Teilnahme an denkmal aktiv finden Sie auf der Internetseite: www.denkmal-aktiv.de

Die Schule „Am Inselberg“ in Bad Tabarz erforscht den Kurpark von 1915.
Die Schule „Am Inselberg“ in Bad Tabarz erforscht den Kurpark von 1915. © DSD, I. Bauer, Tabarz

Wir sind überzeugt, dass die Erforschung von Denkmalen wie Kirchen, Rathäusern, Wohnsiedlungen und Parks oder auch Industrie- und Gewerbebauten hervorragend geeignet ist, den Unterricht zu bereichern und zu ergänzen. An ihrem Beispiel werden gesellschaftswissenschaftliche wie auch naturwissenschaftliche Lerninhalte anschaulich und nachvollziehbar. Wie vielfältig die Lehrplananbindungen an nahezu den gesamten Fächerkanon sind, zeigen wir in einer Auswahl an Unterrichtsmaterialien, die wir im Rahmen des Schulprogramms herausgeben.

Online-Redaktion: Welche Ziele verfolgen Sie?

Braun: Das Besondere der „denkmal aktiv“-Projekte und -Projektwochen ist, dass die Schülerinnen und Schüler das Denkmal nicht nur als Lerngegenstand kennenlernen, sondern ihm auch als Lernort begegnen. Als einem Ort also, der vielleicht schon vor vielen hundert Jahren erbaut worden ist und die Geschichte der Menschen erzählt, die hier früher gelebt und gearbeitet haben, und an diesem Bauwerk Spuren ihrer Lebensweise oder auch handwerklicher Techniken hinterlassen haben.

Bei der Erkundung und Einordnung dieser Spuren werden die Schülerinnen und Schüler von außerschulischen Partnern begleitet, die ihr Wissen und ihre Erfahrung in die Beschäftigung mit dem baulichen Zeugnis einbringen. Ziel von „denkmal aktiv“ ist es, jungen Menschen den Wert und die Bedeutung von Denkmalen zu vermitteln. Zugleich soll das Programm ein Bewusstsein für ihren unersetzlichen Wert schaffen. Es soll Gründe für den Schutz dieser baulichen Zeugnisse der Vergangenheit aufzeigen und deutlich machen, dass der Erhalt von Denkmalen nicht selbstverständlich ist. Unser Umgang mit ihnen macht einen Unterschied – heute und auch für zukünftige Generationen.

Online-Redaktion: Warum ist „denkmal aktiv“ für die Ganztagsschule geeignet?

Braun: Wir fördern Schulprojekte, deren Umsetzung sich ganz unmittelbar an den Gegebenheiten der jeweiligen Schule und der Lerngruppe orientiert. Das heißt, die Projekte können mit Bezug zu einem Unterrichtsfach umgesetzt werden oder fachübergreifend, im Klassenverband oder auch klassen- oder jahrgangsübergreifend in Projekt- und Wahlkursen oder Arbeitsgemeinschaften. Insbesondere der Ganztag bietet die Möglichkeit, mit Schülergruppen handlungs- und praxisbezogen zu Denkmalen zu lernen und dabei die individuellen Interessen und Ideen der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, Peer-to Peer-Formate oder auch berufsorientierende Ansätze zu fördern.

Das Denkmal als Lernort
Das Denkmal als Lernort © Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Online-Redaktion: Können Sie ein Beispiel nennen?

Braun: In der Hohen Landesschule Hanau beispielsweise erforscht in diesem Schuljahr eine Schülergruppe in einer jahrgangsübergreifenden AG die Geschichte der eigenen Schule. Das auf das 17. Jahrhundert zurückgehende stadtbildprägende Schulgebäude ist in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs bis auf ein Portal, das am heutigen Eingang zum Schulgelände aufgestellt ist, zerstört worden. Das sogenannte Hola-Tor ist nun Ausgangspunkt für die Recherchen der Projektgruppe.

Die Gruppe geht der Frage nach, was sich anhand des baulichen Reliktes über die Architektur und Gestaltung des ehemaligen Schulgebäudes herausfinden lässt. Eine wichtige Rolle spielen dabei neben Fotografien auch Bauakten, die in Archiven und Bibliotheken sowie im Hessischen Landesamt für Denkmalpflege aufbewahrt werden. Das sind Orte, die die Schülerinnen und Schüler aufsuchen, um dort zu forschen. Als Ergebnisse des Projekts sind die Erstellung von Info-Tafeln und eine digitale Nachbildung des Hola-Gebäudes geplant. Ein längerfristiges Ziel über dieses Schuljahr hinaus ist die Erarbeitung ein digitales Schulmuseum, das die Geschichte des Ortes erzählt.

Online-Redaktion: Können solche Projekte auch Unterricht und Ganztag verbinden?

Braun: Selbstverständlich. Ein Beispiel für die Verzahnung zwischen Unterricht und Arbeitsgemeinschaft ist das Projekt am Lichtenberg-Gymnasium Cuxhaven zum jüdischen Friedhof der Stadt. Im ersten Halbjahr des Schuljahres 2022/2023 haben dort Schülerinnen und Schülern der Jahrgangstufe 13 in einem gesellschaftswissenschaftlichen Seminarfach die historischen Hintergründe zur Entwicklung der Jüdischen Gemeinde in Cuxhaven erarbeitet. Sie wurden so aufbereitet, dass im zweiten Halbjahr einer jahrgangsübergreifenden AG der Einstieg ins Thema und die Weiterarbeit daran möglich ist. Und manchmal ergibt sich aus einem „denkmal aktiv“-Projekt auch ein längerfristiges Engagement. In Tabarz hat die Thüringer Gemeinschaftsschule „Am Inselsberg“ nach ihrer ersten Teilnahme bei „denkmal aktiv“ im Schuljahr 2012/2013 eine Denkmal-AG im Ganztagsangebot gegründet. Seitdem haben sich Schülerinnen und Schüler der Klasse 5 und 6 mit Denkmalen und ihrer Geschichte in der Region beschäftigt. Bei der Erforschung des Lutherdenkmals in Steinbach, der regionalen Bäderarchitektur, von Schloss Reinhardsbrunn oder auch der 1870 eröffneten örtlichen Poststelle kamen sie mit Denkmalpflegern, Heimatforschern, kommunalen Vertretern und Vereinen zu Fragen von Erhalt und Restaurierung bis hin zur Umnutzung von historischen Gebäuden in Kontakt. Die Denkmal-AG ist zu einem festen Bestandteil des schulischen Lebens geworden.

Online-Redaktion: Welche Erfahrungen haben Sie bislang gesammelt?

Teilhabe der jungen Generation am Kulturerbe
Teilhabe der jungen Generation am Kulturerbe © Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Braun: Die Projekte der vergangenen Jahre und ihre Ergebnisse zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten zum Lernen am Denkmal sind und wie gewinnbringend zugleich das Lernen am Denkmal ist. Das gilt sowohl für den Erwerb von Wissen und Kompetenzen als auch für das Sammeln von persönlichen Erfahrungen und der Erkenntnis von Selbstwirksamkeit, wenn es um Teilhabe der jungen Generation am Kulturerbe geht.

Online-Redaktion: Gibt es Knackpunkte in der Umsetzung und Kooperation mit Schulen?

Braun: Die Einbindung von Denkmalen in den Unterricht und das Lernen am Denkmal basiert auf dem Engagement der Lehrkräfte. Sie sind es, die das Potenzial von Denkmalen für ihren Unterricht erkennen und nutzen möchten. Die Voraussetzungen dafür sind sehr unterschiedlich, je nach Bundesland sind Denkmale in den Rahmenlehrplänen, in übergeordneten Bildungszielen oder in Fachlehrplänen zu finden. Eine konsequentere Verankerung mit Blick auf die Ziele einer Bildung für nachhaltige Entwicklung wäre wünschenswert. Wir würden uns freuen, wenn das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und die vielen guten Projekt-Beispiele, die in seinem Rahmen umgesetzt werden, einen Beitrag dazu leisten, die Vermittlung von Kulturerbe und Denkmalschutz in der Schule zu stärken.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Dr. Susanne Braun ist Mitarbeiterin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Kunsthistorikerin, und leitet seit 2008 das Schulprogramm „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“.

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