Den richtigen Ton getroffen: Musik im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Auch sechs Ganztagsschulen stellten sich mit ihren Sing- und Instrumentalklassen auf der Fachtagung „Musikalische Kooperationen mit außerschulischen Partnern“ des Landesmusikrates Rheinland-Pfalz in Mainz vor.
Am Ende dieses Kongresstages zeigte sich Johannes Jung sichtbar beeindruckt. „Ich bin begeistert, was alles musikalisch an unseren Schulen läuft“, freute sich der langjährige Referatsleiter für Ganztagsbetreuung im Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz. Vorausgegangen waren rund sechs Stunden in der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, in denen sich unter der Überschrift „Musikalische Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen“ neun Schulen, davon sechs Ganztagsschulen, und ihre Kooperationspartner aus Musikschulen, Musikvereinen, Bands und Blaskapellen vorgestellt hatten.
Die Elisabethenschule Sprendlingen, die Grundschule Mackenbach und das Gymnasium Nieder-Olm waren angereist, um auch Kostproben ihrer Sing- und Spielkunst zu geben. Sechs weitere Schulen stellten sich in einem modernen Format per Video-Einspielung vor.
Vertrauensverhältnis zwischen Musik und Schule
Johannes Jung lobte den Landesmusikrat, der die Fachtagung organisiert hat, und den Landesverband der Musikschulen, der „Partner der ersten Stunde für die Ganztagsschulen“ war, „noch vor den Sportvereinen“, wie Jung betont. Bereits 2002 haben die Verbände dafür Rahmenvereinbarungen mit dem Land abgeschlossen, in denen festgehalten ist, dass und unter welchen Bedingungen sie ihre Angebote in Ganztagsschulen einbringen können. 2016 kam noch der Bundesverband Deutscher Privatmusikschulen hinzu. „Mit allen diesen Partnern können Ganztagsschulen auch gut außerschulische Veranstaltungen organisieren und im außerunterrichtlichen Bereich zusammenarbeiten“, weiß Jung.
Die Wertschätzung dieses Engagements brachte Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig zum Ausdruck. Zum Auftakt der Tagung hob sie hervor: „Der Landesmusikrat hat mit seinen Aktivitäten ganz wesentlich dazu beigetragen, dass sich zwischen Musik und Schule ein besonders gutes Vertrauensverhältnis entwickelt hat und alle partnerschaftlich vereinbarten Projekte mit hohem Qualitätsanspruch durchgeführt werden. Wir erleben viele positive Entwicklungen durch die Kooperationen. 2018 gab es über 500 Verträge zwischen Ganztagsschulen und Partnern aus der Musik. Dabei geht es auch um die feste Verankerung der Musik im Unterricht, die sich positiv auf Leistung und Motivation auswirkt.“
Ziel des Fachtags war es, noch mehr Schulen mit außerschulischen Kooperationspartnern aus dem Bereich Musik in Kontakt zu bringen und zugleich den Mehrwert dieser Projekte anhand von guten Beispielen aufzuzeigen.
Kooperation mit Berufsmusikern
Dafür stand beispielsweise die Elisabethenschule Sprendlingen. An der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung wollten die Schülerinnen und Schüler schon lange eine Schulband zu gründen, doch die Mittel fehlten einfach. Dank der Zusammenarbeit mit der Musikschule Bingen, deren Lehrkräfte jetzt alle zwei Wochen in die Ganztagsschule kommen, änderte sich das. Im Mai 2019 konnte schon das Projekt „Rock me Amadeus“ aufgeführt werden, gefördert vom Verein „Amme e.V.“, der sich für das Musizieren von Menschen mit geistiger Behinderung engagiert.
„Den Schülerinnen und Schülern macht es unheimlich viel Spaß“, so Lehrerin Jutta Schleider. Und nicht nur ihnen. Johannes Schmitt, von Hause aus staatlich geprüfter Berufsmusiker und Instrumentalpädagoge für Jazz und Popularmusik, Gitarrist bei den „Blackbirds“ und seit 2008 Lehrer für E-Gitarre an der Musikschule, resümiert: „Es hat mir Spaß gemacht, im Team zu arbeiten, das war eine schöne, neue Erfahrung.“ Die Schule nutzt „die Musik auch als Medium zum Spracherwerb“, wie Jutta Schleider erläutert. „Ohne Musik kommt man nicht so weit.“
Auch am Gymnasium Nieder-Olm spielt eine Band: Die „German Geordies“ um Werner Schüssler, die einen Mix aus keltischer und englischer Folkmusik spielen, sind Kooperationspartner im Celtic-Folk-Projekt der Gesangsklassen des Ganztagsgymnasiums. Schüssler war lange Lehrer an der Musikschule der Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Erst kürzlich, im August, trat die Band gemeinsam mit dem Oberstufenchor und einem Projektchor in der St-Georg-Kirche auf.
Initiiert hat die Kooperation Musiklehrer Roland Bolender, der auch die Chöre leitet: „Die Gesangsklassen sind ein wichtiger Ausgangspunkt für die vielen musikalischen Aktivitäten an unserer Schule – die Chöre, die Big Band, der Kammerchor, die Musical-AG, das Orchester und die Streicher-AG.“ In der 6. Klasse erteilt eine Musikschullehrerin Stimmbildungsunterricht und in den höheren Klassen Einzelunterricht, alles unter dem Dach der Schule. Die Chöre der Schule sind auch schon im Mainzer Staatstheater aufgetreten.
Die Möglichkeit, ein Instrument zu spielen
In den Musikklassen der Ernst-Reuter-Grundschule ist die Städtische Musikschule Ludwigshafen als Kooperationspartner an Bord. Deren Leiterin Angela Bauer, Diplominstrumentalpädagogin und Diplomorchestermusikerin mit dem Hauptfach Klarinette, erzählte: „Die Schule macht in allen vier Jahrgangsstufen Musik. In der 1. Klasse wird gesungen, ab der 2. Klasse gibt es Instrumentenunterricht.“
Gerhard Schwinn, der stellvertretende Leiter, erläuterte: „Wir sind mit acht Musikschullehrkräften in der Schule im Einsatz, und alles wird über Sponsoren finanziert. Auch an Elternabenden sind wir dabei.“ Zur Motivation der Musikschule – eine der ältesten kommunalen Musikschulen in Deutschland – sich so einzubringen, gab Schwinn, der selbst als Gitarrenlehrer tätig ist, zu: „Wir haben natürlich auch ein Interesse, dass die Schüler dann unsere Angebote wahrnehmen.“ Zugleich betonte Grundschullehrerin Sarah Glesner, dass die Kooperation für nicht wenige Schülerinnen und Schüler „die einzige Möglichkeit, dass sie ein Instrument spielen können“, sei.
Ähnlich sieht Andreas Vicinius, der stellvertretende Schulleiter der Kurpfalz-Realschule plus in Kaiserslautern, die Situation an seiner Ganztagsschule: „Bei uns kann kein Kind privat einfach so ein Instrument spielen. Wir sorgen dafür, dass sie Instrumente kennenlernen.“ Seit 1999 gibt es bereits eine Bläserklasse. Das Kolpingblasorchester Kaiserslautern ist hier der Kooperationspartner und Andreas Vicinius als Vorsitzender des Musikvereins die personifizierte Zusammenarbeit. „Von der Kooperation profitieren alle“, zeigt er sich überzeugt.
Die Pestalozzi-Grundschule Eisenberg wiederum unterhält in Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Eisenberger Blaskapelle e.V. eine Bläserklasse im 4. Schuljahr. Dafür kann die Schule laut Schulleiter Markus Fichter das Ganztagsschulbudget nutzen. Die stellvertretende Schulleiterin Martina Ochßner, die die Bläserklasse leitet, berichtete: „Es macht wahnsinnig viel Spaß, die Freude der Kinder zu sehen.“ Und der Orchesterdirigent der Eisenberger Blaskapelle Klaus Steinhauer freut sich ebenfalls: „16 Kinder haben nach der Grundschule weiter ein Instrument bei uns gespielt. Alle 16 kommen aus der Bläserklasse.“
„Sie sind doch die Schule mit den Trommlern?“
Derweil wird an der Albert-Schweitzer-Realschule plus in Koblenz getrommelt. Die „Cool Trash Drummers“ sind Schulleiterin Anne Sattler zufolge „ein Aushängeschild unserer Schule“. Sie werde oft darauf angesprochen: „Sie sind doch die Schule mit den Trommlern?“ Der Name „Cool Trash Drummers“ leitet sich von den ungewöhnlichen Musikinstrumenten ab, umgedrehten Regenfässern. Die Ganztags-AG, die vor zwölf Jahren in Kooperation mit der Musikschule der Stadt Koblenz gegründet worden ist, trommelt einmal die Woche unter der Leitung von Schlagzeuglehrer Alex Sauerländer.
„Für die Schule und die Musikschule ist diese Zusammenarbeit eine Win-win-Situation“, findet Sauerländer. Die „Cool Trash Drummers“ sind unter anderem schon im Südwestrundfunk, im Vorprogramm des Stadionfestes von Mainz 05 oder auf Empfängen des Oberbürgermeisters aufgetreten. „Wir sind sehr stolz, eine solche AG zu haben!“, heißt es auf der Homepage der Ganztagsschule. Und eine Schülerin betont in der Videoeinspielung: „Herr Sauerländer ist der Beste!“
Prof. Werner Beidinger, Professor für Musikpädagogik an der Universität Potsdam, von Hause aus aber ein Pfälzer, nutzte das „Heimspiel“ für seinen Vortrag „Musikalische Kooperationen – Flickenteppich oder Erfolgsmodell?“. Der Wissenschaftler meinte: „Die Kooperationen können kein Ersatz für den Musikunterricht sein, sehr wohl aber seine Ergänzung.“ Mit den Ganztagsschulprojekten sei das Potenzial der Musikkooperationen erkannt und umgesetzt worden. „Diese Projekte erweitern die Schulen über einen Ort der Wissensvermittlung hinaus und helfen, nicht nur musikalische, sondern auch – gerade im Zusammenspiel in Gruppen – soziale Talente zu entdecken und zu fördern.“
Und schließlich, auch das betonte Beidinger, haben musikalische Kooperationen eine positive Auswirkung auf die Öffentlichkeitsarbeit. Das konnten die Praxisbeispiele in Mainz eindrucksvoll belegen.
Kategorien: Kooperationen - Umweltbildung und Nachhaltigkeit
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