Das Museum als Ganztagsangebot : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Der Lehrerinformationstag „Sächsische Museen als außerschulische Lernorte“ im smac Chemnitz zeigte die eindrucksvolle Vielfalt der Angebote: von Kunst- und naturkundlichen Sammlungen bis zu Eisenbahn- und Bergbaumuseen.
Die Schülerinnen und Schüler genossen am 25. August 2020 noch ihre letzte Ferienwoche. Aber ihre Lehrerinnen und Lehrer waren an jenem Tag schon fleißig. 100 Lehrkräfte folgten der Einladung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen und des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz (smac) zum 15. Lehrerinformationstag „Sächsische Museen als außerschulische Lernorte“.
„Wir hätten ohne Teilnehmerbeschränkung noch viel mehr Lehrkräfte begrüßen und noch mehr Museen einbinden können“, freute sich die Direktorin des smac Dr. Sabine Wolfram. „Wir waren sofort ausgebucht.“ Wie in jedem Jahr ermöglichten sächsische Museen den Lehrkräften der Region einen Einblick in ihre Angebote. Denn Museen als außerschulische Lernorte werden in Sachsen kontinuierlich auch für die Ganztagsangebote (GTA), die fast jede Schule hat, genutzt.
Passend für Unterricht und Ganztagsangebot
Sechs Chemnitzer Museen – neben dem smac das Sächsische Industriemuseum, das Museum für Naturkunde, die Kunstsammlungen am Theaterplatz mit dem Museum Gunzenhauser, den Kunstsammlungen, dem Schloßbergmuseum und dem Carlfriedrich-Claus-Archiv – öffneten am Nachmittag ihre Türen für den Lehrerinformationstag. Zuvor sorgten im Foyer des smac bereits 15 Ausstellerstände von Museen außerhalb von Chemnitz und Kurzvorstellungen für einen regen Informationsfluss.
Und sie sorgten für ein Staunen über die breite Palette ganz unterschiedlicher Museen und Ausstellungen, die sich mit maßgeschneiderten Angeboten auch immer direkt an Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte wenden. Über die 15 sich im smac präsentierenden Museen hinaus bog sich der Tisch der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen von Prospekten und Büchern landesweiter Angebote. Und selbst dies stellte nur einen kleinen Ausschnitt der Museumslandschaft in Sachsen dar.
Um einen Überblick zu ermöglichen, hat die Landesstelle das Internetportal „Sachsens Museen entdecken“ eingerichtet. Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Landesstelle, stellte es den Teilnehmenden vor. „Auf unserem Portal finden Sie fast 1.000 Bildungs- und Freizeitangebote sächsischer Museen auf einen Blick. Sie können hier nach Regionen, Schularten, Klassenstufen und Fächern filtern, um das Passende für den Unterricht oder Ganztagsangebote oder auch einen Klassenausflug zu finden.“
„Sprechen Sie ein Museum in Ihrer Nähe an!“
„Museen sind als außerschulischer Lernort gerade jetzt besonders geeignet“, betonte Irina Schenk, Referentin im Sächsischen Kultusministerium, zur Begrüßung. Sie bat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Museen, weiterhin besonders „an die Zielgruppen Schülerinnen und Schüler zu denken“. Um sie für Museen zu begeistern, sei es immer wieder wichtig, ihnen „ein niedrigschwelliges Angebot zu machen.“
Ein solches stellte Sabine Lienen-Kraft, Mitarbeiterin für Bildung im smac, anschließend vor: Unter dem Titel „93:27 – Jugendliche vertonen das smac“ haben Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Schulzentrums Chemnitz und des Johannes-Kepler-Gymnasiums zusammen mit Studierenden der Hochschule Mittweida einen Audioguide für Jugendliche entwickelt.
„Die Schülerinnen und Schüler hatten freie Hand, welche Exponate unserer archäologischen Sammlung auf drei Etagen sie vertonen wollten“, berichtete. „Sie haben 49 Stücke in einer Gesamtlänge von 93 Minuten und 27 Sekunden eingesprochen und mit Geräuschen und Musik unterlegt. Der Audioguide kann unentgeltlich genutzt werden.“ Einen solchen zu erstellen, dafür bieten sich Ganztagsangebote geradezu an: „Sprechen Sie ein Museum in Ihrer Nähe an. Denn viele haben so etwas noch nicht.“
Märchenhafte Schlossführung
Auf Schloss Rochlitz zwischen Chemnitz und Leipzig heißt es „Mittelalter pur“! Das gut 1.000 Jahre alte Bauwerk regt die Fantasie an und zu einer „Entdeckungstour durch Romanik und Renaissance“ ein. Für jüngere Schülerinnen und Schüler ist das Schloss, so Museumspädagogin Antje Krahnstöver, die seit über zehn Jahren Kindergruppen durch das Schloss führt, aber auch „der ideale Ort, Märchen zu erleben“, wie sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erklärte.
In einer bis zu zweistündigen Führung werden drei Märchen der Gebrüder Grimm vorgestellt und mit Räumlichkeiten und dem Leben im Mittelalter verknüpft. Am Kachelofen in der Roten Stube geht es um „Aschenbrödel“. Fragen lauten dann etwa: Welche Bedeutung hatten Linsen und Erbsen oder Asche für die damaligen Bewohner? Wie lange braucht es, Erbsen und Linsen zu trennen? Aber auch: Wie fühlt es sich an, als Prinzessin gekleidet zu sein? Wie als armes Mädchen?
In der Turmstube im Bergfried dreht sich alles um „Rapunzel“ und in der voll funktionstüchtigen Schlossküche um das Märchen „Der süße Brei“. Dort kochen die Kinder auf offenem Feuer einen Hirsebrei, „was sie immer sehr spannend finden“, und verkosten ihn auch. An allen drei Stationen wird jeweils das Märchen erzählt – erzählt, und nicht bloß vorgelesen!
„Schätze der Erde“ für Chemie- und Physikunterricht
Das neue interaktive Schülerprogramm „Kupfer. Vom Boden aufs Dach...und ins Museum!“ in den Kunstsammlungen Zwickau – Max-Pechstein-Museum mit seiner naturhistorischen Sammlung stellte Diplom-Geologe Sven Neuhaus vor. 20.000 Mineralien, Pflanzenfossilien und Gesteine aus dem Vogtland und dem Erzgebirge stellt das Museum auf 250 Quadratmetern aus. Unter Anleitung lernen Schülerinnen und Schüler wichtige Mineralien, Fossilien und Gesteine zu bestimmen. „Das lässt sich für den Chemie-, Mathematik- und Physikunterricht nutzen“, meinte Neuhaus.
Im Sonderprogramm dreht sich derweil alles um das „rote Gold“ Kupfer. In der Museumsabteilung „Schätze der Erde“ können spektakuläre Fundstücke aus Zwickauer Steinkohleschächten bestaunt werden: sechs Bleche reines Kupfermetall, sogenanntes gediegenes Kupfer, bis zu 30 Zentimeter im Durchmesser. In der Museumsabteilung „Alte Meister“ begleiten die Kinder und Jugendlichen dann mutige Matrosen auf ihren stolzen Segelschiffen, die wertvolle Fracht geladen haben – vielleicht Kupfer?
Und sie schauen sich an, dass Kupfer auch gern eine Verbindung mit anderen Metallen eingeht, um kunstvoll glänzend ins Museum gestellt zu werden. „Dann experimentieren wir im Museumsgarten und stellen selbst Kupfer mit einem Experimentekoffer her“, berichtete der Museums-Geologe und Kurator der Mineralogisch-Geologischen Sammlungen. „Zum Abschluss steigen wir den Kunstsammlungen noch aufs Kupferdach und genießen die Aussicht vom Museumsturm.“
Sächsisches Manchester: „Wat is ne Dampfmaschin?“
Etwas ungewöhnlicher ist das Angebot des Naturalienkabinetts Waldenburg. Neben einer altägyptischen Mumie, einer Vogelsammlung, versteinerten Pflanzen und Mineralien gibt es dort auch in Spiritus konservierte Tiere und eine anatomische Sammlung. „Anhand der Humanpräparate können sich Schülerinnen und Schüler mit Fragen der Genetik beschäftigen“, erläuterte Museumsleiterin Fanny Stoye. Dabei eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, auch Themen der Ethik und der Religion anzusprechen.
An die frische Luft geht es im Sächsischen Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf, das Dr. Maximilian Claudius Noack präsentierte. Auf einem der ehemals größten Rangierbahnhöfe Mitteldeutschlands, der in der DDR rund 10.000 Angestellte beschäftigte, können Grundschülerinnen und -schüler in die Rollen von Rangier- und Stellwerksarbeitern schlüpfen – Warnwesten, Mützen, Ansteckkrawatten und Funkgeräte inklusive. „Die Kinder bekommen ein Gespür dafür, was es heißt, Logistik mit Lokomotiven zu organisieren“, so Noack. Daneben laufen im Eisenbahnmuseum auch Projekte wie „Wat is ne Dampfmaschin?“, eine Eisenbahnrallye oder „Dampflok bauen“.
Chemnitz, Wiege des sächsischen Maschinenbaus, galt einst als das „sächsische Manchester“. Ebenfalls mit einem traditionellen Industriezweig der Region befasst sich die Tuchfabrik Crimmitschau des Sächsischen Industriemuseums. Museumspädagogin Marion Kaiser berichtete von dem „ideal für Ganztagsprogramme“ geeigneten Führungen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Textilwirtschaft Sachsens in der historischen Tuchfabrik. Und es geht auch um Ausbildung, Jobs und Chancen oder Fragen von Ökonomie und Ökologie.
UNESCO-Weltkulturerbe Montanregion
Und natürlich muss vom Bergbau sprechen, wer über Sachsen schreibt. Das Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg führt durch die 850-jährige Geschichte des Bergbaus. Die 14 „Führungen mit Schüleraktivität‟ vom „Erlebnis Bergbau“ über „Von Rittern und Wappen“ bis zu „Tonkunst – Scherben bringen Glück“ sind alle als Ganztagsangebote geeignet. Sogar direkt einfahren können Kinder und Jugendliche in das einstige Silberbergwerk „Im Gößner“ des Erzgebirgsmuseums Annaberg-Buchholz. Für Grundschülerinnen und -schüler geht es dann zum Beispiel auf Schatzsuche ins „Reich des kleinen Bergzwerges“.
Dort befindet sich auch der berühmte „Frohnauer Hammer“, das älteste Schmiedemuseum Deutschlands und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes „Montanregion Erzgebirge Krušnohoří“, wo Kinder und Jugendliche ein voll funktionstüchtiges Hammerwerk mit Wasserkraftantrieb erleben können.
Ungezählte Möglichkeiten. Peter Degenkolb, der für das smac den 15. Lehrerinformationstag mitorganisiert hat, ist sehr froh, dass dieser inzwischen „durch Sachsen rotiert“ und nicht nur in der Landeshauptstadt stattfindet. „So kommen auch viele Lehrkräfte, die wohl sonst nicht dabei wären. Aber vor allem können wir alle auf diese Weise unsere vielfältigen Museumslandschaften vor Ort zeigen.“
Kategorien: Ganztag vor Ort - Partizipation
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