Willkommen im Club! : Datum: Autor: Autor/in: Arnd Zickgraf
Mit eigenen Schülerclubs und Schülerfirmen betreten viele Schulen pädagogisches Neuland. So mannigfaltig die Möglichkeiten für das Betreiben eines eigenen Schülerclubs oder einer Schülerfirma an den Schulen sind, so groß ist auch der Beratungsbedarf. Die Fachtagung "Schülerclubs und Schülerfirmen an Ganztagsschulen" am 24. Oktober 2005 in Mahlow vermittelt das Einmaleins, dieses berufsbezogene Schülerengagement an Ganztagsschulen zu etablieren.
Durch die Hände der Bosse wandern Beträge in Höhe von Millionen oder Milliarden Euro. Makler, Börsenspekulanten, Kaufleute, PR-Berater, Informatiker - im Chefsessel sitzen alle, nur keine Schülerinnen und Schüler. Geschäftemachen ist Chefsache. Lernen gilt hingegen als Schülersache. Das war einmal. Heute öffnen sich die Schulen, allen voran die Ganztagsschulen, die hierzulande Schrittmacher einer Entwicklung sind, die bereits in vielen Ländern stattfindet.
Wie das geht, Schülerclubs und Schülerfirmen zu gründen und auf lange Sicht lebensfähig zu machen, wollte "Kobra.net, Kooperation in Brandenburg" wissen. Die Fachtagung "Schülerclubs und Schülerfirmen an Ganztagsschulen" am 24. Oktober in Mahlow brachte Schülerinnen und Schüler, Schulleiter, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und Eltern zusammen. Und das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg unterstützte die Verbreitung dieser neuen Schülerkultur, "denn gerade die Ganztagsschule bietet sowohl den nötigen Freiraum als auch die materiellen wie personellen Voraussetzungen, Schülerclubs und Schülerunternehmen zu Erfolgsmodellen zu machen" sagt Staatssekretär Martin Gorholt. Tagungsort ist die Grund- und Oberschule Herbert Tschäpe in Mahlow, in deren Schülerclub Foto-AGs stattfinden, Skireisen geplant oder Feten und Tanzabende starten.
Lernen an der Schnittstelle von Nachbarschaft, Jugendarbeit und Schule
Brandenburg zählt rund 70 Schülerfirmen und Dutzende Schülerclubs. Ein typisches Modell einer Schülerfirma ist die Versorgung der Schule mit Speis und Trank, zu Neudeutsch "Catering". Doch auch Schülerreisen stehen auf dem Businessplan der Schülerfirmen, Fahrradreparaturen, Dienstleistungen für Senioren oder Webdesign. Bei Schülerfirmen dreht sich nicht alles um das Geld, Aktienkurse und Gewinne. Schülerfirmen sind genuine Bildungsveranstaltungen. Das bestätigt der Staatssekretär: "Schüler arbeiten in Schülerfirmen größtenteils eigenverantwortlich und im Team an der Umsetzung der Geschäftsidee." Sie stellten eine Bereicherung sowohl des Schullebens als auch des Unterrichtsalltags dar.
Auch Schülerclubs gehören zum "festen Bestandteil der Schule". Sie sind "Schnittstelle von Schüler, Jugendarbeit und Nachbarschaft", sagt Martin Gorholt. Nur warum will der Staatssekretär noch dazu Schülerfirmen? "Das in einer Schülerfirma geforderte unternehmerische Denken und das Verstehen von betriebswirtschaftlichen Abläufen fördert die Berufsorientierung der Schüler und vergrößert die Chancen, eine Ausbildungsstelle zu erhalten", sagt Martin Gorholt.
Die Jugendlichen auf der Tagung brauchen allerdings nicht unbedingt einen Wortführer. Sie sind in der Lage, sich selbst artikulieren. So sagt Marwin, Schülerclubs seien "wichtig für die zwischenmenschliche Schiene". Man lerne miteinander auszukommen, man lerne für die Zukunft. Mitstreiterin Jenny hat den "ultimativen Tipp": Einen guten Lehrer, eine gute Lehrerin finden. Denn die helfen dabei, Fördermittel zu gewinnen. Oder auch deren Akzeptanz in der Schule zu steigern.
Jede Schule ist anders, jeder Schülerclub ebenso. In den Workshops nutzen die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und Eltern die Gelegenheit, die schuleigene Praxis zu reflektieren. Es stehen Workshops zu Schülerclubs, Schülerfirmen und zu Elternbeteiligung auf der Tagungsordnung. Manche Teilnehmer gestehen, dass sie bei der Schülerfirma oder beim Schülerclub bei "Null anfangen". Andere suchen eine gute Geschäftsidee oder ein Profil für den Schülerclub, der zur Schule passt. Unterstützung kommt von Norbert Bothe und Thomas Schöler von "Kobra.net" in Brandenburg. "Kobra.net" ist eine im Land Brandenburg ansässige Kooperationsstelle, die Schule als Erfahrungsraum gestalten möchte. Diese Kooperationsstelle ist der regionale Partner der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) in Brandenburg.
"Hallo, hier sind wir"
Gerade beim Betreiben von Schülerfirmen gilt es, Vorurteile abzubauen. Man könnte nämlich auf die Idee kommen, Schülerfirmen seien reale Konkurrenten ortansässiger Firmen. Etwa die Schulbäckerei für die Traditionsbäckerei in der Seitenstraße. Rund zehn Stationen führen zur Entstehung einer Schülerfirma. Ohne Menschen mit Ideen gibt es keine Schülerfirma, so Thomas Schöler. Und natürlich auch keinen Schülerclub. Im Unterschied zum Schülerclub geht es bei der Schülerfirma ums Geld.
Doch Obacht! Schülerfirmen sind Schulveranstaltungen. Deswegen sollte auch vor der Schülerfirma ein "S" stehen, "S-GmbH". "S-GmbHs" müssen keine Steuern entrichten, wenn der Umsatz 30.678 Euro nicht übersteigt. Es fallen auch dann keine (Körperschafts-) Steuern an, wenn der Gewinn der Schülerinnen und Schüler unter 3.835 Euro bleibt. Eine Schülerfirma braucht ein eigenes Konto. Kein Privatkonto, sondern ein Geschäftskonto, das beim Schulförderverein als Unterkonto geführt werden kann. Das ist dann notwendig, wenn die Schüler in der Firma minderjährig sind. Es erspart außerdem die Kontoführungsgebühr. "S-GmbHs" signalisieren darüber hinaus den Firmen im freien Wettbewerb: Von den Schülerfirmen droht keine echte Konkurrenz.
Die am häufigsten von Jugendlichen gewählte Rechtsform der Schülerfirma ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Mit einer Aktiengesellschaft (AG) lässt sich zwar die Identifikation mit der Schülerfirma steigern, weil Schüler, Lehrkräfte und Eltern und Externe Aktien erwerben und sich somit finanziell beteiligen können. AGs brauchen einen Vorstand und einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsleitung kontrolliert. Jahreshauptversammlungen informieren die Aktionäre über den Stand der Firma. Bei der Schüler-GmbH ist der Kreis der Beteiligten geringer, was die Organisation wiederum erleichtert. Ob S-GmbH oder S-AG oder Schülerclub, in allen von Schülerinnen und Schülern betriebenen Einrichtungen ist es sinnvoll, von Anfang an das Morgen zu bedenken.
Wohlweislich fordert die DKJS, so Norbert Bothe von "Kobra.net", dass in Schülerclubs und Schülerfirmen jahrgangsübergreifende Teams gebildet werden, damit die Schülereinrichtung nicht nach einem Jahr ins Leere läuft und die Förderung obendrein. Man muss sich also frühzeitig Gedanken machen, wie man den Nachwuchs sichert. Dazu gehen die Schülerinnen und Schüler am besten in die jüngeren Stufen und rühren die Werbetrommel. Es empfiehlt sich, passende Angebote auch für jüngere Mitspieler zu machen und ein offenes Clubteam mit einer breiten Altersmischung auf die Beine zu stellen. Schülerclubs sollten kein "closed shop" sein, sondern eher ein "open space", ein offener Raum.
"Hallo, hier sind wir", sagt Marwin vom Schülerclub in Brandenburg. Mit dieser Einstellung klopfen die Macher vom Schülerclub oder der Schülerfirma bei der lokalen Presse, beim Rundfunk oder auch beim Fernsehen an die Türen. Das ist ein Aufwand, der sich lohnt. Erst die Öffentlichkeitsarbeit verleiht der Schülerfirma oder dem Schülerclub eine Existenz in der Außenwelt. Öffentlichkeitsarbeit alleine macht es nicht. Ausdauer ist eine notwendige Zugabe zu jeder Schülerinitiative. Man muss den Behörden "immer wieder auf die Füße treten" so ein Schüler. Dieses Hallo-hier-sind-wir und das mit ihm verbundene Selbstwertgefühl von Schülerseite vermag leichter Türen aufzuschließen als so mancher professionelle Öffentlichkeitsarbeiter.
Verantwortung lernen auf sieben Wegen
Ganztagsschulen bieten beste Voraussetzung für die Etablierung von Schülerclubs und Schülerfirmen. Wie Schülereinrichtungen in den Ablauf der Ganztagsschule eingepasst werden, hängt davon ab, ob die Ganztagsschule gebunden ist oder offen. Bei gebundenen, also bei verpflichtenden Ganztagsschulen folgt auf eine Phase der Anspannung eine Phase der Entspannung. Die Angebote können über den Vormittag und Nachmittag hinweg flexibler verteilt werden. In der Mathestunde könnte etwa die Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben stehen. Theorie und Praxis können so besser miteinander verschränkt werden.
Wie können Schülerfirmen an Ganztagsschulen verankert werden? Norbert Bothe hat sieben Modelle von Schülerfirmen herausgearbeitet. Das Spektrum reicht vom "themenbezogenem Projekt" als offenes Angebot am Nachmittag über die Schülerfirma im Unterricht bis hin zur Schülerfirma, die außerhalb der Schule agiert. Die Stärke des ersten Modells liegt darin, dass sie einfach zu koordinieren ist, während bei der Schülerfirma als Teil des Unterrichts die pädagogische Begleitung gesichert ist. Dafür sind die Schülerinnen und Schüler weit weniger selbstständig. Die größte Nähe zur Praxis ist beim letzten Modell, der außerhalb der Schule operierenden Schülerfirma, gegeben. Das macht die Schülerfirma zum echten Erlebnis, gar Abenteuer, doch die Ferne zur Schule ist unübersehbar.
Fazit: Auch bei der Schülerfirma geht es nicht um "das goldene Kalb", das Geld, den Status. Das Wichtigste ist die "Selbstwirksamkeit". Schülerfirmen und auch Schülerclubs sind für Norbert Bothe letztlich "Vehikel des Lernens". Zu spüren, ich lebe, weil ich wirke. Das Lernen im Schülerclub oder der Schülerfirma hört allerdings niemals so richtig auf. Denn für alle gilt es sich einzufinden im Club des lebenslangen Lernens. Und dieser Club weist über das Berufsleben hinaus.
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