Tagung "Ganztagsschule und Umweltbildung" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die PH Karlsruhe bietet mit dem Qualifikationslehrgang NaDiQuAk die Chance, praxisnahe Kenntnisse in der Natur- und Umweltpädagogik zu erwerben. Auf der Tagung "Ganztagsschule und Umweltbildung" tauschten sich Experten und Praktiker aus.
Es war 2009 nicht unbedingt abzusehen, dass das Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe Erfolg haben würde mit seinem Förderantrag beim Europäischen Sozialfonds (ESF) für den Qualifikationslehrgang NaDiQuAk (Naturwissenschaftliche Didaktik Qualifikationslehrgang AkademikerInnen). Andreas Schütze, Abteilungsleiter im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, sieht es jedenfalls als „großen Erfolg, dass die PH Karlsruhe hier Fördergelder erhalten hat“. Und Dr. Christine Böckelmann, Rektorin der PH Karlsruhe, lobt NaDiQuAk als eine „Pionierpflanze in der bedarfsgerechten Weiterbildung, die nicht ein festgefügter Studiengang ist, sondern die Angebote am lebenslangen Lernen für ganz unterschiedliche Adressaten ausrichtet“.
Der Qualifikationslehrgang NaDiQuAk vermittelt praxisnahe Kenntnisse und vielseitige Ideen für Umweltbildungsaktivitäten mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus den Themenfeldern Artenkenntnis und Biodiversität, Ökologie, Naturschutzbiologie sowie Mensch-Natur-Kultur. NaDiQuAk schult Multiplikatoren der Umweltpädagogik für qualifizierte und originelle Nachmittagsangebote an Ganztagsschulen, Kindertagesstätten und anderen Bildungseinrichtungen.
Diese Weiterbildung verbessert die Qualifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für berufliche Tätigkeiten in der Umweltbildung und ermöglicht eine fundierte berufliche Weiterorientierung. Es können verschiedene Wochenendmodule gebucht werden, die sich mit Themen wie „Einführung in die Waldpädagogik und Erkundungen des Lebensraumes Wald im Herbst“, „Projektarbeit erfolgreich gestalten“, „Naturrallyes in unterschiedlichen Lebensräumen“ oder „Die Umwelt wahrnehmen – die menschlichen Sinne“ befassen.
Am 9. und 10. Oktober lud das Projekt NaDiQuAk zur Tagung „Ganztagsschule und Umweltbildung“ in die Hochschule, um das Ende der ESF-Förderphase zu einem „festlichen Abschluss“ zu führen, wie Prof. Andreas Martens, Projektleiter und Biologe am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung, zur Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagte. Doch diesem Ende wohnt zugleich ein Anfang inne. „Wir hoffen, bald wieder bei der ESF-Förderrichtlinie mitzumischen“, kündigte der Wissenschaftler an, „und überlegen, ob unsere Absolventen zukünftig nicht auch als feste Mitarbeiter in Ganztagsschulen mitarbeiten können“. Somit war diese Tagung auch ein Ausloten, was die drei Seiten – Ganztagsschule, Umweltbildung und NaDiQuAk-Lehrgang – verbindet.
Umweltbildung ist gesuchtes Thema in Ganztagsschulen
„NaDiQuAk hat Riesenchancen in Ganztagsschulen“, zeigte sich Prof. Gabriele Weigand von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe überzeugt. „Wir befinden uns in Sachen Ganztagsschule in Baden-Württemberg gerade in einer sensiblen Phase“, führte die Erziehungswissenschaftlerin aus. Durch die Aufnahme der Ganztagsgrundschule ins Schulgesetz im Juli 2014 und die vorangegangene Kooperationsvereinbarung des Landes mit den kommunalen Landesverbänden sowie über 40 Verbänden und Institutionen sei eine neue Dynamik in die Ganztagsschullandschaft gekommen.
„Die StEG-Studie hat gezeigt, dass in Ganztagsgrundschulen die Kinder ungebundene Freizeitangebote und Arbeitsgemeinschaften am meisten anwählen, in den Sekundarschulen sind es fächerübergreifende Kurse und AGs. Da hätten Angebote von NaDiQuAk unbedingt ihren Platz“, meinte Gabriele Weigand. „Die Ganztagsschule ist eine gesellschaftliche Realität und Notwendigkeit, die Zeit und Räume für vielseitige und vertiefte Bildung ermöglicht. Es ist die Aufgabe der Schule, sich verstärkt für außerschulische Partner zu öffnen und non-formales und informelles Lernen zu integrieren.“
Beate Ritter, die Landesvorsitzende des Ganztagsschulverbandes Baden-Württemberg, hob hervor, dass „Ganztagsschulen nur mit Vernetzung funktionieren“: „Es darf kein Kochen im eigenen Saft geben.“ Die Umweltbildung sei ein gesuchtes Thema in den Ganztagsschulen. „Es gibt eine starke Nachfrage der Schulen nach Unterstützung von MINT-Themen“, so die Schulleiterin des August-Ruf-Bildungszentrums Ettenheim. „Ganztagsschulen bieten eine gute Möglichkeit, naturwissenschaftliche Angebote in das Programm zu integrieren und naturwissenschaftliche Kompetenzen zu stärken.“
Engagement angemessen vergüten
Wie das in der Stadt Karlsruhe organisiert ist, berichtete Anke Kelber vom Amt für Umwelt- und Arbeitsschutz der Stadt Karlsruhe. „2005 unterstützte die Stadt erstmals Kooperationen von Ganztagsschulen mit Sportvereinen mit anfangs 100.000 Euro und inzwischen 150.000 Euro pro Schuljahr und mit Kulturschaffenden mit 80.000 Euro pro Schuljahr. Seit dem Schuljahr 2009/10 gibt es auch eine Förderung für Zusammenarbeit im Umweltbereich. Dafür stellte der Karlsruher Gemeinderat anfangs 20.000 Euro pro Schuljahr zur Verfügung, die im Schuljahr 2013/14 auf 30.000 Euro aufgestockt worden sind.“
Der Gemeinderat habe zur Bedingung gemacht, dass die Schulen mit Umweltverbänden zusammenarbeiten, die Angebote mindestens ein halbes Jahr umfassen, die Lebenswelt der Kinder aufgreifen und vielfältige Methoden zur Anwendung kommen. 36 Nachmittage á 1,5 Stunden können gewährleistet werden, welche die Stadt mit 40 Euro Stundenlohn vergütet – und damit deutlich mehr als die von einem Teilnehmer beklagten acht Euro, die ihm eine Schule angeboten hatte.
„Es gibt viele R- und E-Projekte“, meinte dazu Prof. Andreas Martens. „Arbeit, für die es Ruhm und Ehre gibt. Ich rate Ihnen aber: Machen Sie es nicht umsonst. Arbeitsgerichte haben gerade in zwei Fällen geurteilt, dass es sich bei umweltbildenden Projekten in Ganztagsschulen nicht um eine rein betreuende Tätigkeit handelt. So erwarten wir, dass das Engagement zukünftig angemessen bezahlt wird.“
Die Resonanz auf die Umweltbildungskooperationen in Karlsruhe ist laut Anke Kelber stetig gewachsen. Im aktuellen Schuljahr arbeiteten 13 Schulen mit drei Umweltverbänden zusammen. „Bisher haben wir nur positive Rückmeldungen der Schulleitungen zum Angebot erhalten“, berichtet Anke Kelber. Um Konfliktsituationen zu minimeren, habe das Amt ein Schreiben mit Tipps zu Themen wie Hausrecht, Schlüsselgewalt, Aufsichtspflicht und Einbindung der außerschulischen Partner an die Schulen und die Umweltverbände versendet.
Für manche Kinder die erste Radtour ihres Lebens
Bei den verschiedenen Projekten arbeiten die Schülerinnen und Schüler im Schulgarten, ernten und verarbeiten Früchte, spüren Stromfresser im Haus auf, besuchen das Naturkundemuseum oder den Botanischen Garten, radeln zu einem Imker, basteln Osterkränze oder stellen Seife aus Rosenöl her. „Für manche Kinder ist es ihr erster Museumsbesuch oder ihre erste Radtour überhaupt“, meinte Anke Kelber. Alle außerschulischen Angebote seien für die Kinder kostenlos – „das ist uns sehr wichtig.“
Allerdings gebe es auch Probleme: Weiterführende Schulen seien oft schwerer erreichbar, auch sei es nicht einfach, qualifiziertes Personal zu finden, das am Nachmittag Zeit habe und Verantwortung über ein ganzes Schuljahr übernehmen wolle. „Wir hoffen hier auf noch mehr NaDiQuAk-Absolventen, die wir auch bereits eingesetzt haben“, so die Stadtvertreterin.
Wie sich die Rolle der Lehrkräfte in einer Ganztagsschule verändert, beleuchtete Dr. Albert Berger von der PH Karlsruhe. „Zählt man alles auf, was Lehrerinnen und Lehrer heutzutage an Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringen sollen, fühle ich mich an die eierlegende Wollmilchsau erinnert“, so der Erziehungswissenschaftler. „Um ein vielfältiges, reichhaltiges Angebot an einer Ganztagsschule zu organisieren, bedarf es multiprofessioneller Teams mit unterschiedlichen Kenntnissen und Fertigkeiten.“ Die StEG-Studie habe gezeigt, dass die Qualität von Kooperationen entscheidend für die Wirksamkeit einer Ganztagsschule sei. Und die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Baden-Württemberg habe formuliert: „Ein gutes Kooperationsklima stellt das Fundament einer guten Ganztagsschule dar.“ Laut Berger sind die NaDiQuAk-Absolventen für eine solche Tätigkeit gut vorbereitet.
„Jede Menge Natur auf dem Schulhof“
Wie es konkret an einer Schule aussieht, die sich der Umweltbildung verschrieben hat, berichtete Biologie-Lehrer Johannes Jürjens vom Christophorus-Gymnasium Altensteig im Nordschwarzwald. Hier sind auf dem riesigen Schulgelände heimische Pflanzen und Wildsträucher angepflanzt, Trockenmauern errichtet und Sitzgelegenheiten unter Bäumen geschaffen worden.
„Wir haben jede Menge Natur auf dem Schulhof“, so Jürjens. Von einem Apfelbaum pflücken die Jugendlichen die Äpfel, sie können im Wald spielen und klettern oder sich an vielen Plätzen ausruhen und zurückziehen. Die Schülerinnen und Schüler lernen den respektvollen Umgang mit der Natur kennen. Sie beschäftigen sich mit Tieren und Insekten und pflegen die Grünanlagen.
Schülerin Lisa aus der Biologie-AG berichtete den Zuhörerinnen und Zuhörern: „Viele Mitschüler empfinden den Schulhof als Wohlfühlfaktor, sie erleben die Vielfalt der Natur und nehmen das Schulgelände mit allen Sinnen wahr. Die älteren Schüler freuen sich darüber, wenn Schulstunden draußen im Gelände stattfinden. Es bildet sich ein echtes Gemeinschaftsgefühl.“
Kategorien: Forschung - Internationale Entwicklungen
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