Superkräfte im Ganztag wecken : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Von Hip-Hop bis Artistik reichen die Ganztagsangebote von Hero Society Leipzig in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Für Steve Körner ist entscheidend, dass Kinder und Jugendliche ihre Talente und Potenziale entdecken.
Online-Redaktion: Herr Körner, was verbirgt sich hinter „Hero Society“?
Steve Körner: Die Hero Society ist 2015 gegründet worden, die verschiedenen Vorläufer waren allerdings schon seit 2004 an Schulen und Bildungsträgern mit Workshops und wöchentlichen Kursen unterwegs. Am Anfang konzentrierten wir uns auf die Subkultur des Hip-Hop, des Rap, des Graffiti und des Breakdance. Inzwischen haben wir unsere Angebote aber sehr ausgeweitet auf Artistik, Street-Art, Parcours und vieles mehr.
Unser Anliegen ist die Talent- und Potenzialentfaltung. Wir sind der Überzeugung, dass jeder Mensch Talente, Stärken und Potenziale in sich trägt und diese entdecken kann. Bei Schülerinnen und Schülern versuchen wir diese Talente derzeit in 145 Schulen und Bildungsträgern in Sachsen und Sachsen-Anhalt zu fördern, unter anderem im Ganztagsbereich. Momentan bieten wir 47 Ganztagsangebote an, organisieren Feriencamps und diverse andere Angebote. Parallel bietet unser Verein eduventis - Bildung erleben e.V. auch Seminare für Lehrkräfte mit Themen wie „Neu kommunizieren“, „Jugendcodes“ und „Digitalisierung“ an.
Online-Redaktion: Welche Ganztagsangebote bieten Sie an?
Körner: Im Breakdance-Workshop arbeiten wir in Gruppen an leichten akrobatischen und tänzerischen Basisbewegungen, um einen schnellen Einstieg für alle Teilnehmerinnen und Teilenehmer zu gewährleisten. Der Spaß an der außergewöhnlichen Bewegung im Einklang mit der Musik steht dabei im Vordergrund. Im Hip-Hop-Dance-Workshop schulen wir Rhythmusgefühl und Zielstrebigkeit in Choreografien. Die Schülerinnen und Schüler können hier auch eigene Freestyle-Moves erfinden.
Im Graffiti-Workshop gestalten die Jugendlichen tolle Fassaden und stärken damit die Verbundenheit zur Schule. Sie können sich hier kreativ verwirklichen und ihren Lebensraum aktiv mitgestalten. Unser Graffiti-Profi leitet sie dabei an und gibt Feedback. In den „Girls!“- und „Boys!“-Projekten thematisieren wir Rollenbilder und Rollenerwartungen und verknüpfen das mit sozialem Lernen.
Online-Redaktion: Wie erreicht Ihr Angebot die Schulen?
Körner: Als sich die sächsischen Schulen mit Ganztagsangeboten für externe Partner öffneten, haben wir die Schulen angeschrieben, um auf unser Angebot aufmerksam zu machen. Mittlerweile hat sich das gedreht: Dadurch, dass wir so lange dabei sind, haben sich Netzwerke gebildet, und wir haben treue Partner, ich würde fast sagen Fans, die uns weiterempfehlen. Viele Schulen stoßen auch über unsere Internet-Seite oder andere Plattformen wie die der DKJS auf uns.
Online-Redaktion: Und wie rekrutieren Sie Ihre Dozenten?
Körner: Wir suchen an den Universitäten per Aushang Studierende und Freiberufler, die Erfahrungen für die entsprechenden Angebote mitbringen. Bei dieser Gruppe besteht mehr Flexibilität in den Arbeitszeiten, weil Ganztagsangebote häufig am frühen Nachmittag liegen. Unsere rund 30 externen Honorarkräfte knüpfen ebenfalls Verbindungen und vermitteln weiter, dass man bei uns auch die pädagogischen Erfahrungen mehren kann.
Online-Redaktion: Bringen Sie sich mit GTA-Kursen einmalig oder über das ganze Schuljahr ein?
Körner: Es geht beides. Aber die 47 Angebote, von denen ich eben sprach, sind tatsächlich ganz reguläre Kurse über ein ganzes Schuljahr.
Online-Redaktion: Worauf kommt es den Schulen in der Kooperation an?
Körner: Den Schulen ist es wichtig, dass es einen klaren Ansprechpartner gibt, den man jederzeit schnell erreichen kann. Dann spielen natürlich die Verlässlichkeit von unserer Seite und die Einfachheit in der Abwicklung, von der Rechnungslegung bis zum Besorgen von benötigten Materialien, eine Rolle. Wir kümmern uns um alles, was sich um die rund 90 Minuten des Kurses dreht, und nehmen das den Schulen komplett ab.
Online-Redaktion: Was ist Ihnen in der Kommunikation wichtig?
Körner: Wenn unsere Kurse ausfallen – zum Beispiel, wenn die Schule an dem Tag ein Sportfest feiert –, sollte uns das natürlich vorher mitgeteilt werden. Grundsätzlich wünschen wir uns Respekt für unsere Dozenten und Dozentinnen. Wir sagen immer, dass sie keine Pausenclowns sind. Manchmal haben wir schon gehört: „Mir ist egal, was Sie hier machen – Hauptsache, die Kinder sind beschäftigt.“ Das ist aber nicht der Anspruch unserer Arbeit.
Online-Redaktion: Ihr Anspruch ist das Entdecken und Entfalten von Talenten. Wie zeigt sich das in der Praxis?
Körner: Bei jedem Kurs ist es das Gleiche. Nicht jeder Jugendliche ist am Anfang mit Begeisterung am Start, er oder sie hat vielleicht den Kurs auch nicht ganz freiwillig gewählt. Ganz schnell wird dann gesagt: „Oh, das kann ich nicht!“ Nach zwei bis drei Wochen ändert sich das. Schülerinnen und Schüler, die zu Kursbeginn vielleicht wirklich etwas bewegungsungeschickt wirkten, machen schnelle Fortschritte, bringen sich supergut ein und rücken in die Mitte der Gruppe. Aus einer schüchternen Person wird eine, die anderen nun Schritte oder Figuren im Breakdance beibringt und die hier ihr Potenzial erfährt – auch ganz unabhängig vom Kursinhalt. Eine Schülerin oder ein Schüler sieht, dass sie oder er Spaß daran hat, anderen etwas zu zeigen oder beizubringen, Inhalte zu vermitteln.
Wir hören in den Vorgesprächen mit den Schulen manchmal, dass der Max so unruhig ist oder der Erik nicht mit dem Paul kann. In den Workshops erleben wir das dann aber fast nie so. Und die schönste Erfahrung ist es, wenn ein Jugendlicher bei uns etwas zum ersten Mal ausprobiert und es ihm dann so viel Spaß macht, dass er sich im Sportverein oder in der Tanzgruppe anmeldet. Bei uns muss keiner den Flickflack schaffen oder Profi werden, aber jeder kann sich ausprobieren und eine bislang verborgene Stärke oder ein Talent entdecken. Und zwar nicht nur für sich, sondern auch in der Gruppe.
Unsere Dozenten nutzen Breakdance, Hip-Hop, Artistik, Rap, Trommeln oder Fotografie auch, um Dynamiken in der Gruppe zu thematisieren und mit den Schülerinnen und Schülern zu schauen, wer sich an welchem Platz am besten einbringen kann. Wenn zum Beispiel ein Auftritt geplant wird, müssen verschiedene Aufgaben wie Bühnenbild, Ton und Licht übernommen werden. Wer macht da was mit wem am besten?
Online-Redaktion: Halten Sie regelmäßigen Kontakt zu den Schulen?
Körner: Es gibt die halbjährlichen Treffen mit den GTA-Leitern, bei denen wir auf den neuesten Stand gebracht werden. Welche Termine stehen an? Was ist passiert, was liegt vor? Ansonsten muss ich ehrlich sagen, dass man oft nur in den Kontakt mit den Schulen kommt, wenn etwas schiefgegangen ist. Solange alles klappt, laufen wir geräuschlos mit.
Online-Redaktion: Sie bieten auch Angebote zur Berufsorientierung an...
Körner: Wir können und wollen keine Hilfen zur späteren Berufswahl geben, sondern öffnen die Augen der Jugendlichen für die Kompetenzen, auf die es im Beruf ankommt, beispielsweise mit der Digitalisierung und was alles damit einhergeht. Aber auch hier ist ein Bereich die Stärkenorientierung: Die Jugendlichen sollen herausfinden, was ihnen Spaß macht, wofür sie brennen und was sie einmal mit ihrem Leben machen wollen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!
Kategorien: Ganztag vor Ort - Berufsorientierung
Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000