Plattform „Chance Ganztag“ informiert und vernetzt : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Der Gedanke der Verantwortungsgemeinschaft trägt die neue Plattform „Chance Ganztag“ in München. Dr. Sandra Mittag-Bornmann erläutert für das Bildungsnetzwerk München im Interview die Ziele des Informationsportals.

Dr. Sandra Mittag
© Dr. Sandra Mittag

Online-Redaktion: Für alle Nicht-Münchner: Was verbirgt sich hinter der „Stiftung Gesellschaft macht Schule“ und dem Bildungsnetzwerk München?

Dr. Sandra Mittag-Bornmann: Die „Stiftung Gesellschaft macht Schule“ wurde 2003 gegründet und möchte die Chancen von Kindern und Jugendlichen mit herkunftsbedingten Bildungsnachteilen verbessern. Hierfür arbeitet sie eng mit Münchner Grund- und Mittelschulen in sozialen Brennpunkten vor allem im gebundenen Ganztag zusammen. Unser Ziel ist es, Werte des Miteinanders zu vermitteln, das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen zu stärken sowie deren Talente zu fördern. 

Die Stiftung ist eines von 16 Mitgliedern des Bildungsnetzwerkes München, kurz: BiNet, unter dem Dach des Sozialen Netzwerkes München. Das Bildungsnetzwerk ist aus der Teilnahme der Landeshauptstadt München am Bundesprogramm „Lernen vor Ort“ hervorgegangen. Als das Programm 2014 endete, beschloss der in München bestehende Stiftungsverbund, sich weiterhin als Netzwerk für bessere Bildung in München in Kooperation mit der Stadt München einzusetzen.

Online-Redaktion: Warum wird dem Ganztag ein besonderer Schwerpunkt gewidmet?

Mittag-Bornmann: Wir alle sind überzeugt, dass der Ganztag, gleichgültig in welcher Ausgestaltung, einen großen Beitrag dazu leisten kann, Schülerinnen und Schülern durch attraktive Angebote neue Reize und Anregungen für künstlerische, sportliche und musische Bildung sowie für die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen zu bieten. Schule ist eben nicht nur Bildungs-, sondern auch Lebensraum. Ganztag leistet Beziehungsarbeit, hält Neugierde wach oder weckt sie sogar erst. In solch einem Umfeld können Schulen in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern individuelle Begabungen besonders gut fördern. Hier lernen Kinder und Jugendliche und können im besten Falle das Erlernte im eigenen Alltag integrieren.

Online-Redaktion: Übernimmt das Bildungsnetzwerk mit seinem Engagement nicht Aufgaben von Staat und Kommunen?

Mittag-Bornmann: Der Ganztag ermöglicht nicht nur eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er trägt insbesondere für Kinder aus Familien mit sozioökonomischen Herausforderungen auch zu mehr Bildungs- und Teilhabechancen bei. Die Kinder brauchen, gerade auch vor dem Hintergrund der Unsicherheiten in der aktuellen Zeit, große Unterstützung. Und die bieten unter anderem unsere angestrebten Kooperationsprojekte. Viele Projekte können tatsächlich durch die staatlichen und kommunalen Fördermittel für Ganztagsschulen finanziert werden. Das Grundangebot kann so sichergestellt werden. Um jedoch einem ganz besonderen Förderbedarf gerecht zu werden, wenn multiple Belastungssituationen zu meistern sind oder wenn besondere, innovative Ideen, die das Budget der Schulen sprengen, umzusetzen sind, braucht es weitere Fördermittel. Hier ist dann auch die Zivilgesellschaft gefragt. 

Online-Redaktion: Ein Beispiel bitte…

Messbecher
Den schulischen Ganztag weiter stärken © Gesellschaft macht Schule

Mittag-Bornmann: Kindern aus Familien mit sozio-ökonomischen Herausforderungen fehlt es häufig an Unterstützung zu Hause. Nicht wenige haben auch einen großen Bedarf, bestimmte Kompetenzen, auch im sozial-emotionalen Bereich, zu erwerben. Hier braucht es besonders geschultes Personal, Vertrauen und Beziehungsaufbau, was nur in längeren Zeiträumen mit kontinuierlicher Betreuung möglich ist, z.B. 1-3 Mal wöchentlich über ein ganzes Schuljahr hinweg mit einem niedrigen Betreuungsschlüssel. Das ist sehr kostenintensiv, aber es lohnt sich.

Online-Redaktion: Im April geht nun die Plattform „Chance Ganztag“ an den Start. Wer sind ihre Mütter und Väter?

Mittag-Bornmann: Hier hat es eine wirklich wunderbare und außergewöhnliche Kooperation gegeben. Die Zivilgesellschaft, vertreten durch das Bildungsnetzwerk, der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband, die Stadt München und der Freistaat Bayern haben die Idee entwickelt. Dem Projekt gehören neben den vier Genannten auch das Staatliche Schulamt in der Landeshauptstadt München sowie das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung an. Wir waren und sind uns einig, dass Schulen bei der Bewältigung der immer größer werdenden Herausforderungen, speziell auch vor dem Hintergrund der Vielfalt und Heterogenität, jede nur denkbare Unterstützung erhalten sollen. Daraus resultiert der Gedanke der Verantwortungsgemeinschaft.

Online-Redaktion: An wen richtet sich die Seite?

Mittag-Bornmann: Wir haben sie ins Leben gerufen, um den schulischen Ganztag weiter zu stärken. Die Seite bündelt Informationen zur Einrichtung und Gestaltung des Ganztags. Dabei soll sie die existierenden Informationsquellen von Stadt und Land nicht wiederholen, sondern ergänzen. Darüber hinaus werden bestehende Angebote präsentiert, sprich Praxisbeispiele als Ideenbörse für Schulen sichtbar gemacht. Und schließlich können sich potenzielle Förderer auf der Seite darstellen.
 
Online-Redaktion: Wer bringt Schule, Angebotsanbieter und Förderer zusammen?

Mittag-Bornmann: Das bleibt Sache der Schulen. Wenn ihnen ein Angebot, vielleicht auch der „Stiftung Gesellschaft macht Schule“, zusagt, sollten sie den Kontakt zum Anbieter suchen und sich anschließend auf die Suche nach einem Förderer begeben.

Online-Redaktion: Kann jede und jeder die Plattform nutzen, um auf Angebote aufmerksam zu machen?

Gläsernes Klassenzimmer
Artur-Kutscher-Realschule München © Online-Redaktion

Mittag-Bornmann: Im Prinzip ja. Aber wir haben uns entschieden, einen intensiven Qualitätscheck voranzustellen. Das Referat Bildung und Sport der Landeshauptstadt München führt diesen Qualitätscheck durch, unterstützt vom Schulamt, dem Freistaat Bayern sowie dem Bildungsnetzwerk. So wird einverständlich durch ein Entscheidungsgremium über die Aufnahme auf die Plattform entschieden. Schneller geht es, wenn ein Bildungsträger bereits als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt oder staatlich oder kommunal gefördert wird, also bereits bekannt ist.

Online-Redaktion: Was müssen potenzielle Anbieterinnen und Anbieter „mitbringen“?

Mittag-Bornmann: Willkommen sind nicht nur Anbieter, die bereits mit Ganztagsschulen kooperieren. Wir suchen auch neue Partner, wollen vernetzen. Die inhaltliche Vielfalt ist tatsächlich grenzenlos. Sport und Musik – prima. Tanz, Kunst, Jugendarbeit – klasse. MINT, Erste Hilfe, Anti-Mobbing-Training, Medienkompetenz – ausgezeichnet. Und so weiter. Vielleicht das Besondere: Aufgenommen werden nicht nur Anbieterinnen und Anbieter, die über ein Schuljahr hinweg den Ganztag mitgestalten wollen, sondern auch die, die sich in kleineren Zeitfenstern engagieren möchten. Wir setzen auf Flexibilität. 

Online-Redaktion: Haben Sie definiert, wann die Plattform, mit deren Planung vor fünf Jahren begonnen wurde, als erfolgreich gilt?

Mittag-Bornmann: Es gab eine Testung des Prototypen. Jetzt gehen wir mit ihr an den Start, werden Erfahrungen sammeln und die Seite, wenn erforderlich, anpassen. Wir werden die Rückmeldungen der Schulen und der Anbieter erhalten und schauen, was wie optimiert werden kann, eine Evaluation ist auch noch geplant. Wir sind uns bewusst, dass am Anfang nicht alles rund laufen wird. Dazu zählt vielleicht, dass wir zunächst mehr Anfragen als Förderer haben werden. Aber, wir wollten jetzt loslegen. Hauptsache, der Stein kommt ins Rollen.

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