Netzwerk Ganztagsschulen: „Zusammenspiel wie im Jazz“ : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow
Seit 2013 ist die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ unter dem Dach der Hamburger Schulbehörde angesiedelt. Detlef Peglow vom Ganztagsreferat der Behörde erklärt im Interview, warum Schulnetzwerke so wichtig sind.
Online-Redaktion: Herr Peglow, in Hamburg wurden die Ganztagsangebote in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Inzwischen sind alle Grundschulen Ganztagsschulen, alle anderen Schulformen haben Ganztagsangebote. Braucht es da überhaupt noch Netzwerkarbeit? Und wenn ja, welche?
Detlef Peglow: Unbedingt! Allerdings geht es in den Hamburger Netzwerken mittlerweile kaum noch um strukturelle Fragen zum Ausbau des Ganztags, sondern in erster Linie darum, Schule und Ganztag qualitativ zu verbessern. Hierfür ist ein Netzwerk meiner Meinung nach besser geeignet als etwa eine Schulung.
In Hamburg gibt es auf der einen Seite Entwicklungsnetzwerke, in denen sich Schulen zusammentun und eineinhalb bis zwei Jahre lang gemeinsam an aktuellen Entwicklungsthemen arbeiten. Fünf Hamburger Ganztagsschulen sind beispielsweise gerade damit beschäftigt, ihre Schulverpflegung zu verbessern. Solche Entwicklungsnetzwerke agieren auch bundesweit, etwa zum Thema digitale Bildung, wo derzeit vier Hamburger Schulen mit Partnern aus ganz Deutschland zusammenarbeiten. Darüber hinaus gibt es offene Netzwerke, die einem besonderen, Hamburg-spezifischen Konzept folgen.
Online-Redaktion: Was ist besonders an diesen Hamburger Netzwerken?
Peglow: Hamburg hat 2006 die „selbstverantwortete Schule“ eingeführt, ein Konzept, das den Schulen im Hinblick auf den Unterricht, die Gestaltung des Schullebens insgesamt, die Finanzen und die Personalsteuerung viel Spielraum lässt. Passend dazu war das Hamburger Ganztagsnetzwerk von Anfang an als offener Zusammenschluss konzipiert, in dem die Beteiligten die Themen selbst bestimmen und ihre konkreten Probleme und Entwicklungsfragen miteinander lösen können. Als Expertinnen und Experten des Ganztags beraten die Beteiligten einander und erhalten gleichzeitig Beratung. Dieses Peer-to-Peer-Lernen macht die besondere Attraktivität unseres kollegialen Beratungs- und Fortbildungsangebots aus.
Online-Redaktion: Welche offenen Netzwerke gibt es in Hamburg, und wer nimmt teil?
Peglow: Unser ältestes Netzwerk ist das schulformübergreifende Netzwerk der Ganztagskoordinatoren mit mehr als 120 Schulen, die die Angebote des Netzwerks regelmäßig nutzen. Die Themen sind bunt gemischt, es kommt dabei immer auf die Teilnehmer an. Es geht zum Beispiel um die pädagogischen Implikationen des Schulbaus, wie beispielsweise die neue Bauform Kompartiments, oder um Dauerbrenner-Themen wie die Verzahnung von Vor- und Nachmittag oder Üben und Wiederholen. Ein weiteres offenes Netzwerk ist das der Koordinatoren von offenen Ganztagsgymnasien, die bei uns „Ganztagsschulen besonderer Prägung“ heißen, mit aktuell rund 20 Teilnehmenden. Und es gibt es ein offenes Netzwerk für Grundschulen nach GBS-Modell – GBS steht für Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen –, an denen Schulleitungen, Lehrkräfte, Ganztagskoordinatoren und externe Kooperationspartner teilnehmen.
Online-Redaktion: Welche Ziele verfolgen die Beteiligten in den Netzwerken?
Peglow: Das gemeinsame Ziel aller Netzwerkerinnen und Netzwerker ist, alle Schülerinnen und Schüler von Ganztagsschulen bestmöglich zu fördern. Damit das gelingt, wollen wir möglichst nah dran sein an den Schulen und eine vertrauensvolle Gesprächsmöglichkeit anbieten. Vertrauen ist sehr wichtig, denn nur Schwierigkeiten, die sehr konkret benannt und beschrieben werden, können in der kollegialen Beratung produktiv bearbeitet werden.
Dann gilt es auch, Good-Practice-Beispiele zu finden. Wie erwähnt geht es in den Hamburger Netzwerken jetzt nicht mehr darum, wie beispielsweise eine Schulverpflegung organisiert werden kann, sondern darum, wie Schulverpflegung in ihrer Qualität verbessert werden kann. Aber es geht auch darum, wie die Schule zum Beispiel eine kindgerechte Atmosphäre in der Mensa schaffen oder kürzere Schlangen bei der Essensausgabe erreichen kann.
Online-Redaktion: Bevor Sie 2011 ins Netzwerkmanagement gewechselt sind, haben Sie als Lehrer an einer Ganztagsschule gearbeitet. Was reizt Sie persönlich an der Netzwerkarbeit?
Peglow: Ich fand Netzwerkarbeit von Anfang an großartig, es ist eine offene, demokratiefördernde Arbeit, basierend auf der Überzeugung, dass sich gute Ideen durchsetzen. Als Musiklehrer empfinde ich die Netzwerkarbeit so ähnlich wie den Jazz: Die Musik entsteht im Zusammenspiel über einer auskomponierten Struktur. Eine gute Melodie bietet die Grundlage, und vielleicht begleitet sie einen mit nach Hause.
In den vergangenen Jahren sind wir weit gekommen, die Kommunikation läuft gut. Das Hamburger Ganztagsschulnetzwerk hat sich zu einem ausdifferenzierten Angebot entwickelt, das sich mit allen Schwerpunktthemen der Ganztagsschulpädagogik befasst, in Arbeitsgruppen die Rahmenbedingungen guter Koordinationsarbeit entwickelt und sich mit Entwicklungen der Ganztagsschulen auseinandersetzt.
Online-Redaktion: Welche Aufgaben haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Detlef Peglow: Nachdem die strukturelle Ganztagsentwicklung in Hamburg abgeschlossen ist, muss der Ganztag immer noch in die Köpfe der Menschen, so möchte ich das formulieren. Denn trotz des flächendeckenden Ausbaus der Ganztagsschulen ist das Bild der guten alten Halbtagsschule, ihrer Strukturen und begrenzten Aufgaben und Ziele für die meisten Eltern, Pädagogen und Schulverwalter noch sehr präsent und vielleicht sogar die innere Vorlage für die Schulgestaltung. Kein Wunder, schließlich sind wir früher fast alle auf eine Halbtagsschule gegangen.
Ich schätze, es dauert noch gut 15 Jahre, bis alle an Schule Beteiligten die Möglichkeiten des Ganztags pädagogisch selbstverständlich nutzen. Diese Entwicklung zu fördern, gehört auch zu unseren Aufgaben in der Netzwerkarbeit. Als kleineres Projekt für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, eine gute Verwaltungssoftware zu finden, mit deren Hilfe die Zusammenarbeit von Kurs- oder AG-Leitungen verbessert und die Anwesenheit von Kindern in den Kursen überprüft werden kann. Es wäre optimal, wenn Kinder ihre Nachmittagskurse online buchen könnten.
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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